Medebach/Winterberg. Ein Mann baut bei Winterberg einen Unfall. Er sitzt im Auto ohne Hose. Weshalb das Gericht im Verfahren gegen den Mann Härte zeigt.

Es muss eine kuriose Szene gewesen sein, die ein junger Zeuge in einer Nacht Anfang Mai 2020 erlebte. „Ich war aus Richtung Winterberg nach Silbach unterwegs und sah Warnblinklicht hinter der Leitplanke beim Bahnübergang.“

Der 19-Jährige forschte nach und fand einen Pkw in Schräglage im Graben mit einem Mann auf dem Fahrersitz. Hilfe oder die Polizei habe dieser nicht gewollt und „er redete Dinge, die keinerlei Sinn ergaben.“ Weil der Mann zudem „untenrum nichts angehabt“ und nach dem Aussteigen eine Wurfbewegung gemacht habe, wurde es dem jungen Zeugen zu heikel – er brachte sich in sichere Entfernung und rief die Polizei.

Der hosenlose Mann von damals saß am Donnerstag (24.9.) auf der Anklagebank des Amtsgerichts Medebach. Vorsätzliche Trunkenheit im Straßenverkehr und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis lauteten die Vorwürfe.

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Alkohol war nicht im Spiel – wohl aber Drogen: In der Blutprobe des Hallenbergers aus der Tatnacht fanden Gutachter pro Milliliter 800 Nanogramm Amphetamine. Ein Wert, den der Richter einordnete: Als Ordnungswidrigkeit hätte ein Wert bis 25 Nanogramm pro Milliliter gegolten. „Und 1000 Nanogramm ist die Grenze dessen, was das Labor nachweisen kann.“

Auch am nächsten Tag noch verwirrt

Es war also eine enorme Drogen-Konzentration, mit der der 40-Jährige Auto gefahren war – ungeachtet der Tatsache, dass er ohnehin keinen Führerschein besitzt. Zu den Vorwürfen könne er wenig sagen, meinte der Angeklagte. Er erinnere sich weder, Auto gefahren zu sein, noch an den Zeugen, der ihn fand. Zwar konsumiere er gelegentlich Drogen, aber in dieser Heftigkeit sei dabei noch nie etwas passiert.

Ungewohnt heftiger Rausch

Drogen können Wirkungen haben, die auch erfahrene Konsumenten überraschen. Das kann an absichtlichen oder versehentlichen Überdosierungen liegen oder an der Zusammensetzung der Dosis. Viele Betäubungsmittel werden mit Streckmitteln versehen; der Wirkstoffgehalt ist für den Konsumenten nicht ersichtlich. Woran es im konkreten Fall gelegen hat, dass die Drogen eine dem Angeklagten zufolge ungewohnt heftige Wirkung hatten, sei aber für die Verhandlung nicht wichtig, befand der Richter.

Sein Rausch hatte auch am folgenden Tag noch erhebliche Auswirkungen. „Ich habe ihn in acht Jahren noch nie so erlebt“, fasste die Lebensgefährtin des Angeklagten zusammen. Aufgrund wirrer Textnachrichten habe sie sich damals aufgemacht, ihren Freund in Winterberg abzuholen. Sie fand ihn halb nackt auf dem Parkplatz eines Discounters. „Die Polizei hatte meine Hose als Beweisstück behalten und mir eine Art Papierhose gegeben“, erklärte der Hallenberger. „Aber die löste sich nach einer Weile auf.“

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Seine Freundin schilderte dann auch, wie ihr Lebensgefährte am Abend zuvor in das Auto und dieses an die L740 gekommen sei: Sie seien zusammen dort vorbeigekommen, als ihr Auto gestreikt habe. Sie habe es daher abgestellt und sich zu Fuß auf den Weg zu einer Bushaltestelle gemacht, um nach Hause zu fahren. Ihr Freund sei für den Marsch zu müde gewesen und habe im Auto übernachten wollen. Ihren später von ihm demolierten Wagen brauche sie zwar eigentlich dringend für die Arbeit, habe ihn bis heute aber nicht reparieren lassen. Dafür sei das Geld zu knapp.

Das Urteil fiel ohne jede Bedenkzeit: Der Angeklagte hatte kaum das ihm zustehende letzte Wort beendet, da bat der Richter schon alle Anwesenden im Saal auf die Füße und verhängte fünf Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Damit folgte er dem Antrag des Staatsanwalts. Diese Härte hatte der 40-jährige Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes nicht zuletzt früherem Bewährungsversagen und seinen zehn Vorstrafen zu verdanken. Auch bei der Tat im Mai hatte er noch unter Bewährung gestanden.

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Da half es auch nichts mehr, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht davon ausgingen, dass der Angeklagte bei der Tat vermindert schuldfähig war. Und auch nicht, dass er einen Arbeitsplatz und eine Lebensgefährtin hat, die während der Urteilsverkündung hörbar weinte. „Ich möchte nicht ins Gefängnis“, hatte der Angeklagte zuvor gesagt. Er werde es „diesmal besser machen“ und für seine Freundin werde es schwer, die Miete allein zu zahlen, sollte er in Haft müssen. Aber bei seiner Vorgeschichte zählten diese Einwände und Versprechen nicht mehr.