Brilon. Emotionales Statement von Ratsschänke-Inhaber Jan Mittmann aus Brilon: „Ich bin nur noch wütend“. Wie bedrohlich der Lockdown für ihn ist.

150 Tage Lockdown. An der Tür der Ratsschänke in Brilon ist für jeden Tag im Corona-Lockdown ein Strich an die Tür gemalt worden. Besitzer Jan-Henrick Mittmann weiß mittlerweile nicht mehr, wie es weitergehen soll – und schreibt sich den Frust in einem langen Statement im Netz von der Seele: „Was soll ich sagen? Dazu fällt mir nichts mehr ein.“

Ratsschänke nur zwei Monate vor Lockdown eröffnet

Jan Mittmann aus Brilon betreibt die Ratsschänke.
Jan Mittmann aus Brilon betreibt die Ratsschänke. © Privat | Privat

Jan-Henrick Mittmann hat die Ratsschänke im Januar 2020 wiedereröffnet. Seine Ziele waren klar. „Ich will den guten Ruf der Ratsschänke wiederherstellen“, sagt er damals der WP. Er will renovieren, „Das Wesen bleibt erhalten, aber es wird alles etwas frischer aussehen.“ Und er sagt auch: „Ich möchte, dass sich Jung und Alt hier wohlfühlen können.“ Am 22. März, nur zweieinhalb Monate nach der Eröffnung, muss Jan-Henrick Mittmann seine Ratsschänke wieder schließen. Erster Lockdown. Ein Desaster. Damals startet er ein Crowdfunding-Projekt, 506 Euro kommen für den Erhalt des Lokals zusammen. Er schafft es über den Sommer. Dann im November 2020 der zweite Lockdown. Keine Perspektive, bis jetzt.

Den Traum ermöglichen – das war das Ziel

„Ich wollte meinen Traum ermöglichen, etwas tolles aus den Laden zu schaffen, etwas eigenes aufbauen. Ich war während des ersten Lockdowns noch optimistisch, ich/wir haben die Zeit genutzt um alles zu renovieren, und das ist uns auch gelungen! Man erkennt den Laden nicht wieder. So langsam geht mir aber echt die Luft aus.“

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Das schreibt er in seinem Statement. Die Situation ist eine Katastrophe für ihn. „Wir alle wissen nicht, wann wir wieder starten können. Ich selbst arbeite mittlerweile woanders, damit ich überhaupt noch Kosten decken kann und ich eventuell auch noch was zu fressen habe. So geht es nicht nur mir, sondern fast allen!“, tippt er weiter. Und: „Wohin soll das noch alles führen? Ich habe bisher immer Abstand zu Theorien gehalten, ich habe mich selbst impfen lassen, man braucht den Virus nicht abstreiten, ich bin kein Querdenker! Aber wann Bitteschön kommt es mal wieder zur Normalität? Ist das jetzt unsere neue Normalität?“ Dann macht er eine Rechnung auf, die erschreckt. Er habe zehn Tische, 30 Menschen können sein Lokal besuchen. Vor Corona passten gute 90 oder sogar 100 Menschen in die Ratsschänke. Ihm fehlen tausende Euro Umsatz, nicht nur aus dem Lockdown, sondern auch aus dem stark eingeschränkten Sommer 2020, der für die Gastronomie nur unter Corona-Regeln stattfinden durfte. Jan-Henrick Mittmann schreibt: „Ich verschulde mich bald für einen scheiß Laden, der OHNE mein Verschulden fast ein halbes Jahr zu hat? Ohne zu wissen, wann geht es wieder los? Ich bin einfach nur noch wütend über diese Politik und es musste jetzt auch einfach mal ausgesprochen werden!“

Niemand redet mehr über die Gastronomie

Jan-Henrick Mittmann reagiert auf Westfalenpost-Anfrage ehrlich: „Es läuft nicht gut. Ich denke, man muss sich einfach mal vor Augen führen, wie lange die Gastronomie und auch andere Branchen schon geschlossen haben.

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Da muss eine Perspektive her.“ Die Krux: selbst, wenn die Gastronomie wieder öffnen dürfte, werde er nicht annähernd wieder einen geregelten Betrieb aufnehmen dürfen. Die Regelungen sehen zwei Haushalte zusammen vor, nicht mehr als fünf Menschen. „Und Außengastronomie kommt doch auch nicht in Frage – wer setzt sich denn jetzt abends draußen hin?“ Für Heizpilze, um es den Gästen draußen bequem zu machen, ist kein Geld übrig.

Die Novemberhilfen für die Ratsschänke kamen Ende Januar. Die Dezemberhilfen vor einem Monat, Mitte Februar. Und dann? „Über Hilfen wird gar nicht mehr gesprochen, es wird einfach zugemacht.“ Mittlerweile arbeitet Jan-Henrick Mittmann woanders, mehr will er nicht sagen. Anders kann er seinen Traum nicht mehr finanzieren. „Ich will nicht hetzen. Dieses Virus ist schlimm. Aber ich wollte mit meinem Statement den Leuten zeigen, wie es uns geht. Über die Gastronomie wird nämlich nicht mehr geredet.“