Hochsauerlandkreis. Wer die 112 wählt, der braucht Hilfe. Und die bekommt er im HSK bei der Leitstelle. Wie sie funktioniert, wer dort arbeitet - hier die Fakten:

Heute schon mal auf den Kalender geschaut? Es ist der 11.2. Und wenn man diese Ziffernfolge ins Telefon tippen würde, landet man bei der Notrufzentrale. Kein Wunder, dass daher ausgerechnet heute der europaweite Tag des Notrufs ist. Mit dem Aktionstag soll die lebensrettende Rufnummer in der Bevölkerung noch bekannter gemacht werden. Inzwischen erreichen die Bürger/innen der Europäischen Union (EU) die Notfalldienste aus allen Fest- und Mobilfunknetzen in allen 27 Mitgliedstaaten gebührenfrei unter dieser europaweit einheitlichen Notrufnummer. Trotzdem gibt es hin und wieder Verwechslungen, denn schließlich ist man in der Regel in einer Ausnahmesituation, wenn man diese Nummer wählen muss. Das bestätigt auch Michael Schlüter, der die Einsatzleitstelle beim Hochsauerlandkreis leitet.

Seit 1991 können Menschen in Not dank der EU-Gesetzgebung die Notrufnummer 112 von überall in der EU kostenlos anrufen. Der „Tag der europaweiten Notrufnummer 112“ wurde von der EU im Jahr 2009 eingeführt, weil viel zu wenige Menschen wussten, dass der Notruf 112 europaweit gilt. Wie oft kommt es vor, dass Menschen bei Ihnen anrufen, obwohl ihr Anliegen eigentlich die 110, also die Polizei, betrifft?

Michael Schlüter: Im Jahr 2020 sind in der Tat insgesamt 47 Fälle dokumentiert, die seitens der Rettungsleitstelle unmittelbar an die Polizeileitstelle weiter vermittelt wurden, weil statt der 110, die 112 gewählt wurde.

Weniger böswillige Alarmierungen

Und wie häufig gibt es Fehlalarme? Kann man die Anrufer zurückverfolgen (auch bei unterdrückten Nummern und Handys mit Prepaid-Karten)? Was blüht jemandem, der den Notruf mutwillig missbraucht?

Böswillige Alarmierungen sind in letzter Zeit zum Glück recht selten geworden, da sich die Rufnummern zurückverfolgen lassen – das gilt auch bei unterdrückten Nummern und Prepaid-Handys. Dem Anrufer droht mindestens eine Strafanzeige wegen Notrufmissbrauchs. Darüber hinaus sind auch noch die Kosten des Einsatzes zu tragen.

Wie viele Menschen arbeiten eigentlich in der Leitstelle - generell und pro Schicht - und welche berufliche Qualifikation muss man dafür mitbringen?

Derzeit arbeiten 27 Mitarbeiter/innen im Bereich der Leitstelle. An den Einsatzleitplätzen sind täglich bis zu fünf Mitarbeiter im Dienst. Dazu kommen im Tagdienst Techniker und die Leitungsebene. Alle Kollegen sind von ihrer Ausbildung her feuerwehrtechnische Beamte und haben auch praktische Erfahrungen bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst bzw im Krankentransport. Beim HSK ist das sogar ein Ausbildungsberuf; allerdings können wir das nicht selber machen; es geht dafür unter anderem zur Berufsfeuerwehr nach Bochum.

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Die Ruhe bewahren

Was genau koordiniert die Leitstelle?

Alle Einsätze der Feuerwehren, des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes im gesamten Kreisgebiet. Hinzu kommen noch sonstige Bürger- und Behördendienste. Das sind zum Beispiel Koordinationsaufgaben mit dem Ordnungsamt oder dem Jugendamt.

Michael Schlüter, Leiter der Leitstelle, vor einer Karte des Kreisgebiets in der Leitstelle.
Michael Schlüter, Leiter der Leitstelle, vor einer Karte des Kreisgebiets in der Leitstelle. © wp | Hochsauerlandkreis

Wenn man die Nummer wählen muss, befindet man sich in der Regel in einer Ausnahmesituation. Was sollten Anrufer beachten, was machen sie oft falsch?

