Altkreis. Blüh- und Samenmischungen sollen die Umwelt verschönern und der Artenvielfalt helfen. Ein Experte aus dem HSK erklärt, wieso das keine Lösung ist
Mit Blüh- und Samenmischungen die Umwelt schöner und bunter machen und gleichzeitig etwas für die heimische Artenvielfalt tun – klingt gut. Doch so einfach ist es leider nicht, erklärt Werner Schubert, Leiter der Biologischen Station des HSK. Im Gegenteil, manchmal seien gerade diese Maßnahmen zumindest aus ökologischer Sicht sogar kontraproduktiv, so der Experte.
Was können Landwirte im Hochsauerlandkreis tun?
Optisch sind die Blühflächen, die Landwirte auch bei uns im Sauerland an den Rändern ihrer bewirtschafteten Flächen anlegen, auf jeden Fall ein Gewinn. Das bestreitet auch Werner Schubert nicht. Doch mit Blick auf den regionalen Artenschutz sind seiner Ansicht nach andere Maßnahmen notwendig. Er erklärt: „Blühflächen am Acker lösen das Problem nicht.“
Dramatische Entwicklung seit den 80- und 90er Jahren
Um zu verstehen, wie wichtig ein artenreiches Grünland ist, müsse man wissen, wie sich die heutige Kulturlandschaft entwickelt habe, erklärt Werner Schubert. Ursprünglich sei das Sauerland ein Waldland gewesen. Erst durch die Öffnung der Landschaft und die kleinteilige landwirtschaftliche Nutzung seien über Jahrhunderte viele Arten eingewandert, so dass sich bis 1800 eine an den „langsamen Herzschlag der extensiven, traditionellen Landwirtschaft“ angepasste sehr große Vielfalt an Tieren und Pflanzen entwickelt habe. Doch Industrialisierung, großer Flächenverbrauch und intensive Bewirtschaftungsformen hätten artenreiche Lebensräume zunehmend verdrängt. Richtig dramatisch sei diese Entwicklung dann seit den 80- und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Intensivierung der Landwirtschaft geworden.
Manche Wildbienen zum Beispiel seien nicht auf irgendwelche Blüten, sondern oft auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen, so Werner Schubert. Das gleiche gelte für Schmetterlinge, die ihre Eier nur an bestimmte Pflanzen legen, die den Raupen als Nahrung dienen. Sein Fazit: „Um Insektenreichtum zu fördern, muss ich den gesamten Lebenszyklus im Auge behalten.“
Der Einsatz von großen Düngermengen
Problematisch sei neben dem Einsatz von großen Düngermengen und Pestiziden in der Landwirtschaft zum Beispiel auch, dass heute das Grünland vier bis fünfmal pro Jahr gemäht werde, während früher erst ab Mitte oder Ende Juni ein erster Schnitt gemacht worden sei. Für viele Bodenbrüter sei das beispielsweise fatal. Blütenpflanzen haben dann keine Chance mehr zum Aussamen und verschwinden.
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„Besser als Blühstreifen sind Ackerrandstreifen wie sie durch ein Programm des Landes NRW gefördert werden“, erklärt Werner Schubert. Sie werden ohne Einsatz von Herbiziden und Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftet, damit sich dort Ackerwildkräuter und die heimische Tierwelt ausbreiten können.
Ausbringen des Saatgutes
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Am besten sei es außerdem, wenn mit Ausbringen des Saatgutes jede zweite Tülle zu bleibe, so dass weniger Getreide angebaut werde, um so Wildkräutern wie Kornblumen, Kamille und Mohnblumen Raum zu geben. Dadurch entstehen, so der Biologe, „Lichtäcker“, die anders als die dunklen, hochwachsenden Blühstreifen Licht und Wärme auf den Ackerboden bringen.
Das ist gut für die heimischen Insektenarten. Auch wer seine nur zweimal im Jahr mähe, fördere die Vielfalt heimischer Arten. Schubert wünscht sich, dass auch bei uns im HSK künftig weitere Landwirte beim sogenannten „Vertragsnaturschutz“ mitmachen und auf nachhaltige Bewirtschaftungsformen setzen.
Was können Kommunen tun?
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Auch die Kommunen können etwas für die Artenvielfalt tun. Ein positives Beispiel werde aktuell in der Stadt Medebach umgesetzt, so Schubert. Dort werde das landwirtschaftliche Wegenetz vermessen. Künftig sollen im Bereich des Stadtgebietes Wegränder, die bisher von der Landwirtschaft mitgenutzt wurden, wieder ungestört grünen und blühen, um Pflanzen, Insekten und anderen Wildtieren mehr Lebensraum zu verschaffen.
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Das Wegsaum-Projekt in der Medebacher Bucht wird in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station umgesetzt. Wie die WP bereits berichtet hat, sollen dabei verschiedene Abschnitte ganz unterschiedlich behandelt werden: Auf manchen muss die Erde jährlich umgebrochen werden, andere sollten gelegentlich gemäht werden, wieder andere sich ganz ungestört entwickeln.
Was können wir privat tun?
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Werner Schubert rät: Jeder, der einen eigenen Garten hat, sollte grundsätzlich auf den Einsatz von Bioziden verzichten. Außerdem empfiehlt der Biologie, dort, wo es möglich ist, Flächen natürlich zu belassen, auf denen nicht regelmäßig gemäht wird.
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„Diese Wiese kann man einfach mal wachsen lassen und gucken, was dort passiert. Meist findet man dort dann Malven, Margeriten, Flocken- und Glockenblumen“, so Schubert. Wenn man unterwegs sei, könne man auch ruhig mal Samen von Wildpflanzen sammeln, im Topf anziehen und dann auf dem eigenen Grundstück ansiedeln.
Skepsis gegenüber gekauftem Blumensamen
Auch im Privatgarten hält er nicht viel von gekauften Blütensamen. Selbst wenn es sich um regionale Mischungen handele, seien dort nicht unbedingt tatsächlich die für das jeweilige Gebiet typischen heimischen Arten enthalten. Der Regionalbegriff sei teilweise großräumig gefasst und reiche von der Eifel bis nach Marsberg, so dass auch nicht wirklich gebietsheimische Pflanzen mit ausgesät würden.
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Problematisch sei auch, dass viele Pflanzen, die man mit diesen Mischungen zum Blühen bringe, sogar Neophyten, also gebietsfremde Arten, nur einjährig seien. Sein Rat: „Es braucht Geduld und keine Fast-Food-Mentalität, wenn man wirklich nachhaltig etwas bewirken will.“ Außerdem sollte man immer bedenken, dass alles, was man im eigenen Garten ansiedelt, keine Grenzen kennt und auch schnell in die freie Landschaft eingebracht wird. Negative Beispiele dafür seien Staudenknöterich und Riesenbärenklau. Aber generell spreche erstmal nichts dagegen, den Garten mit Zierpflanzen zu bestücken.