Winterberg. Bund-Länder-Beschlüsse eröffnen Möglichkeit für testweise Öffnung des Tourismus. Winterberg will darum kämpfen, ein Projekt in den HSK zu holen.
Seit der Nacht (22./23.3.) steht fest: Der Tourismus bleibt bis mindestens 18. April im Coronaschlaf. Trotzdem sieht Winterberg im jüngsten Bund-Länder-Beschluss zumindest einen Hoffnungsschimmer:
„Im Rahmen von zeitlich befristeten Modellprojekten können die Länder in einigen ausgewählten Regionen, mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept, einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens öffnen, um die Umsetzbarkeit von Öffnungsschritten (…) zu untersuchen“, heißt es darin unter Punkt 6. Der Satz wirft viele Fragen auf, die in nächster Zukunft auf Landesebene zu diskutieren sein werden – was zum Beispiel bedeuten „zeitlich befristet“ und „strenges Schutzkonzept“?
Klar ist aber schon, dass Winterberg eine dieser Modellregionen werden möchte. „Das werden wir in Kürze der Landesregierung mitteilen“, sagte Stadt-Pressesprecherin Rabea Kappen am Dienstagmittag. Man habe vorgearbeitet und erfülle die zentralen Anforderungen, die in dem Beschluss genannt werden – vor allem ein Testkonzept. Dazu gehöre auch das Drive-in-Testzentrum auf dem Oversum-Parkplatz, das wie geplant am Mittwoch in Betrieb gehen soll.
Stadt hat vorgearbeitet
Winterberg hatte in Abstimmung mit NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart erst vor wenigen Tagen ein Konzept für eine touristische Modellregion veröffentlicht, das sogenannte Pinkwart-Papier. Es enthielt bereits Details zu Themen wie maximale Belegung von Hotels und Besucherlenkung. Ob und welche Teile davon umgesetzt werden könnten – sollte NRW tatsächlich Modellregionen ausweisen und Winterberg eine davon werden – das kann sich erst in den nächsten Tagen zeigen.
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Dass der Abschnitt Modellprojekte aber überhaupt im Beschluss der Bund-Länder-Konferenz auftaucht, werte die Stadt als positiv, so Kappen. „Es ist wenigstens eine Perspektive und das Einzige, woran sich Beherbergungsbetriebe, Gastronomie und Freizeitbetriebe jetzt klammern können.“ Dass der Beschluss aber abgesehen davon keinerlei Perspektive für solche Betriebe enthalte, sei aus Winterberger Sicht „nicht verständlich und sehr schade“. Ebenso könne man nicht nachvollziehen, warum Menschen nach Mallorca fliegen, aber nicht mit dem eigenen Auto in eine autarke Ferienwohnung in Deutschland fahren dürfen.
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„Es geht noch heute eine E-Mail raus an Minister Pinkwart und die NRW-Staatskanzlei“, versichert Bürgermeister Michael Beckmann. „Ideal wäre, hier auch einen Schulterschluss mit dem HSK anzustreben – wobei natürlich noch unsicher ist, wie groß ein Modellprojekt werden darf.“ Mit einem eventuellen Modellprojekt-Start vor oder über Ostern sei ohnehin sicher nicht mehr zu rechnen. Auch die Frage, wie schnell Kontaktverfolgungs-Apps wie „Luca“ vor Ort einsatzbereit sein könnten, sei noch zu klären, „denn eine Insellösung zu verfolgen ist sicher nicht sinnvoll.“
So reagieren Hotelbetreiber
Die Winterberger Betriebe dürften das Bemühen um ein touristisches Modellprojekt in der Region gespannt verfolgen. Danny Meurs steht auf jeden Fall dahinter. „Ich halte das Konzept des Pinkwart-Papiers für sehr wichtig“, sagt der Juniorchef des Hotels Der Brabander. Den Minister hat er zusammen mit anderen Unternehmern aus dem HSK auf Einladung der IHK erst kürzlich selbst in Arnsberg getroffen, um mit ihm über Perspektiven zu sprechen.
„Winterberg wäre für den Tourismus eine gute Test- oder Modellregion. Die Eindämmung des Virus hat oberste Priorität, aber es wäre sehr wichtig, parallel zum Lockdown Konzepte zu entwickeln, wie es weitergehen kann. Sonst könnte der Rückhalt in der Bevölkerung für die Maßnahmen schwinden.“ Der Weg zurück zur Normalität ist in jedem Fall noch weit; Perspektiven für die Beherbergungsbetriebe praktisch inexistent.
Trotzdem versuchen die Meurs, den Humor nicht zu verlieren. „Wir haben alle Mitarbeiter gehalten, stocken das Kurzarbeitergeld auf und versuchen auch, die Leute bei Laune zu halten. Zum Beispiel mit Bingoabenden über Zoom oder indem wir in einem Hotelzimmer einen Escape Room für Mitarbeiter eingerichtet haben. „Jedesmal nach einer Bund-Länder-Konferenz ist man niedergeschlagen, weil man sich mehr erhofft hat“, sagt Meurs, der auch 26 Ferienwohnungen anbietet. Dass auch diese vorerst zu bleiben, steht seit der Nacht fest. Und auch die geplante Erweiterung des Hotels und Restaurants wird erstmal verschoben.
Kleine Betriebe leiden schwer
Den gegenseitigen Rückhalt, den sich Angehörige eines großen Betriebes wie dem Brabander gegenseitig geben können, haben kleine Unternehmer oft nicht. Jutta Rosenkaimer, Inhaberin des Altstadthotels Winterberg, kämpft sehr schwer mit den Beschränkungen: „In meinem Acht-Zimmer-Hotel im ehemaligen Elternhaus mache ich 80 Prozent der Arbeiten selbst. Ich bin trainiert, mich in Krisen selbst wieder hochzuziehen“, sagt sie.
Schon der Wiederaufbau des Hauses nach einem Brand und die Wiedereröffnung seien harte Zeiten gewesen. „Aber die jetzige Situation ist beispiellos, ich spiele mit dem Gedanken, alles zu verkaufen. Die finanziellen Verluste sind enorm, die Hilfen schleppend und nicht ausreichend.“ Den April eingerechnet, schätzt sie ihre bisherigen Ausfälle durch Corona auf 80.000 Euro. „Das ist für eine Person schon viel Geld, finde ich.“
Auch sie hofft darauf, dass ein Modellprojekt in Winterberg den dringend benötigten Schub liefern könnte. Die derzeitige Strategie empfindet sie als chaotisch und für die Hotelbetreiber entmündigend: „Alle unsere Anstrengungen werden ignoriert.“