Winterberg-Siedlinghausen. Tanja Lechtenberg betreibt einen kleinen Laden in Siedlinghausen - und bangt um ihre Existenz. Die Hilfen reichen nicht, sie weiß nicht weiter.

Tanja Lechtenberg weiß nicht mehr weiter. Seit vier Jahren arbeitet sie in ihrem Geschäft „Moment mal - Klein aber oho“ in Siedlinghausen. Für ihren Laden hat sie alles aufgegeben. Jetzt, im zweiten und härteren Lockdown, der schon seit Wochen andauert, fühlt sie sich von der Politik im Stich gelassen. Die Corona-Pandemie bedroht ihre Existenz.

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„Gesundheitsminister Spahn hat gesagt, es war ein Fehler den Einzelhandel zu schließen. Das wird nicht nochmal gemacht, hat er gesagt. Jetzt sind wir dauerhaft zu - ohne zu wissen, wann es weitergeht.“ Tanja Lechtenbergs Stimme ist fest, als sie das sagt. Die 45-Jährige hat vor vier Jahren ihren eigenen kleinen Laden eröffnet. „Moment mal- Klein aber Oho“. Unter ihrem Dach gibt es Süßigkeiten, Schulhefte, Bürobedarf, kleine Geschenke und einen Apothekendienst. Jetzt steht ein Hygieneschild vor der Tür, ein Desinfektionsspender daneben. Kunden dürfen nur einzeln eintreten. Für den Apothekendienst darf sie öffnen, alles weitere darf sie nicht mehr verkaufen.

Weihnachtsgeschäft ist existenziell wichtig

„Ich verstehe, dass es leicht ist, vor dem Fernseher zu sitzen und über die Entscheidungen der Politik zu urteilen. Ich will nicht in der Rolle der Politiker stecken. Aber es werden so viele Ansätze diskutiert und irgendwann verzetteln sie sich und merken nicht, dass sie der Wirtschaft extrem schaden“, sagt Tanja Lechtenberg.

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Die Schließung während des Weihnachtsgeschäftes tut ihr weh - noch immer. „Wir leben drei Monate von dem Weihnachtsgeschäft“, sagt sie. Dafür gehe sie in Vorkasse, bezahle die Ware auf Risiko. Jetzt bleibt sie auf den kleinen Geschenken und Süßigkeiten sitzen. „Das Problem ist, dass ich öffnen darf, um meinen Apothekendienst anzubieten. Das Ordnungsamt lobt mein Hygienekonzept. Aber Gemischtwaren, Bürobedarf, Bastelsachen oder Lebensmittel darf ich nicht verkaufen. Das Ordnungsamt sagt, ich soll die Kunden, die Fingerfarben haben wollen oder Trauerkarten, zum Supermarkt schicken.“ Tanja Lechtenberg hat dafür kein Verständnis. Ihr Konzept sei gut, die Ware schließlich da. Und die Tankstelle dürfe ja auch Deko-Artikel verkaufen. „Wieso ist es mir dann verboten?“ Sie ergänzt: „Im Hit darf der Geschenkeladen öffnen, weil er eben in einem Supermarkt ist. Wäre es nicht sogar sinnvoller, dass sich Kunden auf mehr Läden verteilen und so die Kontakte minimiert werden? Das ist alles sehr undurchdacht.“

Seit fünf Wochen keine finanzielle Hilfe

Seit fünf Wochen hat sie keine Hilfe vom Bund bekommen. Nur einen kleinen Teil, für die laufenden Kosten im Laden. „Wenn ich Hilfe bekomme, dann ist die für den Laden. Aber privat habe ich auch Kosten, die ich decken muss.“ Miete, die Krankenversicherung, Strom- oder Internetkosten. Wie regelt sie ihr Leben, ohne Einkommen? „Meine Geschwister kaufen mir Lebensmittel.“

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Tanja Lechtenberg ist keine Gründerin mehr. Vier Jahre ist ihr Lädchen alt. Eine Zeitspanne, in der es noch nicht möglich war, sich genug Rücklagen anzusparen, wie es alteingesessene Einzelhändler vielleicht geschafft haben. Sie hat das Gefühl, in keine Schublade reinzupassen, was die Hilfszahlungen angeht. Bisher sei noch nichts bei ihr angekommen. Und ein Hilfspaket für Januar gebe es schlicht noch nicht. Ihr werde geraten, die bereits gekaufte Ware von der Steuer abzuschreiben. „Wie denn? Wenn ich sie nicht verkaufe, kann ich sie nicht abschreiben.“

Für keine Schublade passend

Tanja Lechtenberg besitzt einen Schwerbehindertenausweis. Der Medizinische Dienst in Meschede hat ihr vor Jahren bescheinigt, arbeitsunfähig zu sein. Ein Antrag auf Rente lehnt die Rentenkasse damals ab. Eine Grundsicherung bekommt sie nicht.

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Sie verkauft alles, steckt ihr Geld komplett in die Laden-Eröffnung in Siedlinghausen. Privat muss sie für sich und ihren Sohn aufkommen. Im ersten Lockdown sei die Bank kulanter gewesen. Kredite seien gestoppt worden. „Am 16. Dezember hat der Lockdown begonnen. Am 29. Dezember wurde alles abgebucht“, sagt Tanja Lechtenberg. Sie sagt auch: „Wenn es im Februar nicht weitergeht, bricht mir das das Genick. Ich weiß nicht mehr ein oder aus.“

Es macht sie wütend, wenn sie sieht, wie Tagestouristen Winterberg stürmen. Wie viele sich nicht an die Regeln halten. „Das macht Existenzen kaputt. Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen.“

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