Brilon/Olsberg. Während Corona klatschen die Menschen für sie. Warum Pflegekräfte aus Brilon und Olsberg jetzt so frustriert sind.

In den letzten Monaten ist viel geklatscht worden. Von Balkonen aus. Für Pflegekräfte. Es ist auch viel geredet worden – von Wertschätzung und von systemrelevanten Berufen und wie man diese unterstützen kann. Jetzt, während die Coronazahlen nicht mehr so heftig ansteigen und für viele Menschen ein fast normaler Alltag herrscht, arbeiten Corinna Spaniol und Ariane Bücker-Eren immer noch in systemrelevanten Berufen – an der Front. Im April, in der Hochphase des Lockdowns, haben wir mit der Stationsleiterin des Maria Hilf und der Pflegekraft des Erikaneums über ihren Beruf gesprochen, über Corona und ihre Ängste und über die Wertschätzung, die sie erhalten haben. Jetzt, nach dem Lockdown, haben wir nachgefragt, wie es ihnen geht und ob die Euphorie noch anhält.

Corinna Spaniol gibt offen zu: Sie hatte Angst

„Ich hatte Angst vor dem, was kommen wird“, sagt Corinna Spaniol ehrlich. Sie ist Stationsleiterin der Inneren Medizin im Krankenhaus Maria-Hilf in Brilon – und zuständig für die Isolierstation, wo die Patienten mit COVID-19 behandelt werden. Sie sagt auch: „Wir haben Glück gehabt.“ In den letzten Wochen und Monaten hat sie in einer Ausnahmesituation gearbeitet. Ihr Alltag hat sich verändert. Sie und ihre Kolleginnen müssen sich mehr schützen denn je. Eine ganze Station wurde für die Corona-Patienten vom Rest des Krankenhauses abgeschnitten. Doch die Lage entspannt sich seit April, seit dem letzten Gespräch mit Corinna Spaniol. „Aktuell sind es nur noch vier Zimmer, die wir für Verdachtsfälle freihalten“, sagt sie. Zwar müsse sie noch immer permanent im Krankenhaus eine Maske tragen, aber es sei Alltag eingekehrt. Neue Normalität also? „Wir gewöhnen uns an Corona“, sagt sie.

Ihr geht es gut, sie ist gesund geblieben. „Ich bin nicht mehr ganz so ängstlich wie vorher, als man nicht wusste, wie schnell die Coronazahlen steigen. Das Virus ist nicht mehr unbekannt, man weiß, was man tun muss.“ Corona ist jetzt „täglich Brot“ wie sie es ausdrückt.

„Alles was gesagt wurde, war eher heiße Luft“

Wenn sie an das Klatschen denkt, die großen Worte und die Euphorie, sagt sie: „Das ist ganz schnell verflogen.

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Alles ist genauso wie vorher. Das ist schade!“ Sie hofft, dass sich jetzt, nachdem sich die Masse für die Pflegekräfte erhoben habe, etwas generell im Gesundheitssystem ändert. Dass die Löhne aufgestockt werden. „Aber alles, was gesagt wurde, war eher heiße Luft. Die Menschen sollen wissen, dass der Virus, der für sie vor ein paar Wochen noch präsent war, für uns noch da ist. Dass die Krise, die für sie nicht mehr akut ist, seit das Leben durch die Lockerungen weitergeht, für uns noch präsent ist“, sagt Corinna Spaniol.

Pflegekraft im Erikaneum muss nicht mehr Friseurin spielen

„Fußpflege und Friseur dürfen wieder ins Haus – Gott sei Dank.“ Das erzählt Ariane Bücker-Eren als erstes, wenn man sie fragt, was sich seit dem letzten Gespräch im April geändert hat. Damals sagte sie: „Ich musste oft Friseur spielen. Viele Bewohnerinnen haben ja noch eine Dauerwelle. Wenn wir die Haare waschen, sehen die hinterher aus wie ein nasser Pudel.“ Jetzt seien die Bewohnerinnen und Bewohner im Erikaneum Seniorenheim in Olsberg wieder zufriedener. Nicht zuletzt, weil Besuch unter Auflagen wieder möglich ist. „Die Bewohner dürfen wieder mit ihren Angehörigen die Einrichtung verlassen, natürlich unter den geltenden Hygienevorschriften. Das tut gut, denn die Corona-Bestimmungen haben es für einige sehr schwer gemacht“, sagt die Altenpflegerin. Manchmal, wenn ein Sohn mit Maske hinter der Schutzscheibe auf seine Mutter gewartet hätte, hätte die sich abgewandt. Hätte ihn nicht erkannt. „Jetzt, ab dem 1. Juli, dürfen wir wieder Besuch auf den Zimmern empfangen, dann können die Bewohner wieder ihre Familien in den Arm nehmen, allerdings auch hier nur unter Einhaltung der geltenden Hygieneregeln. Ich hoffe nur, dass sich alle Angehörigen an die Bestimmungen halten und auch mit leichten Erkältungssymptomen nicht in unser Haus kommen“, sagt Ariane Bücker-Eren.

Ariane Bücker-Eren hat Bauchschmerzen, wenn sie an die Lockerungen denkt

Sie hat Bauchweh, wenn sie an die Öffnung denkt. „Es gibt immer jemanden, der die Maßnahmen nicht beachtet.“ Sie und ihre Kollegen haben sich akribisch an die Beschränkungen gehalten. Niemand von ihnen ist krank geworden. Kein Bewohner des Erikaneum hat das Corona-Virus bekommen. Trotzdem ist der Alltag in der Seniorenresidenz noch immer anders als zuvor. Gegessen wird separiert, Freizeitangebote werden nicht mehr in Gruppen angeboten.

Wertschätzung durch Angehörige

„Ja, die Wertschätzung ist da“, sagt Ariane Bücker-Eren.

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Karten und Süßigkeiten von Angehörigen, die sich bedanken, dass sie und ihre Kollegen sich um die Eltern kümmern. Die Wertschätzung in Gesellschaft und Politik, die sich zu Beginn der Corona Krise mit dem Applaus der Bevölkerung gezeigt habe, sei allerdings mit dem Klatschen verschwunden. Die Pflege werde nicht mehr wertgeschätzt als zuvor. „Das merkt man. Man findet kaum noch Personal für Pflegeberufe, dabei ist es schön, Menschen ihren letzten Weg zu verschönern“, sagt sie. Selbst diejenigen, die erst nicht freiwillig kommen, fühlen sich oft wohl. „Aber schon während meiner Ausbildung war der Pflegenotstand Thema – und die ist 18 Jahre her.“ Sie lacht. Nimmt es entspannt. „Das ist leider so, weil das Leben eben so ist.“

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