Hochsauerlandkreis/Brilon. Veronika Neumann aus Brilon organisiert Treffen der „Kurzen Bikerinnen“ im Sauerland. Keine der Motorrad-Frauen ist größer als 1,62 Meter.
Die kürzeste von ihnen heißt Inge und ist 1,52 Meter „klein“. Das erklärt Veronika Neumann aus Brilon, eine der Chefinnen in der Facebook-Gruppe „Kurze Bikerinnen“, die nicht nur rund 800 Mitglieder hat, sondern aus den Sozialen Netzen heraus auch etwas reales geschaffen hat: Eine einzigartige Gemeinschaft von Frauen, die Motorräder fahren. Auf Männermaschinen. Mit sehr kurzen Beinen.
Landgasthof Gruß in Brilon. Schwarzes Metall glänzt in der Sonne. Roter Lack blendet die Augen. Hier und da röhrt kurz ein Motor von einem Motorrad auf, übertönt das Lachen und die Stimmen, die über den Parkplatz hallen. Er ist voller Bikes. Und voller Frauen. Kurze Haare oder Zopf, Lippenstift oder ungeschminkt, Lederkluft oder Turnschuhe – sie sind alle verschieden und haben doch etwas gemeinsam: keine von ihnen ist über 1,62 Meter groß. Das ist das Aufnahmekriterium bei den „Kurzen Bikerinnen“.
Kleine Menschen mit schweren Maschinen
Veronika Neumann schiebt eine der Maschinen in die lange Reihe, die sie gerade für ein Gruppenfoto mit den Bikes aufstellen.
Zur Person
Veronika Neumann engagiert sich seit einem Westfalenpost-Artikel für die Motorradfreunde Sauerland e.V., die an ein „Fahren mit Verstand“ appellieren und sich für einen besseren Ruf von Motorradfahrern einsetzen.
Sie vertritt in dem Verein Brilon, Olsberg, Marsberg und Winterberg. Gemeinsam setzen sie sich gegen Streckensperrungen wegen des Motorradlärms ein.
Wenn sie lacht, bilden sich kleine Grübchen um ihre Augen. „Viele stecken uns ja in diese Chopper-Schublade“, sagt sie und lässt sich auf eine der Holzbänke fallen. Um sie herum stehen die Bikerinnen in Grüppchen zusammen. Eine fährt sich durch ihr langes rotes Haar, lacht. Die andere gestikuliert zu ihrem Bike.
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Ein Helm mit rotem Plüsch-Überzug und großen Kulleraugen liegt auf dem Asphalt. „Dabei sind wir zwar kleine Menschen, fahren aber schwere Maschinen“, Veronika Neumann deutet auf die Bikes. „Das sind Männermaschinen und um die zu fahren, müssen wir nicht das Klischee des großen, breiten Bikers bedienen. Wir händeln auch Bikes, die 260 Kilo wiegen.“ Klischees brechen, das hat sich die Brilonerin ein bisschen zur Aufgabe gemacht. Biker sind nicht immer Raser. Sie sind manchmal auch Schwestern, Töchter, Mütter – sogar Großmütter. „Inge, unsere Gruppengründerin, ist sogar 70“, sagt Veronika Neumann.
Beim Scrollen auf die Gruppe gestoßen
Sie ist beim Scrollen auf die Facebook-Gruppe gestoßen und hat sich direkt angesprochen gefühlt. Denn für kleine Frauen ist schon der Motorradführerschein eine Herausforderung. „Viele Fahrschulen haben einfach keine Bikes für kurze Beine. Und viele sind nicht bereit, gepolsterte Sitze zu organisieren.“ Anfangs ist es auch für Veronika Neumann manchmal ein komisches Gefühl. „In den ersten sechs Wochen bin ich nur alleine gefahren, um ein Gefühl für das Bike zu bekommen. Sicherheit kommt durch die Erfahrung.“ Trotzdem kommt es – auch jetzt noch – zu gefährlichen Situationen. „Wenn man auf eine Ampel zurollt und plötzlich fällt die Straße in einer Schräge ab, dann kommt man mit den Füßen nicht mehr auf. Das kann kritisch sein“, sagt sie.
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Viele der Bikerinnen tricksen. Sitze abpolstern, Stiefel mit versteckten Absätzen. „Daytona High Heels nennen wir die“, sagt Veronika Neumann verschmitzt. In der Gruppe tauschen sie sich über die kleinen Kniffe aus. Fahren Probe mit den anderen Rädern. „Wir kennen jetzt alle Tricks, oder?“, ruft Veronika Neumann. Heike Mann, klein, lockige Haare versteckt unter einer Cap, setzt sich zu ihrer Freundin. „Ja“, bestätigt sie. Sie ist aus Frankfurt gekommen, gemeinsam fahren die beiden Frauen oft Touren, manchmal nur ein Wochenende.
Am Edersee haben sich die Bikerinnen letztes Jahr getroffen
Es ist nicht ihr erstes Treffen. Letztes Jahr am Edersee in Hessen haben sich schon einige der Bikerinnen getroffen. Damals noch viel weniger als jetzt in Brilon. 27 sind hergekommen „Wir waren erst fünf. Später dann elf“, erinnert sich Heike Mann zurück. Veronika Neumann hat den Tourguide gemacht, durch das Waldecker Land. Den Tourguide zu machen ist nicht immer leicht. „Man muss genau richtig anfahren, damit alle sicher in die richtige Richtung starten. Und nicht jeder Pausenplatz ist auch für uns und unsere kurzen Beine geeignet“, erklärt Veronika Neumann die Herausforderung.
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Das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Frauen ist eng. „Wir haben aus Social Media etwas greifbares und gewaltiges gemacht“, sagt die Brilonerin und schaut stolz in die Runde. „Elke kommt aus Bielefeld. 200 Kilometer fährt sie extra her. Christine aus Dachau, 555 Kilometer.“ Es sei toll, verteilt über Deutschland so viele Frauen mit dem gleichen Hobby zu kennen. „Wenn ich mal starten will, dann hat jeder eine Couch und einen Platz in der Garage wo ich für eine Nacht unterkommen kann. Das ist eine tolle Gemeinschaft.“
Kurvenjunkies und gemütliche Fahrerinnen
Sie fahren heute in drei verschiedenen Gruppen. Manche wollen es gemütlich angehen lassen, manche sind „Kurvenjunkies“. Die Touren durch ihre Heimat hat Veronika Neumann ausgearbeitet. Sie führt die Kurvenjunkies an – „immer im punktefreien Bereich“, betont sie. Es geht nicht darum, mitzuhalten. Jeder soll Spaß haben. Einen tollen Tag genießen.
Es wird laut, als sie alle vom Platz fahren. Ihre Helme funkeln in der Sonne, ihre Visiere heruntergeklappt. Zöpfe flattern im Wind, Maschinen röhren auf. Dann sind sie die Straße heruntergerauscht und weg.
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