Marsberg. Siegfried Ilius aus Marsberg wollte es nicht hinnehmen, dass sein E-Piano kaputt ist. Er baut die Platine aus und steckt sie in die Spülmaschine.
Siegfried Ilius (79) spielt selbst nicht Klavier. Das E-Piano steht vor dem Panorama-Fenster seines Wohnzimmers. 28 Jahre hat es funktioniert. Gekauft hat er es gebraucht von dem Musiklehrer seiner Kinder. Auch seine Enkelkinder haben darauf Musik gemacht. „Sie haben es regelrecht traktiert“, sagt er im Gespräch mit der WP. Und dann hörten sich die Töne irgendwann nicht mehr so an, wie sie sollten. „Es fing an, beim Spielen zu knacken und zu krächzen“. Irgendwann gab es sogar eine regelrechte Explosion. Ilius „Wir mussten es abstellen.“ Das war vor etwa sechs Wochen.
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Wieder tadellos in Schuss
Heute lässt es sich fast wieder tadellos spielen. Und das, obwohl Fachleute dem Musikinsrument schon keine Chance mehr gaben und ihm rieten: „Kaufen Sie sich ein neues E-Piano. Dieses zu reparieren kommt zu teuer.“ Siegfried Ilius ist studierter Wirtschaftsingenieur. Dinge zu reparieren, die nicht mehr funktionieren, liegt ihm im Blut. An das elektrische Musikinstrument traute er sich doch nicht so ohne weiteres heran. Aber aufgeben wollte er es auch nicht. „Heutzutage werden Dinge viel zu schnell weggeworfen“, sagt er. Sein Blick wandert stolz zum schwarzen E-Concert-Piano, Marke: Korg.
Tipps auf You Tube
Im Internet machte er sich schlau. Auf You Tube fand er einen Beitrag einer Berliner Firma, die ausführlich beschrieb, wie elektrische Klaviere funktionieren und wie sie repariert werden können. Ilius lernte, dass es eine typische Alterserscheinung sei, wenn der elktronische Kondensator nach so viel Jahren seinen Dienst quittiert. Er nahm telefonisch Kontakt mit der Berliner Firma auf, „die hat mir Mut gemacht und gesagt, es müssten wahrscheinlich nur einige Stellen gelötet werden“.
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Er fragte einen bekannten Elektromechaniker, ob er die Reparatur übernehmen könnte. „Ja sicher“, hatte der ihm geantwortet, das habe er schon zigtausend Mal gemacht“. Er solle die Hauptplatine aus dem Piano herausbauen und ihm bringen.
E-Pianos mit charakteristischem Sound
Pianos mit elektrischen Komponenten gibt es schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Ging es anfänglich eher um verschiedene Versuche, die Klangeigenschaften mechanischer Klaviere zu verändern, wurden in den letzten gut 100 Jahren immer ausgefeiltere Methoden entwickelt, um die Klänge von Musikinstrumenten vollständig auf elektronischem Wege zu erzeugen.
Elektromechanischen Pianos gaben in den 1950ern Ray Charles und später den Beatles oder The Doors ihren charakterischen E-Sound.
Grundsätzlich funktionieren alle modernen elektronischen Pianos auf die gleiche Art und Weise. Statt die Töne mittels Saiten oder anderer mechanisch schwingender Bauteile zu erzeugen und per Resonanzkörper zu verstärken, werden die Töne auf elektronischem Wege erzeugt, verstärkt und über eingebaute Lautsprecher, Kopfhörer oder angeschlossene Verstärker ausgegeben.
Die Lebensdauer von E-Pianos hängt von der Qualität und der Behandlung durch den Nutzer ab. Bei Billig-Keyboards und Digital-Pianos in der unteren Preisklasse kann man bei sachgerechter Behandlung von zehn bis 15 Jahren Haltbarkeit ausgehen. Höherwertige Digital Pianos sollten in der Regel länger als 30 Jahre ihre Dienste erfüllen. Jedoch hängt dies von weiteren Faktoren ab, wie zum Beispiel der Marke.
Ilius: „Die Hauptplatine ist etwa so groß wie ein DIN-A-4-Blatt und hat hunderte von Lötstellen auf der Vorder- und Rückseite.“ Als sich der Elektriker die Platine angesehen hatte, habe er nur noch den Kopf geschüttelt und gemeint: „Die Platine hat ne Macke, die können Sie vergessen.“ Schmauchspuren nannte er als Beleg dafür. Sie müsste wohl zu oft heiß gelaufen sein.
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Mit der Diagnose wollte sich Ilius nicht zufriedengeben. „Ich habe mir die Schmauchspuren genau angesehen und versucht, sie mit einem Wattestäbchen wegzuwischen.“ Zu seiner Überraschung waren sie ganz leicht zu entfernen. Morgens beim Frühstück fiel ihm ein, dass der Typ aus dem Video gesagt hatte, dass als erstes die Platine gründlich gesäubert werden müsste. Dazu könnte man auch eine Zahnbürste mit Seifenwasser nehmen. Man könnte sie auch in die Spülmaschine stecken.
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Platz in Spülmaschine frei
Das probierte Ilius umgehend aus. In der Spülmaschine war noch Platz. Er stellte sie an mit einem ganz normalen Spülgang. Heraus kam eine blitzsaubere Platine, ohne jegliche Schmauchspuren. Über Nacht hatte er sie noch vorsorglich auf die Heizung gelegt, um sie zu trocknen. Am nächsten Tag baute er sie ein. Drückte die Tasten. Und siehe da, das Piano funktionierte wieder. Ilius: „Ich war total verblüfft.“ Einzig die tiefsten zehn Tasten gaben erst keinen Ton ab. Er stellte das Klavier wieder aus. Zwei Stunden später wollte sein Enkel darauf spielen. Da funktionierten auch die zehn Tasten wieder. Das war vor Ostern. Seit ein paar Tagen wollen allerdings vier der tiefen Tasten nicht mehr so, wie sie sollen. „Mal sehen,“ fragt sich Siegfried Ilius neugierig, „wie lange werden wir wohl noch drauf spielen können?“.