Brilon. Die Firma Centrotec aus Brilon möchte nach 22 Jahren die Börse verlassen. Geschäftsführer Dr. Raino Rieseler spricht mit der WP über die Gründe.

Spekulationen über das „Going private“ gab es in Finanzkreisen schon seit dem Spätsommer, am Mittwochvormittag kam die Ad Hoc-Meldung der Firma mit Sitz in Brilon : Der Mehrheitsaktionär, die Familie Krass, strebt den kompletten Erwerb des Aktienbestandes an und hat dazu den Aktionären ein Rückkaufangebot unterbreitet. Und: Nach 22 Jahren will die Centrotec SE die Frankfurter Börse wieder verlassen . Vorstand und Aufsichtsrat der Holding haben mit dem Mehrheitseigentümer, der Familie Krass, das sogenannte Delisting vereinbart.

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Was für den Unternehmenssitz Brilon konkret bedeutsamer ist: Die Centrotec-Tochter Centrotherm erweitert im kommenden Jahr ihren Standort. Das bestätigte Geschäftsführer Dr. Raino Rieseler gegenüber der WP. Am Patbergschen Dorn entstehen neue Produktions- und Lagerflächen in einer Größenordnung von rund 6000 qm. Damit verbunden sei auch die Schaffung weiterer Arbeitsplätze. Dr. Rieseler: „Das ist ein Bekenntnis zum Standort Brilon.“

Umsatz von rund 651 Millionen Euro

Mit rund 3200 Mitarbeitern weltweit erwirtschaftete die Holding im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von rund 651 Millionen Euro einen Reingewinn von 23,4 Millionen Euro. Im Oktober noch hat die Holding in einer Ad hoc-Meldung ihre Gewinnprognose für dieses Jahr erhöht. Trotz Corona hätten sich die Heimatmärkte Deutschland und Niederlande „sehr robust“ gezeigt, während die Pandemie etwa die Umsätze in Frankreich, Spanien und Italien belastete. Vor allem im privaten Bereich florieren Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik, im gewerblichen Bereich wie im Hotel- und Bürobau, so Carsten Vogt, Investor Relations-Manager der Holding, sei derzeit eine deutliche Zurückhaltung bei der Investitionstätigkeit spürbar.

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In der Finanzwelt hatte die Holding aus dem Hochsauerland in den vergangenen Jahren mehrmals für Schlagzeilen gesorgt. Zum einen durch die seit 2018 vorgenommenen drei Aktienrückkauf-Aktionen. Rund 66 Millionen Euro wandte das Unternehmen für den Erwerb von rund 4,8 Millionen Aktien auf. Auf diesem Weg, so hatte es damals geheißen, wolle das Unternehmen seinen Anteilseigner etwas von den hohen liquiden Mitteln zurückgeben. Im August diesen Jahres griff die Holding noch einmal tief in seine Schatulle. Für rund 43 Millionen Euro erwarb die Holding aus Brilon die in der Nähe von Zürich beheimatete Pari Group AG - ein Unternehmen, das ebenfalls der Familie Krass gehört.

Unternehmen kaufte Aktien auf

Strategisches Ziel der Akquise: die Pari Group ist mit 80 Prozent an der CS Wismar GmbH, einem Produzenten von Solarmodulen, beteiligt, die insbesondere im Gebäudebereich zum Einsatz kommen. Das hat Nähe zum Stammgeschäft. Neben der Produktionsstätte in Wismar mit ihren 110 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 19 Millionen Euro gehört der Pari Group ein Leipzig und Fürth betreffendes attraktives Immobilien-Portfolie mit 71064 Quadratmetern Grund- und 34236 Quadratmeter vermieteter Gewerbefläche. Jahresroherträge: 2,5 Millionen Euro.

Bereits im Zusammenhang mit diesem Erwerb waren im September in der Finanzwelt Spekulationen aufkommen, ob die Familie Krass dieses durch den Verkauf der Pari Group eingenommene Geld später nicht wieder in ihr anderes Unternehmen, die Centrotec, und somit in ihr eigenes Vermögen fließen lassen wolle. Durch die drei Aktienrückkauf-Aktionen galt die Centrotec in Analystenkreisen als Kandidat für einen Rückzug von der Börse.

900.000 Aktien im Jahr 1998 herausgegeben

Dem im Kanton Aargau in der Schweiz lebenden Unternehmers Guido A. Krass und seiner Gattin gehören 67,34 Prozent der insgesamt 13 167 926 Aktien. Der Preis pro Aktie wird im Rahmen des Delistings aus dem durchschnittlichen Kurswert der vergangenen sechs Monate gewichtet. Er liege „näherungsweise bei 15,03 Euro“ pro Stück.

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Anlässlich des Börsengangs 1998 waren von den damals herausgegebenen 900.000 Aktien 360.000 in Besitz der Familie Krass und 450.000 deren Pari-Unternehmung. In der wiederum sind auch die Kinder des Unternehmerehepaares engagiert.

Die Centrotec SE ist über ihre Tochtergesellschaften weltweit in rund 50 Ländern vertreten. Sie ist nach eigenen Angaben - noch - der europaweit einzige börsennotierte Komplettanbieter für Heiz- und Klimatechnik sowie Solarthermie und Energiesparlösungen in Gebäuden. Zu den wichtigsten Gesellschaften des Konzerns gehören Wolf, Brink Klimate Systems, Ubbink und Centrotherm. In Marsberg gehört die Firma Centroplast Engineering Plastics GmbH zu der Holding. Das rund 100 Mitarbeiter große Unternehmen entwickelt und fertigt Hochtemperatur-Kunststoffhalbzeuge.