Hochsauerlandkreis. Man kann die Ausbreitung der Corona-Pandemie verlangsamen, aber nicht stoppen: Der Leiter des HSK-Gesundheitsamts im Klartext über die Zukunft:
Die Corona-Fallzahlen im Hochsauerland steigen. Seit dem 25. Oktober ist der Hochsauerlandkreis Risikogebiet. Mittlerweile meldet das RKI einen Inzidenzwert nah an der 100er-Marke. Man könne ein Pandemie-Geschehen nicht verhindern, sondern nur verlangsamen, sagt der Leiter des Gesundheitsamtes im HSK, Dr. Peter Kleeschulte. Dennoch warnt er vor Panikmache und gewährt einen Einblick in die wichtige und schwierige Arbeit des Fallmanagements, das unglaubliche Recherche-Arbeit leisten muss, um Infektionsketten nachzuvollziehen.
51 Fallmanager recherchieren Infektionsketten nach
Wie viele Mitarbeiter sind aktuell im Bereich Fallmanagement beschäftigt, reicht die Anzahl aus, welche Qualifikation bringen die Fall-Manager mit?
Aktuell haben wir in dem Bereich 51 Personen beschäftigt. Aber wir müssen uns dynamisch an ein dynamisches Geschehen anpassen. Mit dieser Besetzung kommen wir derzeit aus. Man muss aber auch sagen, dass wir die Anzahl erheblich erhöht haben. Vor wenigen Wochen reichten noch zehn Mitarbeiter für das Fallmanagement aus. Wir sind aber in der Lage, das durchaus noch höher zu fahren. Das Team setzt sich zusammen aus Ärzten, Hygienekontrolleuren oder Verwaltungsmitarbeitern, die für die Kontaktverfolgung entsprechend angelernt wurden. Die Fach-Expertise ist jeweils gegeben.
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Reicht die Zahl der Mitarbeiter aus?
Das heißt, Sie müssten im Fall einer weiteren Aufstockung nicht auf Bundeswehrangehörige zurückgreifen?
Diese Frage kann man nicht beantworten. Wir haben ein internes Drei-Stufen-Konzept erstellt, in dem wir – je nach Lage – Personal nachführen. Bisher ist das möglich und es wird auch noch steigerungsfähig sein. Wenn aber ein Zeitpunkt mit Fallzahlen kommt, die dort nicht mehr bewältigt werden können, kann man eine Anfrage bei der Bundeswehr nicht ausschließen. Das ist aber reine Spekulation. Sollten die Fallzahlen weiter so steigen, wird es sowieso irgendwann nicht mehr wirklich möglich sein, das Fallmanagement nach dem jetzigen Konzept durchzuführen.
Corona-Hotline des HSK
Die Corona-Hotline beim HSK ist unter 0291 942202 zu erreichen und zwar montags bis donnerstags von 8 bis 15.30 Uhr, freitags von 8 bis 13 Uhr und sams- und sonntags von 9 bis 13 Uhr. Bei der Hotline geht es nicht um die Beantwortung von allgemeinen Gesundheitsfragen, sondern nur um Fragen in Sachen Corona und Gesundheit.
Auf der Internetseite des HSK kann man auch die Allgemeinverfügungen nachlesen, die mit Überschreiten der Inzidenz-Zahl gelten. Außer Arnsberg und Sundern, die das Tragen von Masken in einigen öffentlichen Bereichen verfügt haben, gibt es keine weiteren Anträge aus Städten auf ergänzende Einschränkungen.
Was würde das konkret bedeuten? Könnte man dann nicht mehr alle Infektionsketten lückenlos nachvollziehen?
Wenn wir Werte erreichen würden, die nach primär vorgegebener Art und Weise nicht mehr zu handeln sind, dann müsste man inhaltlich Änderungen an dem Konzept machen. Das ist aber nur auf Bundesebene möglich – mit Vorgaben vom Robert-Koch-Institut.
Wie reagieren Betroffene?
Wie reagieren die positiv getesteten Menschen beim Telefonkontakt – gelassen, geschockt, muss man sie irgendwie „auffangen“?
Die Menschen reagieren unterschiedlich. Von Kooperativen bis zu Unkooperativen oder Uneinsichtigen ist die ganze Palette vertreten. Wobei ein Großteil sehr kooperativ ist und den Anweisungen Folge leistet.
Ein Außenstehender vermag sich vermutlich gar kein Bild davon zu machen, wie aufwändig die Rückverfolgung einer Infektionskette ist. Können Sie das bitte einmal skizzieren?
Oftmals ist das gar nicht möglich, weil wir momentan ein sehr diffuses Infektionsgeschehen haben. Wir haben sehr viele Einzelfälle, die aus den Familien kommen und kein Cluster-Geschehen, wie wir es vor einigen Wochen hatten, wo man die Infektionen aufeinander zurückführen konnte. Das Infektionsgeschehen hat sich verändert; es ist in allen Altersgruppen, in allen Gesellschaftsschichten, es ist überall. Und das ist halt das Klassische einer Pandemie. Das wusste man vorher. Das ist eine Phase, die voraussehbar ist, die letztlich auch nicht zu stoppen ist, die man höchstens verlangsamen kann. Das Virus geht um die Welt und das kann niemand verhindern.
