Brilon. In den Sozialen Medien ist das Bedauern groß: Die alte Linde und die markante Kastanie in der Briloner Kirchenstraße sind Geschichte.

Der HSK hatte die beiden exponierten Baumriesen in der Briloner Innenstadt schon lange aus seiner Naturdenkmalliste gestrichen, jetzt sind sie Geschichte: Der Eigentümer des Wohn- und Geschäftshauses an der Ecke Derkere Mauer/Stracke-/Kirchenstraße hat am Samstag die auf dem Parkplatz des China-Restaurants stehende mächtige Kastanie und die alte Linde fällen lassen. „Die waren faul“, sagt The Minh Tran, der Eigentümer des Grundstücks.

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Und außerdem habe ihn die Stadt vor rund drei Wochen aufgefordert, seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und das „Totholz“ zu entfernen, da von den abgestorbenen Ästen eine Gefahr für Passanten ausgehe.

Galmei-Linde Mittwoch im Ausschuss

Mit rund 300 Jahren dürfte die Linde am Rande des Parkplatzes zu den ältesten Bäumen der Kernstadt gehört haben, wie aus einer Aufstellung aus den späten 80er Jahren hervorgeht. Als ältester Baum gilt die sog. Galmei-Linde am Ammertenbühl, die vor wenigen Wochen für Schlagzeilen sorgte.

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Wie berichtet, sollte der baumchirurgisch behandelte Stummel der Zufahrt zu einem Baugebiet geopfert werden. Das ist bekanntlich vom Tisch. Mittwoch, 21. April, befasst sich der Bau- und Planungsausschuss mit der mittlerweile gefundenen alternativen Erschließung des Grundstücks. Die Sitzung findet um 17.30 Uhr unter Corona-Bedingungen im Kolpinghaus/Bürgerzentrum statt.

Kreis wachsen Kosten über den Kopf

2006 hatte der Hochsauerlandkreis eine neue Naturdenkmal-Verordnung erlassen. Bis dahin enthielt die Liste 275 Objekte, und zwar nicht nur einzelne Bäume, sondern auch Baumgruppen. Rund 500 Stämme, so damals die Schätzung der Kreisverwaltung, könnten dabei zusammengekommen sein. Und für deren Unterhaltung und Verkehrssicherung hat der Kreis selbst aufzukommen, und zwar „solange der dafür erforderliche Aufwand in Abwägung mit ihrer jeweiligen Bedeutung für Natur und Landschaft dies erfordert“, wie es in § 5 der Naturdenkmal-Verordnung heißt.

Das ist von der rund 300 Jahre alten Linde übriggeblieben.
Das ist von der rund 300 Jahre alten Linde übriggeblieben. © Jürgen Hendrichs

Das ging schon damals ans Geld. Bei der Überarbeitung sollten die Parlamentarier deshalb nicht nur den Vitalitätszustand der geschützten Bäume betrachten, sondern „unter Kostengesichtspunkten“ sei eine „neue Bewertung von ,Seltenheit, Eigenart und Schönheit’ notwendig geworden“.

Naturdenkmal-Liste gekürzt

Ergebnis: „Einigen Bäumen wurde die Bewertung als ,besondere Einzelschöpfung der Natur“ abgesprochen. 125 der bis dahin unter Schutz stehenden 275 Objekte flogen von der Liste.

Neben dem Arbeitsaufwand für die Verkehrssicherungsmaßnahmen fielen auch Personalkosten für einen Mitarbeiter der Unteren Landschaftsbehörde an, der die jährlich zwei rechtlich vorgeschriebenen Inspektionen der unter Schutz stehenden Bäume vorzunehmen hatte. Diese Aufgabe verteilte der Kreis später auf Außendienstmitarbeiter.

2015 standen 145 Objekte mit 231 Bäumen auf der Naturdenkmal-Liste. Und selbst bei denen waren Kosten für Pflege und Begutachtung für den Kreis „zu einem nicht mehr kalkulierbaren Risiko“ geworden, wie es in den Gremien hieß. Rund 45.000 Euro betrug in jenem Jahr der Aufwand, davon steuerte das Land rund 12.000 Euro bei, wie der Kreis seinerzeit auf eine Anfrage der Sauerländer Bürgerliste hin mitteilte.

Bundesnaturschutzgesetz

§ 28 Naturdenkmäler

(1) Naturdenkmäler sind rechtsverbindlich festgesetzte Einzelschöpfungen der Natur oder entsprechende Flächen bis zu fünf Hektar, deren besonderer Schutz erforderlich ist

1. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder 2. wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit.

(2) Die sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturdenkmals führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.

Zu dem geschützten Baum-Ensemble auf dem Parkplatz des Briloner China-Restaurants gehörte neben der Linde und der Kastanie auch ein Ahorn. „Der war vertrocknet“, sagt The Minh Tran. Auf den dürfte sich auch der Vermerk bezogen haben, dass eine „akute Umsturzgefahr“ drohe. Den Ahorn hat The Minh Tran schon damals beseitigen und bei dessen stehen gebliebenen Nachbarn die nötigen Sicherungs-Rückschnitte vornehmen lassen. Eine neutrale fachmännische Feststellung, wie stark die Linde und die Kastanie jetzt beschädigt waren, erübrigt sich jetzt jedenfalls – zum vielfachen Bedauern, wie aus einschlägigen Kommentaren aus Brilon-Gruppen in den Sozialen Medien hervorgeht.

Noch zehn Naturdenkmäler in Brilon

Die Stadt Brilon selbst ist für die Verkehrssicherungspflicht von rund 14.000 Bäumen zuständig. So viele Solitär- und Straßenbäume und Bäume in Grünanlagen führt das Baumkataster jedenfalls.

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Naturdenkmäler sind davon gerade einmal noch diese zehn:

In der Kernstadt eine Linde in der Keffelker Straße, eine Linde bei der Hubertuskapelle auf dem Friedhof, die Jakobuslinde an der B7/Sportpark und eine Linde am Etzelsberg.

In Alme zwei Linden in der Ludgerusstraße.

In Altenbüreneine Linde auf dem Friedhof.

In Hoppecke eine Linde zwischen Park- und Dominitstraße.

In Thülen zwei Linden im Bereich Zur Heide sowie eine aus sieben Linden und drei Ahornen bestehende Baumreihe um Friedhof und Kirche.

In Wülfte die Eiche in der Ortsmitte.