Brilon. Brilon soll „klare Kante“ für jüdisches Leben und jüdische Kultur zeigen: Es gibt aus der Politik die Forderung nach dem Neubau einer Synagoge.
1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland - für Reinhard Prange, Ratsherr der Linken und Messdiener der Propstei-Gemeinde, der „ideale Anlass, klare Kante“ zu zeigen und ein „sichtbares Zeichen für jüdisches Leben in der Stadt zu verankern“. Sein Anliegen: Die Stadt möge doch mit den Dachverbänden der jüdischen Gemeinden und deren politischer Vertretung, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, Kontakt aufnehmen und die Möglichkeit ausloten, ob nicht an der Kreuziger Mauer wieder eine Synagoge errichtet werden kann.
Über Erinnerung und Gedenken hinaus
Alle Erinnerungen, Gedenkminuten, Gedenktage, Denkmäler, Stolpersteine, Veranstaltungen und Konzerte, so Prange, seien und blieben auch weiterhin wichtig, um das Bewusstsein an die Opfer des NS-Regimes aufrecht zu erhalten. Der praktizierende Katholik hält es aber auch „an der Zeit, nicht nur im Gedenken zu verweilen, sondern dafür zu sorgen, dass das jüdische Leben in Brilon wieder eine Heimat bekommt.“ Als Beispiel führt Prange Hamburg an.
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Mit dem Wiederaufbau der Synagoge an ihrem früheren Standort im Grindelviertel wolle die Stadt zeigen, so Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, dass „jüdische Religion und Kultur einen festen Platz in unserer vielfältigen Hamburger Stadtgesellschaft haben müssten und dass die Synagoge wieder zu einem zentralen Ort der jüdischen Kultur und Religion werden soll“.
103 jüdische Einwohner deportiert
Von 1910 bis 1929 unterhielt die jüdische Gemeinde Brilon in der Marktstraße 16 einen Versammlungsraum.
Am 10. Mai 1931 wurde die Synagoge an der Kreuziger Mauer eingeweiht; sie war 16,27 m lang und 9,02 m breit.
Zur Erinnerung an die Deportation der 103 jüdischen Mitbürger wurde 1988 ein Findling und 2009 ein Gedenkstein als Symbol der Spaltung einer Gesellschaft aufgestellt.
2028 legte der Heimatbund Semper Idem einen Grundriss der Synagoge an und stellte zwei der gusseisernen Säulen auf, die einst die Empore stützten.
Propst Dr. Reinhard Richter hat Ähnliches Ende der 80er Jahre als Vikar in Herford miterlebt. Dort allerdings ging die Initiative von der Jüdischen Kultusgemeinde Herford-Detmold selbst aus. Von einer Synagoge oder einem Gebetshaus ohne aktive Gemeinde hält Dr. Richter wenig, denkbar sei für ihn eine Art Begegnungsstätte, in der jüdische Tradition und Kultur erlebbar werde, etwa durch Veranstaltungen oder Ausstellungen.
Jüdische Gemeinden stagnieren
Die Praktizierung des jüdischen Glaubens ist auch für Alexander Kogan, den Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Paderborn, Voraussetzung für den Aufbau einer Synagoge. Sie nur als Museum zu nutzen, sei sinnlos, so Kogan gegenüber der WP. Seine Gemeinde umfasst die Kreise Paderborn, Soest und Höxter. Dort gibt gerade einmal 57 Mitglieder - Tendenz rückläufig. Die Belebung der jüdischen Gemeinden durch Spätaussiedler aus dem Ostblock sei vorbei, sagt Kogan.
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Ob es praktizierende Juden im Raum Brilon gibt, weiß Reinhard Prange nicht. Aber er kennt eine Spätaussiedlerfamilie jüdischen Glaubens. Einwohner mit dem Religionsmerkmal „Israelitisch“ sind in Brilon nicht gemeldet, so Bürgermeister Dr. Christof Bartsch. Das aktive Leben des Glaubens aber ist auch für ihn Voraussetzung für den Bau einer Synagoge oder eines Gebetsraumes: „Alles andere wäre Erinnerungskultur. Und die ist hier in Brilon sehr gelungen.“
Gegen Hass und Hetze
Das findet auch Dr. Hans-Günther Bracht. Der pensionierte Direktor des Rüthener Gymnasiums gehörte in den 80er Jahren zur Demokratischen Initiative (DI) Brilon, dem außerparlamentarischen Vorläufer der Briloner Bürgerliste. Einer der Aktionsschwerpunkte der DI war die Aufarbeitung jüdischen Lebens und der Judenverfolgung in Brilon 50 Jahre nach der Progromnacht.
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Dabei sind mehrere Bücher entstanden, u.a. unter Mitwirkung des 2015 verstorbenen renommierten Soziologen Arno Klönne. Seitdem sei „viel geschehen“. Das Engagement des Jugendparlaments im Zusammenhang mit den „Stolpersteinen“ findet er ebenso ermutigend wie die in den vergangenen Jahren gewachsene Teilnehmerzahl bei der Gedenkstunde anlässlich der Zerstörung der Synagoge in der Pogromnacht am 9. November 1938.
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Nachholbedarf sieht Dr. Bracht noch bei der Darstellung der lokalen NS-Zeit im Museum Haus Hövener. Vor allem der jungen Generation müsse man vor Augen führen, wohin Hasstiraden und Hetze führen können - auch heute noch und wieder.