Hallenberg. Der Junge muss an die frische Luft - die Freilichtbühnen müssen das auch. Doch Proben sind nur in Minimalbesetzung möglich. Wie das funktioniert:

Corona hält das Zepter über unseren Alltag weiterhin fest in der Hand. Und daher ist es im ersten Moment verständlich, dass die Politik nicht gerade in erster Linie auf die Freilufttheater und deren Wohlergehen schaut. Doch die machen sich Sorgen. Große Sorgen!

Probe-Möglichkeiten eröffnen

Bereits vor einigen Wochen hatte der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Freilichtbühnen, Heribert Knecht aus Hallenberg, beim Ministerium in Düsseldorf nachgefragt, wie es mit den Probe-Möglichkeiten und kostenlosen Schnell-Tests für die Amateurtheater aussehe (wir berichteten). Nicht gut, wie die Referentin im Ministerium mitteilte. Es gibt schlicht keine Überlegungen zum Probenbetrieb für Amateurkunst und für Open-Air Veranstaltungen. Sie kommen in der aktuellen NRW Corona-Schutzverordnung nicht vor, so dass der Probenbetrieb zum jetzigen Zeitpunkt nur virtuell möglich ist. Das gilt mindestens bis zum 18. April.

Die Zeit drängt

Knecht und den 89 dem Verband angeschlossenen Bühnen hilft das nicht weiter. Viele, die im Mai ihre ersten Premieren haben, scharren mit den Hufen und wollen endlich proben, müssen endlich proben. „Man darf nicht vergessen, dass das alles engagierte Laien sind, die das neben ihrem Beruf machen. Das heißt: die können nicht in vier Wochen eine komplette Inszenierung einstudieren, weil sie in vier Wochen nur die Zeit zur Verfügung haben, die ihnen neben ihrem Job noch bleibt.“

Das sagt das Ministerium in Düsseldorf

Auf eine Anfrage unserer Zeitung an das Kulturministerium in Düsseldorf, ob an einer Lösung für Freilichtbühnen gearbeitet werde, antwortete die Pressestelle gestern:
„Die Möglichkeit, den Probenbetrieb auch für Amateurtheater, Amateurensembles und die gesamte Laienmusik wieder zu ermöglichen, wurde im Grundsatzpapier der Kulturministerkonferenz zur Wiederöffnung des Kulturlebens im Februar dieses Jahres vorgesehen. Mit Rücksicht auf die Gesamtstrategie des Landes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurde dieses Anliegen in NRW jedoch angesichts der steigenden Infektionszahlen noch nicht umgesetzt. Im Zuge der Einrichtung von Modellregionen können sich jedoch neue Entwicklungen ergeben, die einen Probenbetrieb mit getesteten Teilnehmern ermöglichen.“ Aber die Entscheidung ist ja nun gestern gefallen.

Auch der Hallenberger Bürgermeister Enrico Eppner hatte in einem Brief an das Land NRW und an den Ministerpräsidenten auf die Problematik hingewiesen und nicht zuletzt auch den gesellschaftlichen Stellenwert der Bühne hervorgehoben. Auf sein Schreiben, das Land möge noch vor Ostern eine klare Ansage treffen, wie die Bühnen proben könnten, hat er noch keine Antwort bekommen. Allerdings zwei Anrufe aus dem Ministerium. Die aber im Prinzip nur das bestätigen, was auch Knecht mitgeteilt wurde. Momentan geht nichts. Gegenüber einem Probenbetrieb mit vorhergehendem „Negativ-Test“ sei man aber sehr aufgeschlossen gewesen, so Eppner. Für ihn habe es so geklungen, dass das Ministerium so einen Schritt forcieren würde, wenn der HSK Corona-Modellregion würde. Aber das ist seit gestern auch vom Tisch. Der Modellregion-Charakter ist lediglich für Winterberg und Schmallenberg geplant und auch dafür müssen die Inzidenzen erstmals sinken.

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Von Jana Naima Schopper, Stefanie Bald und Boris Schopper

Realitätsfremd

Ärgerlich für die Spieler ist vor allem, dass die Corona-Schutzverordnung zwischen Laien und Profis unterscheidet. In der Verordnung heißt es: „Der zur Berufsausübung zählende Probebetrieb sowie zur Berufsausübung zählende Konzerte und Aufführungen ohne Publikum zur Aufzeichnung oder Übertragung in Fernsehen, Radio und Internet sind weiterhin zulässig.“ Für Laien gilt hingegen die Empfehlung der Berufsgenossenschaft, wonach Abstände von drei bis sechs Meter eingehalten werden müssen und bei Dialogen auf die Windrichtung zu achten ist. Das klingt mehr als realitätsfremd.

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Bewusstsein für mögliche Sonderstellung

Laut Eppner hätten sich in der Zwischenzeit die Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese (SPD) und Carlo Cronenberg (FDP) zu diesem Thema bei ihm gemeldet und zugesagt, ihre Kollegen in den jeweiligen Landtagsfraktionen nochmals auf das Hallenberger Anliegen anzusetzen. „Die Situation gegenüber der ehrenamtlichen Protagonisten ist für mich unbefriedigend. Einerseits tragen wir im Kollektiv die Erlasse bezüglich der ganzheitlich steigenden Corona-Zahlen mit, andererseits sehen wir aber auch die Disziplin und das Engagement in unserem Stadtgebiet.“ Hallenberg selbst hat seit Wochen 0 oder maximal 1 bis 2 Corona-Fälle. Dieser Tage seien sich alle Akteure der Verantwortung, die eine Sonderstellung mit sich bringen würde, vollumfänglich bewusst, so Eppner.

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Ruf nach Perspektiven

Die Bühne wäre bereit, das freiwillige Engagement und die technischen Möglichkeiten zu maximieren, um auch zukünftig der Kultur und dem sozialen Miteinander eine Perspektive zu geben. „Testen, ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Nachverfolgbarkeit und das Pflichtbewusstsein der Freilichtbühne Hallenberg - all dies sind für mich Fakten, welche einen Probenbetrieb rechtfertigen würden um eine Saison zu ermöglichen“, sagt Eppner.

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