Brilon/Olsberg. Heute ist „Tag der Bibliotheken“. Wir wollen wissen, wie es um die Zukunft der heimischen Büchereien bestellt und was das beliebteste Buch ist.

Heute ist bundesweiter „Tag der Bibliotheken“. Genau vor 25 Jahren hat ihn der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ins Leben gerufen, Er lenkt alljährlich die Aufmerksamkeit auf die rund 10.000 Bibliotheken in Deutschland und macht auf ihr umfangreiches Angebot neugierig. In vielen Bibliotheken wird seitdem mit verschiedenen Veranstaltungen auf die vielfältigen Leistungen der Bibliotheken als unverzichtbare Kultur- und Bildungseinrichtungen hingewiesen. Das ist in Corona-Zeiten natürlich schwierig. Im Altkreis Brilon gibt es - neben einigen kirchlichen Büchereien - drei städtische Bibliotheken in Brilon, Olsberg und Marsberg. Sie alle leiden unter den Pandemie-Beschränkungen.

Was besonders gern gelesen wird

Welches Buch ist das am häufigsten ausgeliehene Buch der vergangenen 12 Monate bei Kindern bzw. bei Erwachsenen?

Ute Hachmann (Leiterin der Stadtbibliothek Brilon): Bei den Romanen war das „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens (16 Mal ausgeliehen), bei den Kinderbüchern „Lieselotte versteckt sich“ von Alexander Steffensmeier (14 Mal) gleichauf mit Mary Pope Osborn: „SOS auf der Titanic“.

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Petra Böhler-Winterberg (Leiterin der Stadtbücherei Olsberg): Im Erwachsenenbereich spiegelt sich bei den Ausleihzahlen die Sehnsucht nach heiler Welt wider. Da wurden besonders häufig „Feel-Good-Bücher“ wie die „Mondschwester“ von Lucinda Riley oder der „Kleine Teeladen zum Glück“ von Manuela Inusa ausgeliehen. Auf die Liste der Top-Entleihungen hat es aber auch die Autobiografie von „Michelle Obama: Becoming“ geschafft (14 Ausleihen in 12 Monaten). Bei den Kinderbüchern liegt „Die kleine Spinne Widerlich“ von Diana Amft in der Gunst der Kleinen weit vorn.

Barbara Gummersbach (Leiterin der Stadtbücherei Marsberg): „Die Sonnenschwester“ von Lucinda Riley, aber Familiengeschichten verbunden mit dem Familienunternehmen generell. Trilogien mit Tuch, Seide, Schokolade und dergleichen boomen ja gerade. Bei Kindern sind es Star-Wars-Geschichten für die ersten Lesestufen.

Buch-Tipp von Ute Hachmann, Leiterin der Briloner Stadtbibliothek. 
Buch-Tipp von Ute Hachmann, Leiterin der Briloner Stadtbibliothek.  © wp | Rinke

Was ist die schmerzlichste Einschränkung durch Corona im Bibliotheksalltag? Was hat sich dadurch verändert?

Hachmann: Seit Beginn der Pandemie können wir keine kontinuierliche Bildungsarbeit mehr machen. Die Bibliothek als außerschulischer Lernort existiert im Moment de facto nicht. Vor Corona waren täglich Kinder- und Schülergruppen zu Programmen bei uns im Haus. Wir vermissen die „Sprechdachs-Kinder“, die uns mit großen Augen lauschen, wenn wir ihnen Geschichten vorlesen.

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Wir vermissen die aufgeregten Zweitklässler, die wie ein irrer Bienenhaufen durch die Bibliotheksräume schwirren. Wir vermissen die „abgeklärten“ Fünftklässler, die auf einer iPad-Rallye durch unser Haus das eine oder andere Highlight für sich entdecken. Die Bibliothek ist darüber hinaus coronabedingt doch recht ungemütlich geworden. Der Duft nach Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Schließt man die Augen, könnte man auch meinen, man sei im Krankenhaus. Dauernd wird gelüftet und wir müssen immer wieder auf die Hygiene- und Sicherheitsregeln hinweisen. Die Bibliothek als Aufenthaltsort, wie ihn viele vor Corona gekannt und genutzt haben, gibt es zurzeit nicht.

Aufenthaltsqualität gesteigert

Böhler-Winterberg: Die Stadt Olsberg und das Land NRW haben im vergangenen Jahr viel Geld investiert, um die Bücherei zu einem Ort mit Wohlfühlcharakter umzugestalten. Aufenthaltsqualität und Veranstaltungsarbeit sind für die Büchereiarbeit jetzt und in Zukunft von zentraler Bedeutung. Nun steht schon seit Monaten alles still.

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Zum Schutze aller sind wir per Erlass aufgefordert, einen längeren Aufenthalt in unseren Räumen quasi aktiv zu verhindern. Die schönen neuen Sitzmöbel sind gesperrt, Veranstaltungen können nicht stattfinden. Die Erwachsenen kommen mit der Situation klar und freuen sich, dass wir überhaupt da sind. Aber die Kinder verstehen mitunter nicht, warum sie sich bei uns nicht mehr aufhalten sollen. Warum sie keine Spiele spielen dürfen und es außer dem Fußboden keine Sitzmöglichkeiten mehr gibt. Das bricht einem das Herz.

