Titmaringhausen. Auf dem Krutenberg bei Titmaringhausen liegt einer der Sauerländer Seelenorte. Zwei sehr unterschiedliche Wegabschnitte führen nach oben.
Fragt sich, wie vielen Seelen man in diesen Corona-Tagen begegnet auf dem Weg zu einem Seelenort. An diesem Tag bleibt der Zählerstand bei Null – zählt man nicht das aufgeschreckte Reh, die rotbraunen Rinder auf den Weiden und den im Geäst verborgenen Vogel dazu, der sich anhört, als ob ein Reißverschluss schnell zugezogen würde. Ein idealer Ort also für alle, um sich in diesen Corona-Tagen eine Weile zurückzuziehen. Vielleicht sogar einen neuen Blickwinkel zu finden.
Der Weg auf den Krutenberg führt von Titmaringhausen aus zunächst durch Wald. Es pfeift die Meise, es springt das bereits erwähnte Reh, überall grünt es, blüht es. Viele Kurven, Geräusche und Farben machen den Weg interessant, ziehen den Wanderer mühelos vorwärts.
Berührende Orte
Der Tourismusverband hat im vergangenen Jahr 43 Sauerland-Seelenorte vorgestellt, die Wanderer emotional, geistig und spirituell berühren sollen. Fünf der Seelenorte liegen in Medebach, die WP stellt sie in loser Folge vor.
Bereits vorgestellt wurden die „Himmelssäulen“, die Quarzklippen und der Kahlen mit seiner Wallfahrtskapelle. Der fünfte Medebacher Seelenort ist der Freistuhl bei Düdinghausen.
Das ändert sich auf dem zweiten Abschnitt. Der Weg wird – für Sauerländer Verhältnisse – gerade. Die Bäume bleiben zurück, nur noch Wiesen und Weiden säumen den Weg. Beständig geht es bergauf. Das bereits sichtbare Ziel scheint trotz gleichbleibenden Tempos kaum näher zu rücken.
Vom lieblichen Frühling weiter unten im Tal ist nicht mehr viel zu spüren. Mit dem Zurücklassen der Bäume nimmt der seit Tagen fegende Ostwind an Stärke zu und schluckt alle anderen Geräusche. Nur noch ein gleichförmiges Rauschen ist zu vernehmen.
Weg öffnet den Blick
Es fällt nicht schwer, diese zweite Etappe als ein Sinnbild zu deuten für die gleichförmigen, kontaktarmen Tage ohne gewohnte Ablenkungen, von denen nun schon einige hinter und vermutlich noch viele vor uns liegen.
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Weiter unten bei Singvögeln und jungem Grün, wo hinter jeder Kurve eine Überraschung warten konnte, war es netter. Aber wer auf den Berg will, muss eben den ganzen Weg gehen.
Dieser zweite Abschnitt öffnet auch den Blick dafür, dass man sich trotz blühender Wiesen und weiten Panoramas nicht in einer Idylle bewegt. Denn was blüht dort? Praktisch nur Löwenzahn und Gänseblümchen.
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Alte Menschen behaupten oft, früher habe man Müttern zum Muttertag einen bunten Strauß Blumen am Feld- oder Wiesenrand pflücken können. Heutzutage würde der Strauß ziemlich monoton ausfallen. Unübersehbar sind auch die Schäden, die zwei trockene Sommer in Folge in die Landschaft geschlagen haben. In jeder Richtung sind vom Borkenkäfer zerstörte Fichtenbestände zu erkennen, teilweise noch stehend, teilweise schon abgeholzt.
Der Regen fehlt
Wie mag es in diesem Jahr weitergehen? Ein April fast ohne Regen und Wolken, dazu der rauschende Wind, der doch dem Boden ebenfalls Feuchtigkeit entziehen muss. Fichten sind nach wie vor viele da. Schaffen die das?
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So schön die Aussicht ist, so sehr drängt sich die Erkenntnis auf, dass der Wanderer sich nicht wirklich in der Natur aufhält. Die meisten modernen Wälder, Weiden und Wiesen sind auf ihre Art Industriegebiete, wenn auch unbestreitbar viel schöner anzusehen als andere.
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Dass der Gipfel des Krutenbergs als Ziel nicht näherkommt, bleibt eine Illusion. Einmal angekommen, öffnet sich eine Aussicht bis weit ins Hessische. Es ist schön. Zwei neue Sitzbänke und ein Tisch sind aufgestellt, eine kleine Pause bietet sich an. Doch der Abstieg erhöht die Vorfreude auf seit Langem vermisste Abwechslung am Wegesrand. In Alltag und Natur.