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Bleibt bei der Verfolgung der Infektionskette immer ein Fall in derselben Hand?
Wir haben die Aufgaben organisatorisch aufgeteilt. Der Fallmanager nimmt mit dem Infizierten Kontakt auf, erhebt Daten und erstellt eine Liste der Kontaktpersonen. Diese Liste wird durch eine andere Arbeitsgruppe abgearbeitet und an die Verwaltungsleute weitergegeben, die dann die weiteren Schritte einleiten.
Wer beendet die Quarantäne?
Wer legt fest, wann eine Quarantäne beendet ist. Gibt es einen zweiten Test oder wie läuft das?
Aus der Isolation bzw. Quarantäne kann der Infizierte ja nur dann entlassen werden, wenn er innerhalb der letzten 48 Stunden der zehntägigen Quarantäne keine Symptome entwickelt hat. Das ist eine Entscheidung, für die unserer Ärzte zuständig sind. Sie nehmen Kontakt mit den Index-Fällen auf und entlassen sie dann gegebenenfalls aus der Quarantäne.
Hat es eigentlich Probleme gegeben mit falschen Namen oder Pseudo-Namen auf Listen, die z.B. beim Restaurantbesuch ausgefüllt werden müssen?
Überhaupt nicht. Das liegt aber auch daran, dass wir so gut wie keine Fälle mit einem gastronomischen Inhalt hatten.
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Kein Kraut gegen Corona gewachsen?
In Zeiten, wo gegen viele Mittel ein Kraut gewachsen ist, fällt es vielen Menschen schwer sich vorzustellen, dass wir keine Möglichkeiten der Vermeidung haben…
Ja, es wird aber auch häufig leider anders dargestellt. So, als wenn man ein Instrument in der Hand hätte, um das Ganze abstellen zu können. Nein, das hat man leider nicht. Und niemand weiß, ob eine Impfung ein derartiges Instrument sein wird. Wir haben im Moment selbst bei diesen steigenden Fallzahlen die stationären Versorgungskapazitäten nicht dramatisch in Anspruch genommen. Wenn Sie die Zahlen der Beatmungspatienten betrachten, wissen wir letztendlich ja auch nicht, ob sie nicht mit einem Herzinfarkt eingeliefert wurden und erst durch ein routinemäßiges Screening als positiv aufgefallen sind. So ein Fall ist dann in erster Linie kein Covid-19-Fall, sondern ein Herzinfarkt. Es gibt viele Dinge, die man bei der Interpretation all dieser Zahlen berücksichtigen muss.
Der Inzidenzwert hat also auch nur eine bedingte Aussagekraft?
Ein Wert von 50 bedeutet, sie haben 50 Neuerkrankte pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Das sind dann bei einer Bevölkerungszahl von mehr als 260.000 bei uns im HSK gerade mal 130 Fälle. Auch diese Zahlen relativieren sich sehr schnell, wenn man den eben geschilderten Fall berücksichtigt. Natürlich ist es gut, dass in irgendeiner Form ein Grenzwert da ist, nach dessen Erreichen Maßnahmen ergriffen werden. Da ist der Wert 50 vorgegeben. Aber letztens Endes ist das kein Grund, um in Panik zu verfallen.
Was macht das mit den Mitarbeitern?
Den infizierten Menschen als Fall-Manager die schlechte Nachricht überbringen zu müssen, dass er oder sie erkrankt ist, stelle ich mir auch für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sehr belastend vor...
Ja, sicher ist das so. Die Hauptbelastung liegt aber erstmal darin, dass wir eine maximal hohe Arbeitsverdichtung haben. Die Herausforderung besteht in den hohen Fallzahlen, in Wochenendarbeit, durchgehender Erreichbarkeit, Bedienung der Hotline. Die Mitarbeiter bekommen manchmal auch sehr abstruse Anrufe von Menschen, die Kontakte zu jemandem hatten, der Kontakt zu jemandem hatte und so weiter. Letztlich bedeutet es permanenten Stress. Denn wenn das Telefon schellt, wissen sie nie, was am anderen Ende passiert ist. Ob es eine große Pflege- oder Gemeinschaftseinrichtung war, die betroffen ist, oder ein kleiner Familienverbund.
Welche Tipps haben Sie bzw. Ihre Mitarbeiter aus Ihrer leider reichhaltigen Erfahrung, was Bürger besser/anders machen könnten/sollten?
Es gibt außer den bekannten Hygiene-und Abstands-Regeln wenige Maßnahmen, die wir momentan zur Verfügung haben. Das sind außerdem die Reduzierung von Kontakten, die Einstellung der Reisetätigkeiten – und damit versucht man, ein pandemisches Geschehen zu verlangsamen. Sie können es nicht verhindern.