Brilon. 80 Prozent weniger Umsatz, kaum Veranstaltungen und das Jahr ist fast rum. Robotman Oliver Kessler über Kunst und Corona.
Oliver Kessler ist eine Frohnatur. Überall, wo der Aktionskünstler als „Robotman“ auftaucht, bilden sich schnell Menschentrauben, die den Mann auf Stelzen in einem seiner 150 Phantasiekostüme sehen wollen. Aber Menschenansammlungen sind seit einem Dreivierteljahr nicht erwünscht. Corona. Und daher kann auch Kessler zurzeit die gute Laune vergehen.
Gisbert Kemmerling als Konzertveranstalter, Frieda Braun als Kabarettistin, Thomas Mester als Kulturbüroleiter und Florian Hinxlage als Regisseur an der Freilichtbühne in Hallenberg haben aus ihrer Sicht geschildert, wie schwierig die Beschränkungen für die Kulturbranche sind. Heute hat ein weiterer Künstler das Wort.
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Alle Weihnachtsmärkte abgesagt
„Etwa 25 Termine hatte ich für die Vorweihnachtszeit fest in meinem Terminkalender stehen. Weihnachtsmärkte, Lichterfeste, Auftritte in Einkaufscentern und bei Shopping Nights. An Weihnachten selbst wäre ich in einer großen Ferienanlage gewesen, an Silvester in einem Hotel in Krefeld. Alle Termine wurden schon wieder storniert, ein Desaster, ein Vollkatastrophe“, sagt Oliver Kessler. Es gibt keine Märkte, es gibt keine Gäste in Hotels oder Ferienparks und es gibt aktuell keine Aufträge für den 52-Jährigen.
Im Frühjahr hatten wir schon einmal über den großen Blonden auf den Metallstelzen berichtet . Die Situation für den Sauerländer, der seit 30 Jahren im Geschäft ist, hat sich nicht verbessert. „Du hast den Kalender voll und dann macht es ,Bämm‘ und Du stehst vor dem Nichts. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Das Künstlerherz weint!“
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Ein weißer Baum als Zeichen der Hoffnung
Oliver Kessler spricht aufs Jahr betrachtet von einem Umsatzrückgang von 80 Prozent. Etwas geholfen hat ihm das „Stipendium zur Förderung künstlerischer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19“, das er beim Land beantragt und bekommen hat. „Das waren immerhin 7000 Euro, für die ich drei Monate arbeiten konnte.“ Kessler hat die Zeit genutzt, um mit seinem „Weißen Baum“ ein weiteres Kostüm zu erstellen. Eigentlich hat er jede Menge Kostüme. „Aber ich war froh, dass ich etwas Sinnvolles tun konnte. Ich denke, ansonsten wäre ich bekloppt geworden. Ich kenne einen Künstler-Kollegen, der verkauft jetzt Krippen. Und ich kenne Kollegen – zum Beispiel Close-Up-Zauberer, die sehr eng mit dem und am Publikum agieren – die haben seit Monaten gar nichts mehr zu tun.“
Strahlende Augen fehlen
Oliver Kessler kann die Auftritte schnell aufzählen. „Neulich hatte ich noch einen Termin in einem Gartencenter. Aber es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn Du in die Gesichter der Menschen schaust und durch die Mund-Nasen-Bedeckung keine Reaktion sehen kannst. Wenn man seinen Job mit so viel Liebe macht, fehlt einem das Publikum, das Strahlen in den Kinderaugen und sogar die Fahrten durch ganz Deutschland.“
Der bevorstehende Januar und Februar sind für den Robotman ohnehin die auftragsärmsten Monate. Der sonst obligate Besuch der Kulturbörse in Freiburg fällt auch flach, weil die nur digital stattfindet. Im März und April zeichnet sich mit der Landesgartenschau in Erfurt und einigen Messen, die 2020 verschoben wurden, ein Lichtstreif am Horizont ab. Die Novemberhilfe ist beantragt, aber noch nicht ausgezahlt. „Sicherlich gab es Förderungen vom Land aber diese stehen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Beruf. Warum wird nicht zum Beispiel Kurzarbeitergeld bezahlt? Zum Steuerzahlen sind wir doch auch gut genug“, sagt Kessler.
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Wenn vom Staat ein Berufsverbot ausgesprochen werde, dann müsse auch dafür gesorgt werden, dass man als Künstler seine Rechnungen und laufenden Kosten bezahlen könne. „Sonst kommt man sie vor wie eine goldene Gans, die immer geschlachtet wird. Ich habe keine Ahnung, wie es weiter gehen soll, aber ohne Kunst und Kultur wird es still!“