Brilon. Auf der Führung mit Achtsamkeitstraining erkunden Teilnehmer Wildkräuter, klares Wasser und die Kraft der Bäume.
Was ist ein Sauerland-Seelenort und was macht ihn so besonders, dass man an ihm Kraft tanken kann? Seelenorte sind Stätten der Stille, Oasen der Ruhe und Besinnung, die man bewusst wahrnehmen sollte. Etwas für die Seele.
„Wenn ich in den Wald gehe und mir vornehme: Heute spüre ich Ruhe und Sinneswahrnehmungen, dann klappt das nicht“, erklärt Landschaftscoach Sigrid Bork vom Kneipp-Verein Brilon-Olsberg den zehn Teilnehmern – darunter Touristen aus Köln und dem Münsterland – die einen „Spaziergang zu den Almequellen als Tankstelle für Sinneswahrnehmungen“ machen wollen. „Wer so fokussiert ist, stört den Entschleunigungsvorgang. Aber ich habe eine Strategie, wie ich euch aus dem Alltag hole.“
Enorme Kräutervielfalt
Die Gruppe bricht am Almer Ententeich auf und steht bald vor einer Wiese voller blühender Wildblumen und Kräuter, man riecht die Natur. Mit Entspannungsübungen stimmt Sigrid Bork auf das Entschleunigungsprogramm ein. Über drei Kilometer erleben die Teilnehmer dann die eindrucksvolle Natur an Orten der Stille. Sie halten immer wieder inne, um die besondere Atmosphäre, die Ruhe, Stimmung und Lebendigkeit dieses Ortes wahrzunehmen und bei kurzen Meditation innezuhalten.
Plötzlich wird die Stille durch Plätschern unterbrochen. Die Gruppe ist am aufgestauten Alme-Quellteich mit seinen 104 Quellaustritten angekommen, die das Quellgebiet der Alme speisen und dabei durchschnittlich 800 Liter Wasser pro Sekunde ausschütten. Eine Märchenlandschaft.
Das glasklare Wasser sieht durch den dichten grünen Entengrützeteppich aus wie ein 3-D-Bild. Verwunschen wirkt dieser wunderschöne große Teich ganz versteckt im Wald. Enten planschen und schauen neugierig zu den Wanderern. Auch der Almeteich ist Quelle. Die Almequellen haben immer sehr kaltes Wasser, in das Kneippende gern hineingehen. Um das gefahrlos zu ermöglichen, sind im Uferbereich Steinplatten verlegt.
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Nur wenige Schritte weiter wird aus der Alme ein laut plätschernder Bach. Von weither klingt leises Vogelgezwitscher durch den Wald. „Schließen Sie die Augen. Was nehmen Sie jetzt wahr?“, ermuntert Sigrid Borg. Ruhe, Windstille, Wasserrauschen, hohe Luftfeuchtigkeit. „An diesem Kraftort riecht man die harzigen Duftstoffe, welche die Bäume aussenden, um sich gesund zu machen und uns auch“, erklärt die Landschaftsexpertin. „Man sollte die Augen schließen und den wohltuenden Duft bewusst durch die Nase einatmen. Durch bewusste Atmung kann man viel erreichen.“
Der Quellbereich ist ideal für Übungen zum Entspannen der Augen. „Weit hinausgucken, die Augen schweifen lassen… dann die Augen schließen, um mit den anderen Sinnen die Eindrücke wahrzunehmen und zu vertiefen.“
Den Augen Erholung gönnen
Früher habe der Mensch mit den Augen die Ferne nach einem Buschwerk abgesucht, in dem er sich verstecken konnte, falls der Säbelzahntiger kam. Heute finde er die größte Erholung dort, wo Baume, Büsche und Wiesen sind. Bei der Achtsamkeit gehe es um alle fünf Sinne: Sehen, Schmecken, Riechen, Hören und Tasten. „Diese kann man gut koppeln mit Koordination und Gleichgewicht.“
Der Mehrgenerationenweg im tiefen Mühlental führt vorbei an Wiesen mit enormer Kräutervielfalt und botanischen Besonderheiten wie dem Pyrenäenkraut. „Wenn die Sonne scheint, herrscht hier ein unglaubliches Gesumme von Hummeln und Bienen.“
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Sigrid Bork baut auch Qigong-Übungen in den Spaziergang ein, eine uralte chinesische Methode, um durch Atmung und gezielten Bewegungsfluss einen Gleichklang von Körper, Seele und Geist zu erzielen. „Wenn man das morgens fünf Minuten macht, ist alles gut durchblutet.“ Auch das Ein- und Ausatmen, rät sie, solle jeder morgens vor einem Spiegel üben und dabei die Arme weit öffnen wie ein Buch.
Auch der Rundweg über den sanft auf und ab verlaufenden Waldweg um die Quellen herum bringt unvergessliche Eindrücke. Die Waldexpertin weist auf Natur-Highlights hin, wie einen mächtigen Baum, dessen Wurzeln sich durch den Felsen gegraben haben.
Wildkräuter für die Gesundheit
Sie gibt auch Tipps, wie man Wildkräuter für die Gesundheit nutzen kann. Zum Beispiel die große Klette: „Die innere Säurekapsel in Öl vier Wochen ziehen lassen. Das wirkt so ähnlich wie Ibuprofen.“ Und Rotklee sei grandios und gesund im Salat.
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Am Ende der Exkursion nimmt Sigrid Bork alle noch einmal mit auf eine Gedankenreise zum Element Wasser und zum Anfang und Ende der Menschheit. „An einer Quelle möchte man sofort trinken und fühlt sich gleich frisch und klar, wie neu geboren. Wo Wasser ist, entspringt auch Leben.“
Die Entstehung der Almequellen
Es gibt 43 besondere Orte in den Sauerland-Wanderdörfern, die „Sauerland-Seelenorte“. Das sind zum Beispiel besondere Felsen, Steinbrüche, Bergkuppen, Täler, Kapellen, mächtige Bäume, Grotten und Seen. Seelenorte sind Stätten der Stille, Oasen der Ruhe und Besinnung, die man bewusst wahrnehmen sollte. Sie berühren die Menschen emotional und spirituell, man kann abschalten und zur Ruhe kommen.
Auch das Quellgebiet der Alme gehört zu den Seelenorten. Einfach auf eine Bank am Teichrand setzen und die Ruhe und gleichzeitig das sprudelnde Leben der Quellen an diesem Kraftort auf sich wirken lassen. Das Almetal liegt am Rand der Briloner Hochfläche, die in der Tiefe aus Massenkalk besteht. Als sich hier vor 350 Millionen Jahren ein Meer erstreckte, lagerte sich der Kalk abgestorbener Meereslebewesen wie Korallen ab.
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Da Kalk auswaschbar ist, wurde das Gestein im Inneren rissig und Regenwasser sammelte sich darin unterirdisch, nachdem das Meer verschwunden war. Im Mühlental staute sich das Wasser an einer Schicht aus wasserundurchlässigem Schiefer und tritt als Almequellen zutage.