Hochsauerlandkreis/Marsberg. In Deutschland ist die alte Apfelsorte Große Borsdorfer fast verschwunden. Es gibt noch drei Bäume – alle im Altkreis Brilon, zwei bei Marsberg.
Der Große Borsdorfer ist eine alte Apfelsorte. Er hat eine glatte gelbe und dunkelrote Schale und gelbliches Fruchtfleisch. Er reift zu Weihnachten und hält sich bis gegen Pfingsten. Der Baum wächst groß und trägt reichlich Früchte.
Wie die beiden auf der großen Streuobstwiese in Udorf neben der Schützenhalle. „Er galt als verlässlicher Wirtschaftsapfel“, weiß Claudia Schluckebier aus Giershagen vom Verein für Natur- und Vogelschutz (VNV) des Hochsauerlandkreises. Gemeinsam mit ihrem Vereinskollegen Harald Legge aus Marsberg führte sie die rund 50 Teilnehmer der Exkursion durch die Streuobstwiese mit ihren alten Obstbaumbeständen und um die 80 Bäumen. Etwa 40 von ihnen sind älter als 100 Jahre. Der VNV pflegt und hegt sie seit vielen Jahren. Er hat auch neue Obstbäume angepflanzt und alte Sorten veredelt.
Der Große Borsdorfer stand früher in so ziemlich allen Bauerngärten und vielen Wiesen. Heute gibt es in ganz Deutschland nur doch drei dieser alten Apfelbaumsorte. Einer steht am Gut Glindfeld und zwei auf der Streuobstwiese in Udorf. Die beiden Naturschützer vom VNV hatten Apfelpflücker an langer Stange dabei, damit sich die Apfelfreunde an den Früchten bedienen konnten.
Königin der Apfelsorten
Unter dem Großen Borsdorfer leuchtet jede Menge Fallobst in der Herbstsonne, das gerne von den Exkursionsteilnehmern aufgesammelt wurde. Viele probierten erst einmal den frischen Apfel und wunderten sich über den leicht herben Geschmack. Er schmeckt so ganz anders als die gelb-roten Äpfel von dem Großen Gravensteiner.
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„Der Große Gravensteiner ist ein Traum von einem Apfelbaum“, gerät Claudia Schluckebier direkt ins Schwärmen über „die Königin der Sorten“, die an dem Südosthang in Udorf noch einen guten Standort habe. In den Briloner Höhen würde der Apfelbaum wohl nichts werden. „Die Äpfel schmecken aromatisch und sind saftig“, beschreibt sie das Obst. „Echt lecker“, beißt eine Exkursionsteilnehmerin aus Marsberg herzhaft in den Apfel. „Er hält sich aber nur zwei Wochen“, weiß die Apfelfachfrau Schluckebier.
Unterstützung gesucht
Neben den 40 Altbäumen hat der VNV im Laufe der Jahre rund 60 Apfelbäume auf der Streuobstwiese angepflanzt. Das Apfelsortenrepertoire ist dem Klima in der Region angepasst. So wächst hier u. a. auch der Boskopp, die Rote Sternrosette, der Dülmener Rosenapfel, der Westfälische Gülderling oder der Herbstapfel Croncels.
Der VNV sucht dringend Freiwillige, die beim Schnitt der Obstbäume und Pflege der Obstbaumwiese mitanpacken, denn für die Vereinsmitglieder sei die viele Arbeit allein kaum mehr zu bewältigen. Dabei, so Harald Legge, „läßt sich so ganz nebenbei die richtige Obstbaumpflege erlernen.“
Wer Interesse hat, kann sich auf der homepage www.vnv-hsk.de informieren
Die Harberts Renette am nächsten Baum ist eine ursauerländer Sorte und heute auch nur noch selten zu finden, so Claudia Schluckebier. Vor 140 Jahren hätte die Apfelsorte in Westfalen überall gestanden. Der Apfelbaum bildet große Kronen und trägt reichlich Früchte.
In den 1950er/1960er Jahren wurden die regionalen Apfelsorten unmodern
Angelegt wurde die Streuobstwiese vor mehr als 100 Jahren von Freiherr zu Spiegel vom Deesenberg von Schloss Canstein. Die Obstbäume sind gleichmäßig in Reihen angepflanzt worden. „Das lässt sich auch
heute noch an dem Pflanzmuster erkennen“, so Claudia Schluckebier. Demnach hätten um 1900 um die 250 Bäume in der Streuobstwiese gestanden. 1500 verschiedene Apfelsorten hätte es zu der Zeit in Deutschland gegeben. In den 1950er/1960er Jahren wurden die regionalen Apfelsorten plötzlich unmodern. Die Industrialisierung zog auch im Obstanbau ein.
Zufällig vergessen
Die Streuobstwiesen bei den Dörfern verschwanden nach und nach. Diese in Udorf sei wohl eher zufälligerweise vergessen worden, weil sie erstens an einem Hang liegt, der landwirtschaftlich uninteressant ist und weil die Wiese im Grenzgebiet liegt und niemand so wirklich gewusst hätte, gehört sie nun zu Hessen oder zum westfälischen Udorf.
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Vor der Bereinigung der Landesgrenze vor wenigen Jahren führte die Landesgrenze durch die Schützenhalle neben der Obstwiese. Die Damentoilette stand auf Hessischem Grund. 2009 wurde die Grenze durch einen Grenztausch verlegt.
Streuobstwiese drohte so allmählich zu verwildern
Die Streuobstwiese drohte so allmählich zu verwildern. Da nahm sich der VNV ihrer an. Er kümmert sich um den fachgerechten Baumschnitt und hat neue Sorten angepflanzt. Damit die Kulturlandschaft erhalten bleibt, weidet Schäfer Bauer seine Schafen und Ziegen dort. „Wir stecken seit Jahren viel ehrenamtliche Arbeit in den Erhalt dieser besonderen Obstwiese“, sagt Harald Legge. „Weil sie neben einem bedeutsamen Kulturgut auch ein artenreicher Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten ist.“
Spinnen, Insekten und Kleintiere finden hier einen reich gedeckten Nahrungstisch. Aber auch seltene Vogelarten wie das Gartenrotschwänzchen haben dort ihr Revier, ebenso der Mittelspecht, eine besondere Spechtart, der in den Borken der alten Bäume Insekten zum Fressen findet. Auf der Magerwiese gedeihen dazu seltene Kräuter.