Hochsauerlandkreis. Die Corona-Infektionszahlen bei Kindern sind sprunghaft gestiegen. HSK-Kinderarzt Dr. Burkhard Lawrenz über Hintergrunde dieser Entwicklung.

Die Zahl der positiven Corona-Tests bei Kindern im HSK steigt. Unsicherheit bei Eltern und überlaufene Kinderarztpraxen sind die Folge. Dr. Burkhard Lawrenz , Kinderarzt-Obmann aus Arnsberg und zuständig für den gesamten Hochsauerlandkreis, zeigt sich noch entspannt was die hohen Infektionszahlen angeht , thematisiert aber andere Sorgen im Zusammenhang mit Corona.

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 Dr. Burkhard Lawrenz, Obmann der Kinderärzte aus der Region. Foto: Gerd Lorenzen
Dr. Burkhard Lawrenz, Obmann der Kinderärzte aus der Region. Foto: Gerd Lorenzen © WP | LORENZEN, Gerd

Man liest von mehr Corona-Infektionen bei Kindern – sogar einer Verzehnfachung. Stimmt das?

„Während in der Anfangszeit der Pandemie unsere Abstriche auf SARS-CoV-2 meist negativ waren, berichten nun zahlreiche Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte, dass sie immer wieder positive Testergebnisse finden, allerdings immer noch deutlich unter 10 Prozent der durchgeführten Abstriche“, erklärt Dr- Burkhard Lawrenz. Die mitgeteilte Verzehnfachung gehe also von einem sehr niedrigen Niveau aus und hat ein niedriges Niveau erreicht, während der Begriff „Verzehnfachung“ ein hohes Niveau suggeriere. Kinder und Jugendliche erkranken immer noch deutlich seltener und leichter als Erwachsene und sind deutlich weniger ansteckend.

Kann ich irgendwie Corona von einer Erkältung unterscheiden? Gibt es da praktische Tipps für Eltern?

„Eine COVID-19-Erkrankung kann man ohne Abstrich nicht von einer anderen Virusinfektion der Atemwege unterscheiden“, betont Burkhard Lawrenz. „Im Internet kursieren einige Algorithmen, mit denen man durch Beantwortung von Fragen und Eingabe von Symptomen Wahrscheinlichkeiten für eine COVID-19-Erkrankung ermitteln kann. Diese kann ich aber nicht empfehlen, da sie mit der Gefahr verbunden sind, falsche Sicherheit hervorzurufen oder verstärkt Ängste auszulösen.“ Am besten hole man alle wichtigen Informationen über mögliche Kontakte ein und halte dann Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt, der das Kind kennt.

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Ich will oder muss die Praxis besuchen – frage mich aber, wie „überlaufen“ die Sprechzeiten sind. Wie ist die Situation in der Praxis?

Im Spätsommer seien viele Praxen überlaufen gewesen, weil Eltern in Schule und Kindertagesstätte ständig Atteste haben vorlegen müssen. „Das ist jetzt besser geregelt, und die winterliche Infektwelle beginnt gerade erst. Daher ist die Situation in den meisten Arztpraxen noch entspannt“, sagt Burkhard Lawrenz.

Nicht gleich zum Arzt, wenn das Kind fiebert

„Wenn ihr Kind einen Infekt zeigt, sollten Eltern das Kind erst einmal zu Hause lassen und nicht gleich zum Arzt gehen, auch wenn es Fieber hat“, sagt Burkhard Lawrenz. Fieber sei keine Krankheit, sondern ein Zeichen, dass die Immunabwehr auf Hochtouren läuft - „und das ist gut!“

Kranke Kinder sollen sich ausruhen und viel trinken. Essen müssen sie nicht, nur nach Appetit , und der ist meist weg, wenn man krank ist. „Fiebermittel soll man nur geben, wenn es dem Kind sehr schlecht geht oder wenn es nicht mehr trinkt“, so Lawrenz. Zum Arzt müsse das Kind, wenn es trotz Fiebersenkung nicht spielen und / oder nicht trinken will, und wenn es länger als drei Tage fiebert.

Kinder unter 1 Jahr sollten schon nach einem Tag hohem Fieber vom Arzt untersucht werden, Neugeborene und Babys unter drei Monaten möglichst noch am selben Tag.

Macht eine Grippeimpfung bei meinem Kind (noch) Sinn?

„Eine Grippeimpfung macht jetzt Sinn, da die Grippewelle noch nicht begonnen hat, aber spätestens zum Jahreswechsel kommen wird“, sagt Burkhard Lawrenz. „Und dann ist jeder Grippefall weniger, den man ohne Abstrich nicht von COVID-19 unterscheiden kann, für das Gesundheitswesen eine Entlastung.“

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Haben Sie schon psychische Belastungen durch die Pandemie bei Ihren Patienten feststellen können?

Psychische Belastungen bei Kindern resultierten meist aus dem Lockdown, aus dem fehlenden Kontakt zu Gleichaltrigen und der Isolierung in engen Wohnungen. Daher seien Kinder von Familien in ungünstigen sozioökonomischen Bedingungen (mit kleinen Wohnungen ohne Garten) stärker betroffen. Das erklärt Burkhard Lawrenz. „Auch die Schulsituation mit online-Unterricht und jetzt die Kälte in den Klassenräumen durch übertriebenes Lüften stellen eine Belastung dar. Schüler in Abschlussklassen sind durch die Sorge um Verschlechterungen ihrer Leistungen und Noten durch die schwierige Unterrichtssituation belastet.“