Brilon. Das Leben von Johanna Mündelein (18) aus Brilon hat sich durch die Corona-Pandemie radikal verändert. Welche Zukunftsängste sie jetzt verfolgen:

Johanna Mündelein aus Brilon ist während des zweiten Corona-Lockdowns 18 Jahre alt geworden. Sie erzählt von ihren Sorgen rund um die Schule, den Abschluss und die Zukunft. Davon, wie es ist, das Feiern und Tanzen zu vermissen und das das auch erlaubt sein kann.

Der 7. November sollte ein besonderer Tag sein. Johanna Mündelein wollte feiern gehen. In Köln. Durch die Clubs ziehen. Sich ein Tattoo stechen lassen. Volljährigkeit feiern. So richtig. Dann die steigenden Zahlen, zweite Welle, Corona und Lockdown.

Frust, der sich gegen niemanden richten kann

„Natürlich hat mich das sehr sehr geärgert. Man hat so einen Frust, der sich gegen niemanden speziell richten kann. Die Politiker machen ja auch nur ihre Arbeit“, sagt Johanna Mündelein. Sie sagt, dass sie die Maßnahmen nachvollziehen kann. Dass sie es eben muss.

Briloner Gastronomen schließen sich im Lockdown zusammen

Thomas „Tommy“ Hillebrand vom „Tommy’s“ macht die Unsicherheit zu schaffen: „Wir wissen ja nichts. Es kommt nichts.“
Thomas „Tommy“ Hillebrand vom „Tommy’s“ macht die Unsicherheit zu schaffen: „Wir wissen ja nichts. Es kommt nichts.“ © WP | Jana Naima Schopper
Andreas Piorek vom Jägerhof hilft der Zusammenhalt: „Klar, jeder kocht sein eigenes Süppchen, aber der Zusammenhalt ist schön.“
Andreas Piorek vom Jägerhof hilft der Zusammenhalt: „Klar, jeder kocht sein eigenes Süppchen, aber der Zusammenhalt ist schön.“ © WP | Jana Naima Schopper
Volker Gierse betreibt das Hotel zur Post. „Der Fixkostenbereich im Hotelbereich ist eine hohe Nummer“, sagt er.
Volker Gierse betreibt das Hotel zur Post. „Der Fixkostenbereich im Hotelbereich ist eine hohe Nummer“, sagt er.
„Wir haben alles richtig gemacht und müssen trotzdem schließen.“ Martin Steiner von der Almer Schlossmühle ist frustriert.
„Wir haben alles richtig gemacht und müssen trotzdem schließen.“ Martin Steiner von der Almer Schlossmühle ist frustriert.
Laura van Soest sagt: „Ich habe hinten 20 Ordner mit Namenslisten stehen. Hier hat sich jeder Gast an die Maßnahmen gehalten.“
Laura van Soest sagt: „Ich habe hinten 20 Ordner mit Namenslisten stehen. Hier hat sich jeder Gast an die Maßnahmen gehalten.“
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„Der erste Lockdown war eine richtig schöne Zeit für mich“, erinnert sie sich. Nur kurz vorher lernt sie ihre Freundin kennen. Neben ihrer Familie ihr einziger Kontaktmensch im Lockdown. „Das war natürlich dreamy“, sagt sie. Traumhaft.

Auf dem Arbeitsmarkt ist das Abitur vielleicht weniger wert

Die Schule läuft weniger gut. Sie ist nicht der Typ, der alleine Zuhause lernen kann. Nächstes Jahr steht das Abitur an. Sie hat Angst davor, dass es wieder zum Homeschooling kommt, kurz vor dem begehrten Abschluss. „Ich finde, man hat im Homeschooling nicht so sehr das Ziel vor Augen. Ich meine, in der Mittelstufe von der 7. Klasse bis zur 9., die kommen ganz gut da rein. Kennen sich mit der Technik aus. Das tun wir zwar auch, aber für uns sind die Themen relevanter. Abiturrelevant.“ Der Lockdown wirkt sich auf die Noten aus, sagt sie. Sie sind nicht wesentlich schlechter, aber sie hat Angst, dass ihr Abschluss irgendwann nicht wirklich zählt. Weil im Lockdown automatisch weniger Leistung gebracht wird, als während des normalen Schulbetriebs. „Auf dem Arbeitsmarkt kann das Abi 2020 oder das Abi 2021 weniger wert sein, weil jeder weiß, dass anders gelernt worden ist. Vielleicht nehmen Arbeitgeber dann lieber Schüler, die 2019 Abitur gemacht haben.“ Sie spricht die Sorgen ihrer Freunde aus. Vielen geht es so wie ihr.

Beim Lernen braucht sie Menschen, die sie motivieren

„Ich brauche beim Lernen persönliche Unterstützung, von Lehrern oder Freunden. Natürlich können wir die Lehrer kontaktieren, aber es ist was anderes, als würden meine Freunde mich motivieren.“

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Sie hofft, dass Videokonferenzen eingeführt werden. Das würde sie am ehesten an Präsenzunterricht erinnern. Den hat sie vermisst, im ersten Lockdown. „Wir gehen seit zwölf Jahren jeden Tag in die Schule, das ist für uns alle die regelmäßigste Sache im Leben. Und das fällt plötzlich weg, komplett. Man wird Routinelos.“

Nach dem Abitur ist ihr Leben eigentlich schon geregelt. Freiwilliges Soziales Jahr in Potsdam, alles unter Dach und Fach. Jetzt heißt es, im April soll sie nochmal anrufen, dann werde man sehen, was sich wegen Corona noch machen ließe. „Beängstigend und frustrierend“, sagt Johanna Mündelein. „Man weiß nicht, wie es weitergeht. Man hat keine Zusicherung.“ Viele ihrer Mitschüler haben Angst vor der Perspektivlosigkeit. „Wir sprechen viel über die Zukunft, aber versuchen die Laune oben zu halten. Wir machen das Beste draus.“

Sie mag es nicht, dass Sündenböcke gesucht werden

Privat muss sich Johanna Mündelein stark einschränken. Sie singt in Chören, betreibt Kampfsport. Ihr Tage sehen jetzt, im Corona-Winter, immer gleich aus. Aufstehen, Schule, lernen, lesen, schlafen. Sie verzichtet darauf, Freunde zu treffen. „Die Laune sinkt schnell, klar. Aber ich versuche trotzdem, meine Kontakte einzuschränken. Wenn wir nicht alle an einem Strang ziehen, dann passiert nichts.“

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Sie mag es nicht, dass viele Menschen in der Pandemiezeit nach Sündenböcken suchen. Mal seien es die feiernden jungen Menschen, mal die großen Hochzeiten. „Viele junge Menschen haben ihr Leben richtig umgestellt, die verzichten.“ Natürlich gebe es immer wieder junge Menschen, die die Regeln nicht beachten. Aber das sei die Minderheit.

Am meisten vermisst sie das Tanzen. Ganz ganz viele unterschiedliche Menschen um sie herum, die durch das gemeinsame Tanzen eine Gemeinschaft werden. Auf Partys, auf Festivals. „Das war hart“, sagt sie über den Sommer.

Ein simpler 18. Geburtstag

Den 7. November feiert sie ganz anders, als geplant. Keine Clubs, kein Tanz. Nur die Familie. Die Freundin. „Es war ein schöner Abend. Unter Corona-Bedingungen. Ganz simpel. Meine Freunde haben toll dekoriert. Es war sehr schön.“

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