Brilon/Winterberg. Ein Mann (70) soll zwei Jugendliche bei Winterberg missbraucht haben. „Alles erstunken und erlogen“, sagt er. Die Wahrheitsfindung ist schwierig.
Auch im dritten Anlauf konnte das Schöffengericht Brilon noch nicht die Vorfälle aufklären, die sich am letzten Augustwochenende des Jahres 2018 in einer Gartenhütte im Raum Winterberg zugetragen haben sollen. Einem heute 70 Jahre alten Mann wird vorgeworfen, dort zwei Jugendliche sexuell belästigt, „beischlafähnliche Handlungen“ vorgenommen und körperlich misshandelt zu haben. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe - „Alles erstunken und erlogen“, entfuhr es ihm am Donnerstag.
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Aus Jugendhilfeeinrichtungen entwichen
In jenem August hielten sich eine heute 20 Jahre alte, vor kurzem Mutter gewordene Frau und eine damalige Freundin für einige Zeit auf einer Firmenbrache in einer Hütte auf. Beide waren aus Jugendhilfeeinrichtungen entwichen. Ein Bekannter der Freundin hatte den beiden das provisorische Quartier beschafft und verbrachte mit ihnen und seinem Hund dort viel Zeit. Eines Freitagabends kreuzte der Angeklagte in der Hütte auf - in einem ziemlich angetrunkenen Zustand. Eigentlich, so sagt er, habe er den jungen Leuten nur sagen wollen, dass sie dort „nichts zu suchen“ hätten. Dann habe man sich aber zusammengesetzt und was getrunken. „Eigentlich war er ja ganz lieb und nett“, erzählt die 20-Jährige. Zwischendurch habe der Angeklagte ihre Freundin mal kurz an der Brust berührt - „So eine Männersache eben, meine Freundin war da nicht so empfindlich, das war jetzt nicht soooo schlimm“.
Vorwurf: An die Brust gefasst und schmerzhaft zugegriffen
Als die beiden jedoch Zigaretten holen gingen und sie mit dem Angeklagten alleine in der Hütte waren, schlug die Stimmung um. Sie habe auf dem Rücken auf der Couch gelegen und mit dem Handy hantiert, als sich der Mann über sie beugte, ihr eine Hand umklammerte und und mit der anderen unter ihr T-Shirt hindurch an die Brust fasste und schmerzhaft zugriff. Allerdings gelang es ihr, den ordentlich angetrunkenen Mann - nach eigenen Angaben damals ein kraftloses körperliches Wrack - wegzuschubsen. Die drei jungen Leute verließen nach dem Vorfall aus Angst vor dem Angeklagten die Hütte, kehrten in der Nacht aber zurück.
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Das tat am nächsten Vormittag auch der Angeklagte. Er wollte seinen am Vorabend dort vergessenen Restbestand an Rum holen. Als er kam, war nur die 20-Jährige bereits auf, die Freundin und deren Bekannter schliefen noch. Da habe er Angeklagte sie auf einmal erneut mit einer Hand festgehalten und sei ihr mit der anderen in die Leggings gegangen. Sie habe um Hilfe gerufen und ihn vors Schienbein getreten. Daraufhin habe er von ihr abgelassen, woraufhin sie abgehauen sei. In der Zwischenzeit hatte ihre Freundin bereits einen Bekannten antelefoniert, der auch kurz darauf an der Hütte eintraf und den 70-Jährigen festhielt, bis die ebenfalls alarmierte Polizei kam. Die nahm den 70-Jährigen mit. 0,87 Promille hatte er noch intus.
Abweichungen in den Aussagen
Problem für das Gericht: Es stehen sich nicht nur die Schilderungen des Angeklagten und des Opfers diametral gegenüber, vielmehr gibt es auch erhebliche Abweichungen in den Aussagen der 20-Jährige bei zwei polizeilichen Vernehmungen und ihren Darstellungen jetzt in der Hauptverhandlung. Die sind vor allem deshalb relevant, weil es dabei um die intimsten Details und damit auch um die Schwere der Tatvorwürfe und die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen geht.
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Deshalb soll auch das zweite Opfer noch als Zeugin gehört werden. Die Bekannte hatte den Termin am Donnerstag einfach geschwänzt. Deshalb beantragte Staatsanwältin Schlothmann, sie polizeilich vorführen zu lassen. Das Kommen jenes Bekannten, der den Angeklagten bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten hat, ist gesichert. Er sitzt derzeit eine Haftstrafe ab.