Marsberg. Es werden im Lockdown mehr Alkohol und Drogen konsumiert, sagt Oberarzt Klaus Ekrod von der LWL-Klinik Marsberg. Die soziale Kontrolle fehlt.

Kurzarbeit. Homeoffice. Im schlimmsten Fall ist der Arbeitsplatz gekündigt. Die Menschen verbringen wegen der Corona-Schutzmaßnahmen mehr Zeit zu Hause. Kneipen und Gaststätten sind seit Wochen geschlossen. Klaus Ekrod, Leitender Oberarzt des Bereichs Suchtmedizin der LWL-Klinik Marsberg, ist alarmiert. Er macht sich große Sorgen über die Auswirkungen der Corona-Krise und des Lockdowns auf das Suchtverhalten. Patienten haben ihm erzählt, so Ekrod gegenüber der WP, dass sie zu Hause vermehrt zur Flasche greifen würden.

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„Sie sind alleine zu Hause und trinken alleine.“ Im häuslichen Umfeld sei die soziale Kontrolle eher geringer, so dass die Betroffenen vermutlich nach und nach ihren Konsum erhöhen würden und sich so auch ein riskanter Konsum entwickeln könnte, befürchtet der Oberarzt.

Weniger Betreuungsangebote

Hinzu komme, dass sich für substanzabhängige Patienten durch Corona das Betreuungsangebot in den

Professionelle Hilfe suchen

1 Welchen Rat können Sie Menschen geben, die jetzt in der Krise mehr Alkohol trinken und dass wieder lassen möchten?

Wenn es dem Betroffenen selbst bewusst ist, dass er aktuell mehr trinkt, wäre es sicher hilfreich sich an eine vertrauensvolle Person zu wenden, den gesteigerten Konsum zu reflektieren und sich dann eine Konsumreduktion vorzunehmen. Allein das Aussprechen und Ansprechen des gesteigerten Konsums kann schon hilfreich sein. An einem geregelten Tagesablauf festzuhalten ist ebenso hilfreich. In Bezug auf Alkohol könnten die Betroffenen sich zum Beispiel vornehmen, tagsüber nicht und abends dann reduziert zu trinken, oder auch nur in Gemeinschaft.

2 Wieviel Alkohol ist denn unbedenklich?

Die Weltgesundheitsorganisation nennt einen Konsum von 24 Gramm Alkohol täglich bei Männern oder 12 Gramm reinen Alkohol bei Frauen als Obergrenze für möglicherweise körperliche oder psychische Folgeschäden bei Überschreitung. Das entspricht bei Frauen ungefähr 0,25 Liter Bier und bei Männern ungefähr 0,5 Liter Bier. Empfohlen werden zudem zwei abstinente Tage pro Woche.

3 Wann sollten Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen?

Wenn sie merken, dass sie die konsumierte Menge nicht mehr kontrollieren können, von Freunden oder Angehörige auf vermehrten Konsum angesprochen werden, wenn soziale oder körperliche Probleme auftreten oder der fortschreitende Konsum ein schlechtes Gewissen macht, können sie sich zunächst an den Hausarzt oder auch direkt an das Suchthilfesystem wenden. Bei abhängigem Konsumverhalten, insbesondere bei körperlichen Entzugssymptomen bei Abstinenzversuchen vom Alkohol wie Herzrasen, stark erhöhtem Blutdruck, Zittern oder starkem Schwitzen, möchten wir die Betroffenen dringend ermutigen, sich Hilfe zu suchen und sich zunächst auch an die Anlaufstellen zu wenden. Es wäre dann vielleicht eine stationäre Entzugsbehandlung anzuraten.

letzten Monaten reduziert habe. Um Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen haben u. a. beispielsweise Förderwerkstätten, Tagesförderstätten und Selbsthilfegruppen ihre Angebote eingeschränkt oder ganz eingestellt. Das sei besonders für abhängige Patienten nicht gut. Sie würden unter einer reduzierten Tagesstruktur leiden und das Risiko erhöhe sich, rückfällig zu werden. Ekrod: „Hinzu kommen existenzielle Ängste als Folge von Kurzarbeit oder Entlassungen.“

Im Haus 06 befindet sich der Bereich Suchtmedizin der LWL-Klinik Marsberg.
Im Haus 06 befindet sich der Bereich Suchtmedizin der LWL-Klinik Marsberg. © Matthias Hüllen/LWL

Um den Ängsten zu entgehen würde der Drogenkonsum gesteigert. Ekrod: „Hier gilt es dann, individuell bessere und effektivere Angstbewältigungs- und Entspannungsmechanismen wieder zu entdecken oder neu zu erlernen.“

Für drogenabhängige Patienten bietet die LWL-Klinik Marsberg 25 Behandlungsplätze, für alkohol- oder medikamentenabhängige Patienten werden weitere 20 Plätze angeboten. Aber in den vergangenen Wochen seien nicht deutlich mehr Patienten zur stationären Entgiftung in die LWL-Klinik gekommen, vielleicht auch weil sie Angst haben, dass sie sich im Rahmen eines Klinikaufenthaltes mit dem Coronavirus infizieren könnten, mutmaßt der Oberarzt.

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Negatives Testergebnis

Dabei sei das vollkommen unbegründet, weil alle aktuell aufgenommenen Patienten mittels PCR-Test getestet werden. Die Patienten werden so lange in einem Einzelzimmer untergebracht, bis ein negatives Testergebnis vorliegt. Zurzeit sind die Testergebnisse am Aufnahmetag oder spätestens am Folgetag da, so

Erste Anlaufstellen

Erste Anlaufstellen für Betroffene sind zum Beispiel die Suchtberatungsstellen: im HSK die Sucht- und Drogenberatung der Caritas in Brilon oder Meschede, oder die Suchtambulanz der LWL-Klinik Marsberg.

Ein Alkoholentzug dauert ca. zehn bis 21 Tage, ein Drogenentzug dauert je nach Substanz 14 bis 28 Tage.

Bei Depressionen oder Angsterkrankungen etwa kann der Aufenthalt länger dauern, bis zu sechs Wochen. In Einzelfällen ist auch eine darüber hinaus gehende Behandlung erforderlich.

Informationen zur Entzugsbehandlung und zu den Ansprechpartnern gibt es im Internet unter ww.lwl-klinik-marsberg.de.

dass die Patienten dann an allen weiterführenden Therapiemaßnahmen teilnehmen können. Danach wird bei jedem Patienten einmal pro Woche ein Antigen Schnelltest durchgeführt, ebenso bei allen Mitarbeitern. „Vermutlich wird es erst nach dem Abklingen der Pandemie zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Behandlungsplätzen kommen“, glaubt der Oberarzt.