Die Leitstelle des Hochsauerlandkreises führt eine sogenannte strukturierte Notrufabfrage durch. Hierbei wird der Anrufer durch die Kolleginnen und Kollegen durch den Notrufdialog geleitet. Mit gezielten Fragestellungen werden neben der genauen Lokalisation des Einsatzortes, Hintergründe zum Krankheitsbild, der Gefahrensituation sowie zu den Vitalparametern von Patienten erhoben. Wichtig ist, dass auch der Anrufer stets die Ruhe bewahrt, so hilft er den Betroffenen am Besten. Die Mitarbeiter der Leitstelle führen den Anrufer durch das Gespräch und geben ihm auch bereits erste Hilfestellungen bis hin zur Telefonreanimation.

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So eine Telefonreanimation dürfte aber doch wohl eher die Ausnahme sein, oder?

Nein, das kommt in der Regel mittlerweile einmal am Tag vor. Wichtig ist, dass der Helfer vor Ort feststellt, ob der Patient noch Vitalfunktionen hat. Wenn nicht, klappt die Reanimation mit Fern-Unterstützung der Leitstelle sogar sehr gut.

Gute Ortskenntnisse

Das Kreisgebiet ist groß. Wie gut muss sich der Leitstellen-Mitarbeiter auskennen, welche technischen Hilfsmittel hat er?

Es ist selbstverständlich von Vorteil, wenn ein Leitstellenmitarbeiter auch selbst im Hochsauerlandkreis Einsätze gefahren hat. In einer Dienstschicht sind immer sehr erfahrene Disponenten im Dienst. Der überwiegende Teil kommt auch aus dem Kreisgebiet und kennt sich dementsprechend sehr gut aus. Daneben gibt es aber auch zahlreiche, technische Hilfsmittel, wie elektronische Karten, eine automatische Standortbestimmung von Anrufern im Bedarfsfall sowie die Übertragung von Navigationsdaten direkt in die Rettungsfahrzeuge.

Im Raum Medebach gibt es noch vier Ortsteile, die zum hessischen Vorwahlnetz 05632 gehören. Landen die beim Wählen der 112 in Meschede oder wird deren Anruf zum Beispiel nach Korbach weitergeleitet?

Es gibt beim Festnetz noch Vorwahlbereiche, die in Nachbarleitstellen aufgeschaltet sind. Die Telekom hat die Notrufursprungsbereiche in den allermeisten Fällen direkt auf die zuständige Leitstelle aufgeschaltet. In Fällen, in denen Notrufe gegebenenfalls bei Nachbarleitstellen landen, wird das Hilfeersuchen auch sofort bearbeitet.

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Wie werden Einsätze geleitet, die sich im Grenzgebiet abspielen?

In nur ganz wenigen Fällen, z.B. Unfall auf einer Bundesstraße zwischen zwei Kreisgebieten, ist die genaue Zuständigkeit in der Anfangsphase eines Einsatzes gegebenenfalls noch unklar. Die betreffenden Leitstellen stimmen sich nach der Alarmierung ihrer Kräfte sofort untereinander ab und koordinieren die Einsatzkräfte dann entsprechend.

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Kann es vorkommen, dass zeitgleich alle Einsatzfahrzeuge nicht verfügbar sind? Hat es so etwas schon mal gegeben? Beispiel Flugzeugabsturz Elpe?

Bei Vorfällen mit sehr vielen Verletzten können aus gewissen Wachen-Bereichen natürlich mal alle im Dienst befindliche Fahrzeuge zeitgleich im Einsatz sein. Wenn dies der Fall sein sollte, ist es auch Aufgabe der Leitstelle, die unbesetzten Bereiche schnellstmöglich wieder mit Rettungskräften für weitere Notfälle aufzurüsten. Dies kommt verhältnismäßig selten vor. Zur Kompensation stehen dann Mitarbeiter aus der Freizeit mit Reservefahrzeugen, Nachbarwachen oder auch die Helferinnen und Helfer der anerkannten Hilfsorganisationen (z.B. DRK und MHD) mit ihren Fahrzeugen zur Verfügung.

Wie viele Einsätze koordiniert die Leitstelle durchschnittlich pro Jahr?

Wir kommen im Schnitt auf knapp 60.000 Einsätze. Im vergangenen Jahr waren es wegen Corona aber weniger.