Winterberg. Das St. Franziskus-Hospital kündigt einem Chefarzt fristlos. Der Fall steht auch im Bezug zur Corona-Krise und landet vorm Arbeitsgericht.

Das St. Franziskus-Hospital Winterberg hat nicht nur mit seiner Sanierung im Rahmen der Insolvenz zu kämpfen, sondern auch einen veritablen Arbeitsgerichtsprozess vor der Brust: Im April hatte das Krankenhaus den Chefarzt der Inneren Abteilung fristlos gefeuert. Grund: Er soll sich seinen Urlaub erschlichen haben. Das, so Katrin Camp (Köln), die Anwältin des Krankenhauses, sei „für einen Arbeitgeber nicht hinnehmbar“. Als in der mündlichen Verhandlung in Brilon die Umstände der Kündigung zur Sprache kamen, zeigte Dr. Klemens Teipel, Vorsitzender Richter des Arbeitsgerichts, Verständnis, dass bei der Klinik-Geschäftsführung „ein Geschmäckle“ hat aufkommen können.

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Vertragspassus: Von der Rufbereitschaft befreit.

Auf der langen Fahrt von seinem Wohnort Dortmund zum Dienst im Hochsauerland traten sie wieder einmal auf, die Schmerzen an den Bandscheiben. Unter Wirbelsäulenbeschwerden litt der Arzt schon lange, gerade erst hatte er deshalb ein paar Tage nicht arbeiten können. Kurzerhand bog der Mediziner an jenem Märztag in diesem Frühjahr ab und fuhr nach Korbach ins Krankenhaus. Dort hatte kurz zuvor der ehemalige Chefarzt und weit über die Region hinaus renommierte Endoprothetik-Spezialist des Winterberger Krankenhauses angeheuert. Der setzte seinen früheren Kollegen für gut zwei Wochen außer Gefecht. Ende vergangenen Jahres hatte der Chefarzt für März Urlaub angemeldet. Von 2010 bis 2013 hatte der Arzt schon einige Jahre am St. Franziskus-Hospital verbracht und dort offenbar einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Jedenfalls holte ihn das Krankenhaus 2017 zurück. Die Aufgabe seiner exponierten Stelle als Direktor einer Fachklinik in Dortmund ließ sich der 54-Jährige arbeitsvertraglich attraktiv gestalten. Ein Passus: Er werde von der Rufbereitschaft befreit.

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Dann kam Corona. Auch das Winterberger Krankenhaus rüstete sich für die zum 27. März ausgerufene „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ und den Lockdown. Die Belegung wurde heruntergefahren, feste, getrennt arbeitende Teams sollten sicherstellen, dass bei einer Infizierung nicht gleich die ganze Belegschaft in Quarantäne gehen musste. Auch der Chef der Inneren wurde in diesen Corona-Dienstplan eingebunden - inklusive Rufbereitschaft und Streichung des geplanten Urlaubs. Davon, so Richter Dr. Teipel im Gerichtstermin, sei der Mediziner „sicher nicht begeistert gewesen“.Die neuerliche Bandscheiben-Attacke überfiel den leitenden Arzt am Tag, nachdem die Krankenhaus-Leitung der Belegschaft ihr Corona-Konzept mitgeteilt hatte. Der Morgen hatte schon nicht gut für ihn begonnen. Zahnschmerzen hatten schon in Dortmund einen frühen Zahnarztbesuch erfordert. Und dann meldeten sich im Auto die Bandscheiben wieder.

Galgenfrist für eine Einigung

Von Korbach aus fuhr der Chefarzt direkt zurück ins Ruhrgebiet. Telefonisch teilte er dem Krankenhaus mit, dass er krankgeschrieben sei, am Tag darauf schickte er das Foto mit der nicht unterschriebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sein ehemaliger Kollege habe dringend ins OP gemusst, da sei er nicht mehr zu der Unterschrift gekommen, sagte der geschasste Geriatrie-Chef, als ih die Kölner Anwältin wissen wollte, warum der Bestätigungsvermerk unterblieben war. Als er wieder genesen zu seinem Dienst antrat, legte der Mediziner eine AU mit Unterschrift vor, außerdem hatte er den Arztbrief von der Konsultation seines ehemaligen Kollegen in Korbach dabei.

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Für die Anwältin des Krankenhauses sah das nach einer „Gefälligkeitsbescheinigung“ aus. Dem widersprach jedoch Richter Dr. Teipel: Dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät vorgelegt wurde, sei klar, allerdings könne man angesichts der plausiblen Krankheits-Vorgeschichte nicht auch den Arztbrief anzweifeln und „ein ganzes Krankenhaus unter Generalverdacht stellen“. Offenkundig, so Dr. Teipel, sei, dass im St. Franziskus-Hospital der Eindruck entstanden sei, dass der Chef der Inneren auf das Corona-Team-Modell „keine Lust“ hatte. Allerdings hätte die Geschäftsführung dem Arzt auch nicht einfach den Urlaub streichen, sondern ihn bitten können, ihn zurückzunehmen.

Jahresgehalt als Abfindung laut Vertrag

Der Arzt sagte, dass er zurück an seinen Arbeitsplatz möchte. Ob das aber „viel Sinn“ mache, sei zu bezweifeln, sagte Dr. Teipel.Bei einer Kündigung seitens des Krankenhauses steht dem Arzt laut Arbeitsvertrag ein Jahresgehalt als Abfindung zu. Katrin Camp - sie gehört der Kanzlei Niering an, die mit der Sanierung in Eigenverwaltung beauftragt ist - wies in der Verhandlung auf die ernste finanzielle Lage des Krankenhauses hin, das mit der Insolvenz in Eigenverwaltung wieder auf die Beine kommen will: „Auch die anderen Gehälter müssen bezahlt werden.“

Als sich beide Seiten auch in einer Beratungspause nicht annähern konnten, beendete Dr. Teipel den Kammertermin und räumte ihn noch Bedenkzeit bis zum Monatsende ein. Dann will das Gericht seine Entscheidung verkünden. Aller Voraussicht nach, so deutete Dr. Teipel bereits an, werde die Kündigung unwirksam sein.