Gummersbach: Dass die Bibliothek nicht mehr als Aufenthaltsort genutzt werden kann, ist sehr schade. Ausleihe und Rückgabe sind kein Problem, der digitale Nachholbedarf in Marsberg wirkt sich in Coronazeiten besonders deutlich aus.

Die Leiterin der Olsberger Stadtbücherei Petra Böhler-Winterberg.
Die Leiterin der Olsberger Stadtbücherei Petra Böhler-Winterberg. © wp | Rinke

Bundespräsident von Weizsäcker hat den Tag der Bibliotheken vor 25 Jahren ins Leben gerufen. Inwieweit hat sich Bibliothek in diesem Vierteljahrhundert verändert?

Hachmann: Vor Corona, in den letzten 25 Jahren, haben sich Bibliotheken zu lebendigen Orten des Austausches, der Leseförderung, der Information und der Inspiration entwickelt. Die Bibliotheken haben sich als zuverlässige Bildungspartner für Kitas und Schulen etabliert. Die Bibliotheken sind keine reinen „Ausleihstationen“ mehr.

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Sie ermöglichen digitale Teilhabe, bieten durch offene Räume und Angebote Austausch in der Kommune und verstehen sich als Orte, an denen viele Arten von Medien ausprobiert werden können – von der 3D-Brille bis hin zu Minirobotern für Kinder. Bibliotheken haben sich als „weiche“ Standortfaktoren für die Kommunen etabliert. Durch die Bereitstellung von Technik zur Nutzung des Internets leisten sie einen wichtigen Beitrag, um allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Böhler-Winterberg: Früher wurde der Erfolg von Bibliothek allein an ihren Ausleihzahlen gemessen. Diese Zeiten sind vorbei. Heute ist Bibliothek Treffpunkt, Aufenthalts- und Veranstaltungsort, Wohlfühloase oder Co-Working-Space. Bibliothek bietet selbstverständlich neben der Ausleihe analoger Medien wie Bücher, Zeitschriften, Hörbücher, DVDs, Spiele, CDs, TONIES und Konsolenspiele auch die Möglichkeit der digitalen Ausleihe von E-Medien. In Olsberg gibt es in der Bücherei schon seit 2012 W-LAN für alle und die digitale Ausleihe von E-books über die Onleihe24. Wir bieten Arbeitsplatz-PCs mit Druckern und Scannern, an fast allen Sitzplätzen Stromtankstellen für mitgebrachte Endgeräte, eine Gaming-Wall mit 55-Zoll-Bildschirm, Playstation und VR-Brille.

Nutzungsverhalten hat sich geändert

Gummersbach: Das Nutzungserverhalten der Leser/innen hat sich verändert, sie erwarten mehr als reine Buchausleihe. Die Angebote für Kinder und Familien sind in den Mittelpunkt gerückt.

Leitet die Stadtbücherei Marsberg: Barbara Gummersbach.
Leitet die Stadtbücherei Marsberg: Barbara Gummersbach. © wp | Rinke

Bibliotheken sind längst mehr als Ausleihstätten von Büchern – wie sieht die Bibliothek der Zukunft aus?

Hachmann: Ehrlich? Im Moment mag ich keine Prognose geben. Vor Corona hätte ich die Frage sehr optimistisch beantwortet. Bibliotheken sind Lern- und Aufenthaltsorte. Lesen, Informieren und Inspirieren – all das in einer guten Umgebung, die zum Aufenthalt einlädt, das wäre „das Ziel“ gewesen. Meine große Hoffnung ist, dass wir diesen Weg nach der Pandemie weiter gehen können.

Böhler-Winterberg: Die Bibliothek der Zukunft ist Aushängeschild und Wohnzimmer ihrer Stadt. Ein „Dritter Ort“ und damit der Ort, an dem man sich neben Arbeitsplatz und den eigenen vier Wänden am liebsten aufhält. Natürlich kann man weiterhin Medien aller Art ausleihen, aber auch ganz viel Neues ausprobieren. Gaming, Coding, Robotic, 3-D-Druck, die Digitalisierung analoger Medien. All das bieten Bibliotheken schon jetzt. In Zukunft wird das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung erlangen. In der Bibliothek der Dinge kann man sich neben Medien auch Bohrmaschinen, Regenschirme, Akkuschrauber, Musikinstrumente und vieles mehr ausleihen. Teilen statt besitzen, reparieren statt wegwerfen. Bibliotheken sind hierfür die perfekten Koordinierungsstellen und frei zugänglich für jeden.

Gummersbach: In Marsberg hoffentlich in absehbarer Zeit in neuen, bibliotheksgerechten Räumlichkeiten für das 21. Jahrhundert