Winterberg/Medebach/Hallenberg. Der Leiter der Biologischen Station erklärt, welche fremden Arten die meisten Probleme im HSK machen – und warum gute Absichten manchmal schaden.

Wenn der Hirsch im Walde röhrt, ist dem Naturfreund klar: Hirsch gehört hierher, Hirsch ist prima. Aber es tummeln sich auch viele Arten im Hochsauerland, die ursprünglich nicht dorthin gehörten und denen erst der Mensch einen Lebensraum geschaffen hat. Absichtlich oder unabsichtlich.

„Eingewanderte Arten gibt es viele und per se ist das nicht problematisch“, sagt Werner Schubert, Leiter der Biologischen Station Hochsauerlandkreis. Im Gegenteil: Über manche freuen sich Naturschützer. „Der Grünspecht war früher hier höchstens mal im Diemel- und Almetal zu sehen. Heute ist er im ganze HSK verbreitet.“ Auch der Silberreiher aus Ost- und Südosteuropa, der sich immer öfter seine Fische auch in Deutschland fängt, oder das unauffällige Behaarte Schaumkraut machen dem Naturschützer keine Sorgen.

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Von Thomas Winterberg, , und Ute Tolksdorf

Was unterscheidet unproblematische von problematischen Arten und welche machen im Sauerland die größten Probleme? Dazu gibt es zwei wesentliche Fragen. Die erste: Hat eine Art aus eigener Kraft einen neuen Lebensraum erschlossen, wurde also nicht vom Menschen aktiv eingeschleppt? Zweitens: Gibt es im neuen Lebensraum begrenzende Faktoren, zum Beispiel Fressfeinde? Wenn die Antwort beide Male ein Nein ist, wird es ernst.

„Ein einzelner Mensch kann da viel Unheil anrichten“, sagt Schubert. Denn viele der aus seiner Sicht problematischsten Arten wurden absichtlich eingeführt – der Waschbär als Pelztier, amerikanische Flusskrebse als „Bereicherung der Fauna“, der Japanische und Sachalinische Knöterich als Viehfutter. Diese Knöterich-Arten verbreiten sich enorm, verdunkeln ganze Uferbereiche und nehmen anderen Pflanzen und Tieren die Lebensgrundlage.

Japanischer Knöterich erobert auch Ruhr im Sauerland

Zudem seien sie „praktisch nicht kaputt zu kriegen.“ Die Ufer der Ruhr hätten die Problem-Knöteriche bereits bis nach Assinghausen hinauf erobert. Wenn sie so problematisch sind, warum hört man so wenig von ihnen und so viel vom ebenfalls eingeschleppten Riesenbärenklau? Die Erklärung dafür ist aus Schuberts Sicht einfach: Der Riesenbärenklau ist für Menschen unmittelbar gefährlich, die Knöteriche nicht.

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Zurück zum Wasser: Ursprünglich amerikanische Flusskrebse wie der Kamberkrebs sind auf dem besten Weg, die heimischen Flusskrebse auszurotten. Um deren letzte Bestände zu schützen, müsse sogar teilweise die Strategie geändert werden, Fließgewässer möglichst durchgängig zu gestalten. „Nur Isolieren kann helfen.“ Denn die Eindringlinge bringen einen Pilz mit, den Erreger der sogenannten Krebspest. Er kann sich übers Wasser verbreiten, die heimischen Arten gehen daran zugrunde.

Und auch der Waschbär hat im Sauerland nichts verloren. Solange der kleine Nordamerikaner nur Obstbäume und Mülltonnen leerräumt, ist der Schaden gering. Er räubert aber auch die Nester von bodenbrütenden Vögeln, zum Beispiel im Vogelschutzgebiet Medebacher Bucht, und klettert sogar in Greifvogel-Horste, wie Schubert berichtet. „Ich denke nicht, dass der Waschbär die einzige Ursache für den Rückgang vieler Vogelarten ist. Aber er ist ein gravierender Faktor.“

Wildblumen-Samen lieber nicht aus der Tüte

Mittlerweile sind sich viele Menschen der Probleme bewusst, die durch das Einschleppen von Arten verursacht werden. Doch auch heute noch geschieht derlei – oft sogar mit den besten Absichten. So führte der Wunsch, Blattläuse in Gärtnereien auf natürliche Weise zu bekämpfen, zur massenhaften Ausbreitung des Asiatischen Marienkäfers. Dieser bedroht inzwischen einheimische Arten.

Und auch die überall erhältlichen Wildblumen-Samenmischungen sieht der Leiter der Biologischen Station kritisch. Denn was heimisch ist, wo die Samen gesammelt werden, muss noch lange nicht ins Hochsauerland gehören. Den Begriff „regional“ solle man daher lieber eng auslegen. „Regional bedeutet im besten Fall: aus dem HSK. Wobei ich selbst eine Pflanze aus der Medebacher Bucht nicht ohne Weiteres auf die Winterberger Hochfläche setzen würde.“

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Es ist also selbst bei den besten Absichten nicht leicht, alles richtig zu machen. Für Menschen, die mit Wildblumen den Insekten in ihrem Garten etwas Gutes tun wollen, hat Schubert deshalb einen anderen Ratschlag: beim Spaziergang selbst Samen sammeln und diese einbringen. Dauert länger und ist mühsamer, „aber dafür hat das dann auch einen ganz anderen Wert.“