Brilon. Die Sprachnachricht eines Verstorbenen sorgt für Aufklärung am Amtsgericht Brilon. „Jetzt gibt es Knast“, sagte die Stimme – und behielt recht.

Es war die aufgeregte Stimme eines Toten, die als Sprachnachricht aus einem Smartphone auf Russisch durch den Saal des Amtsgerichts Brilon polterte: „Habt Ihr den Verstand verloren! Warum habt Ihr die Polizei gerufen? Was für eine Blödheit. Jetzt gibt es Knast!“ Gegenstand der Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Brilon: eine große, auf dem Dach eines alten Anwesens in Madfeld betriebene Marihuana-Plantage. Das dort sichergestellte Pflanzenmaterial von insgesamt rund 2,3 Kilo Drogen hätte bei der angetroffenen Wirkstoffgüte für rund 17.600 Konsumeinheiten gereicht, wie Vorsitzender Richter Härtel ausrechnete. Auf der Anklagebank: der 21-jährige Sohn des Anrufers.

Vater stirbt bei einem Unfall

Den Anrufer selbst kann man nicht mehr fragen. Kürzlich ist der 45-Jährige bei einem Arbeitsunfall auf tragische Weise ums Leben gekommen. Mit seinem Kleinbagger war er einen 15 Meter steilen Abhang hinabgestürzt - zwei Monate, nachdem er mit einer neuen Partnerin ein Baby bekommen hatte. „Er war so ein wunderbarer Mensch“, zitiert eine Boulevardzeitung seine trauernde Lebensgefährtin.

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Von Thomas Winterberg und Naima Fischer

Nachdem es mit seinem Bauunternehmen im Raum Büren und auch seiner Frau nicht mehr so richtig lief, war der 45-Jährige im Herbst vergangenen Jahres in die Schweiz gezogen. Zuvor hatte er eine Zeitlang in Madfeld ein in die Jahre gekommenes Haus bewohnt, das seine Schwester erworben hatte und das er renovieren sollte, um es dann mit Gewinn wieder verkaufen. Bereits im Juli waren damals der Schwester bei einem ihrer Besuche die vielen Stromkabel aufgefallen, die ihr Bruder in dem Gebäude verlegte. Die seien, so habe er damals gesagt, für seine Maschinen.

Tante entdeckte die Drogenplantage

Stutzig wurde die Schwester erst, als sie die Abrechnungen für Strom und Gas bekam. Da lebte ihr Bruder allerdings bereits in der Schweiz und dessen Sohn, eben der Angeklagte, der eigentlich bei seiner Mutter im Raum Büren wohnte, hielt sich dann und wann dort auf.

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Und deshalb bekam der 21-Jährige den Ärger mit der Justiz. Denn als seine Tante im Februar einmal ihr Anwesen genauer in Augenschein nahm, entdeckte sie auf dem Dachboden die Plantage. „Ich wusste nicht, wem das gehört und habe sofort die Polizei gerufen,“ sagte sie vor Gericht. Die fand eine Anlage vom feinsten. 126 Töpfe, jeder mit Bewässerungs- und Hochleistungslichtanlagen ausgestattet. Die meisten waren bereits abgeerntete, die rund einen Meter langen Pflanzen hingen zum Trocknen auf Leinen.

Anwalt aus Paderborn lässt Angeklagten sitzen

Anfangs wollte der Angeklagte sich nicht äußern. Zumal ihn sein Paderborner Pflichtverteidiger einfach hatte sitzen lassen. Er könne nicht kommen, da er wichtige Mandantengespräche zu führen habe, hatte er das Gericht wissen lassen. Und da er auch einem von Richter Härtel angebotenen Ersatztermin in der übernächsten Woche nicht zusagen wollte, ordnete Härtel auf Antrag von Staatsanwältin Subat dem Angeklagten als zusätzlichen Pflichtverteidiger den von der vorherigen Verhandlung noch anwesenden Briloner Anwalt Felix Füchtmeier bei.

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Beide zogen sich daraufhin zur Prozessvorbereitung für eine halbe Stunde zurück. Nach der umfassenden Aussage seiner Tante nahm Richter Härtel den bis dahin immer noch schweigenden Angeklagten ins Gebet. Kein Mensch auf der Welt sei unfehlbar. Für das Gericht komme es mit darauf an, wie jemand zu seinen Tat stehe. Härtel: „Sie können schweigen, für eine Aussage gibt es aber einen Bonus.“ Worauf sich der 21-Jährige und sein Anwalt für eine kurze Denkpause zurückzogen.

21-Jähriger macht reinen Tisch

Danach machte der Angeklagte reinen Tisch. Sein Vater habe im Sommer die Plantage angelegt, weil er angesichts der Schieflage seines Bauunternehmens „keinen Ausweg mehr gewusst“ habe. Er habe von dem Einstieg in den Drogenhandel, und als sein Vater dann in die Schweiz zog, habe sein Vater ihn gebeten, sich um die Zucht zu kümmern. Dank des technischen Geschick des Vaters habe er kaum was machen brauchen: „Alles war automatisiert.“

Der Vater sei seine Bezugsperson gewesen, meinte die Staatsanwältin. Um ihn zu schützen, habe er wohl auch bei der Polizei ausgesagt, selbst die Zucht aufgebaut zu haben. Das stelle sich nun anders dar. Der Unfalltod des Vaters belastetet ihn so sehr, dass er seinen Job als Baggerfahrer seitdem nicht mehr ausüben kann. Sie sprach sich für eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht aus und forderte für den bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie die Ableistung von Sozialstunden. Verteidiger Füchtmeier hielt einen Dauerarrest für ausreichend.

Jugendschöffengericht verhängt Dauerarrest und Bewährung

Und so kam es auch. Das Jugendschöffengericht verurteilte den 21-Jährigen wegen Besitzes und Handelns mit Rauschgift in einer nicht geringen Menge zu einem dreiwöchigen Dauerarrest und verhängte eine zweijährige Bewährungszeit. Der Vorsitzende Richter machte dem 21-Jährigen, der bereits mit „zahlreichen Brüchen im Leben“ klarkommen musste, deutlich, dass er sich in dieser Zeit straffrei zu verhalten habe. Sollten sich in dieser Zeit jetzt noch nicht erkennbare „schädliche Neigungen“ zeigen, werde er auch für diese Rauschgift-Sache eine dann noch festzulegende Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Und damit sich in seinem „Kopf nicht die Idee festsetzt, so einfach wegzukommen“, muss der 21-Jährige 300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

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In dem Haus in Madfeld wurden 1675,69 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12,1 Prozent THC sowie 482,34 Gramm Hanf mit einem Wirkstoffgehalt von 12,8 Prozent THC sichergestellt. Das entspricht eine Wirkstoffmenge von rund 260 Gramm THC; die strafrechtlich relevante „nicht geringe Menge“ endet bei 7,5 Gramm. Außerdem bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in Büren eine kleinere Menge synthetischer Drogen und Steroide auf.