Brilon. Auf Stelzen laufen und in Fantasiekostümen viele Menschen anlocken - was den Künstler Oliver Kessler ausmacht, ist in Corona-Zeiten nicht gefragt.
„Ich fühle mich wie ein Rentner ohne Kohle, bin von einem vollen Termin-Kalender nahezu auf Hartz-IV-Niveau gefallen. Es ist wirklich eine Katastrophe.“ Oliver Kessler ist so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. Als „Robotman“ und stelzenlaufender Aktionskünstler hat der 52-Jährige im vergangenen Jahr sein 30-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert. Und es lief richtig gut für den Sauerländer, der schon mehrfach als „Künstler des Jahres“ ausgezeichnet wurde und gern gesehener Gast bei vielen Veranstaltungen ist. Doch dann kam Corona und rüttelte an dem sonst so unerschütterlichen Optimismus des großen Blonden mit den langen Beinen aus Metall.
50 Termine verloren
„Januar und Februar sind bei mir die ruhigsten Monate. Dahin lege ich meistens meinen Urlaub. Im März starte ich dann normalerweise voll durch. Da ist kein Wochenende frei. Doch durch die Pandemie wurde wirklich alles abgesagt. Mir sind bis jetzt an die 50 Termine verloren gegangen, die fest gebucht waren, ich habe ein halbes Jahr lang keinen Auftritt gehabt “, sagt Kessler. Bei einem befreundeten Künstler habe er in einem Musikvideo mitgemacht. Ein Freundschaftsdienst unter Kollegen. Aber ansonsten wurden Landesgartenschau, Messen in Nürnberg und Hannover, Stadtfeste oder Firmen-Events gecancelt. „Für ein großes Einkaufscenter habe ich eigens ein neues Kostüm mit Zirkus-Motiven entworfen und geschneidert – es ist noch nicht einmal zum Einsatz gekommen“, berichtet der Künstler.
Emotionale Komponente
Dass von Jetzt auf Gleich alle Einnahmen wegbrechen, ist die wirtschaftliche Seite der Medaille. Hinzu kommt aber auch eine sehr emotionale Komponente: „Die Arbeit ist ja nicht einfach nur ein Job; daran hängt total viel Herzblut und Leidenschaft. Man sieht plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen, fühlt sich wie in einem schlechten Film und denkt sich, in vier Wochen ist alles vorbei. Aber das ist wohl ein Trugschluss.“
30 Jahre Robotman
Nicht wirklich an Künstler gedacht
Oliver Kessler hat die Soforthilfe des Bundes beantragt und auch bekommen. „Das klingt im ersten Moment ja auch ganz gut. Aber die Leute haben sich nicht in die Welt von Künstlern hineinversetzt. Denn ich darf das Geld nur für Betriebskosten ausgeben. Was hat ein Sänger oder ein Trompeter für Betriebskosten? Künstler haben in der Regel wenig Rücklagen und bräuchten dieses Geld für ihren Lebensunterhalt; dafür ist es aber nicht gedacht“, kritisiert Oliver Kessler. Er hätte sich gewünscht, Kurzarbeit machen zu dürfen. „Das wäre eine gute und faire Lösung, dann hätte ich mein Auskommen. Aber so stehe ich daher, bekomme eine feste Summe, die ich aber nur zweckgebunden verwenden darf.“
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Tränen in den Augen hatte Oliver Kessler, als die Internationalen Hansetage in Brilon definitiv abgesagt wurden. „Das war nicht nur traurig, weil ich dort an vier Tagen aufgetreten wäre. Mir taten auch die vielen Menschen leid, die so viel und persönliches Engagement aufgebracht hatten, um diese Großveranstaltung zu stemmen. Ganz schlimm!“ Der 52-Jährige hofft nun auf zunehmende Lockerungen bei den Veranstaltungsbeschränkungen. Einige Termine seien noch nicht abgesagt, andere würden erst ganz kurzfristig gecancelt. Zumindest spüre man, dass da etwas in Bewegung sei. Kommende Woche steht noch einmal die Landesgartenschau in seinem Terminkalender. Eine Drei-Mann-Band durfte dort auftreten, vielleicht auch der Robotman?
Neues Kostüm in Planung
Aber gerade das, was ihn ausmacht, fällt ihm jetzt vor die Füße: Anziehungspunkt und Anlaufstelle für Menschen zu sein, die gern einen Pulk bilden, wenn der Robotman mit seinen fantasievollen Kostümen und der Show auftritt. 25 Auftritt wurden bereits ins kommende Jahr verschoben. „Aber davon kann ich mir heute keine Butter kaufen“, sagt der Künstler.
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Erste Anfragen gibt es für Weihnachtsmärkte. „Aber die Leute sagen schon gleich zu Anfang: Wir haben kein großes Budget. Aber für mich sind die Auftritte doch auch mein tägliches Brot.“
Optimistisch nach von schauen
Oliver Kessler steckt den Kopf aber nicht in den Sand. „Ich gehe viermal pro Woche ins Fitnessstudio. Das lenkt mich ab und ist ja auch wichtig für meinen Beruf. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht zu viele Muskeln aufbaue, um später noch in meine Kostüme zu passen.“ Da ist es wieder, das optimistische Lächeln.
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Ja, ein neues Kostüm wird er auf jeden Fall entwerfen und erarbeiten. Das sind ja Betriebskosten, dafür gab es schließlich staatliche Hilfe. Ein kugelrundes Virus mit Krönchen drauf wird es sicherlich nicht werden. Davon hat Oliver Kessler die Nase voll. 20 Meter Stoff hat er schon bestellt. Es soll ein Weihnachtsmotiv werden für hoffentlich wieder friedvolle und bessere Zeiten.