Winterberg. Den Betrieben Luft zum Atmen geben. Wie Winterberg mit der Fremdenverkehrsabgabe umgeht und wie es um den Tourismus steht.
Die Stadt Winterberg verzichtet in diesem Jahr auf 200.000 Euro Einnahmen aus den Fremdenverkehrsbeiträgen. Sie erklärt sich bereit, der angeschlagenen Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH (WTW) im Bedarfsfall 100.000 Euro als Liquiditätsspritze beizusteuern. Und sie will Gastronomen und Einzelhändlern schnell und unbürokratisch die Möglichkeit einräumen, Flächen vor ihren Betrieben vorübergehend als Terrasse oder Einzelhandelsfläche zu nutzen.
All das hat der Rat am Donnerstagabend beschlossen. Hinter all dem stecken Corona und die Folgen. Denn der Lockdown dürfte keine andere Kommune im Altkreis derart hart getroffen haben wie Winterberg: Eine Gästedestination, die wochenlang keine Gäste hatte, ein gut bestellter Acker ohne jegliche Ernte...
Situation ist angespannt
Wie angespannt die Situation ist, macht der Halbjahresbericht deutlich, den der Geschäftsführer der Touristik und Wirtschaft GmbH, Michael Beckmann, den Stadtvertretern vorlegte. Vom 17. März bis 11. Mai gab es demnach in den Betrieben der Ferienregion Winterberg und Hallenberg keine einzige Übernachtung. Großveranstaltungen wie der Snowboard-Weltcup wurden abgesagt. Da die Leistungsentgelte aus den Kurbeiträgen die entscheidende Einnahmequelle sind, fielen alle Umsätze für die WTW komplett weg. Inzwischen wurden mehrere Notwirtschaftspläne aufgestellt, 13 Mitarbeiter sind derzeit noch in Kurzarbeit.
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Zum jetzigen Zeitpunkt rechnet die WTW für das Jahr 2020 mit Mindererlösen in Höhe von 630.000 Euro. Beckmann: „Daher werden im Laufe dieses Jahres aufgrund der aktuellen dynamischen Entwicklung weitere angepasste Wirtschaftspläne aufgestellt werden müssen.“
Mit dem Finanzamt gab es Gespräche, um die Umsatzsteuervorauszahlungen anzupassen und in Raten zu zahlen. Mit der Sparkasse Hochsauerland wurde eine Verlängerung der Kredit-Laufzeiten vereinbart, so dass die Tilgungsleistung für 2020 ausgesetzt wurden. Zahlungen an die Verkehrsvereine wurden angepasst.
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Mit der RLG wurde eine Veränderung der Zahlungsmodalitäten bei der Sauerland Card („kostenloses Bus fahren“) verabredet. Die variablen Kosten der WTW auf der Aufwandseite wurden, wo vertraglich möglich, um 600.000 Euro gekürzt. Trotz allem hofft Michael Beckmann, bis zum Jahresende noch knapp 58 Prozent der ursprünglich vorgesehenen Einnahmen zu realisieren. Das wären 735.000 Euro.
Auch Stundung möglich
Unverschuldet und trotzdem sehr hart trifft diese Misere aber in vorderster Linie die Hoteliers und Gastronomen. Daher beantragte die CDU, die im Haushalt eingeplanten Einnahmen aus der Fremdenverkehrsabgabe für dieses Jahr von 700.000 auf 500.000 Euro zu senken. Fraktionsvorsitzender Joachim Reuter: „Von Betriebsschließungen sind auch Unternehmen in unserer Stadt betroffen. Die Reduzierung des Fremdenverkehrsbeitrages kann daher helfen, Unternehmen in dieser schwierigen Zeit zu schützen, Luft zum Atmen zu geben und damit Arbeitsplätze zu sichern. Bei Unternehmen, die nicht wie andere von der Corona-Krise betroffen sind, setzt die Senkung des Fremdenverkehrsbeitrages lmpulse für Investitionen frei.“
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SPD-Fraktionsvorsitzender Torben Firley sah die Problematik, sprach sich aber gegen das „Gießkannenprinzip“ aus. „Einige sind stark betroffen, andere – wie zum Beispiel Handwerksbetriebe – weniger.“ Die Lage sei dynamisch und könne sich schnell ändern. Er schlug vor, auf den Einzelfall zu schauen und Unternehmen auf Antrag die Zahlung zu stunden. „Es geht mir nicht darum, den Betrieben nicht helfen zu wollen. Aber ich vermisse auch den Vorschlag der CDU zur Gegenfinanzierung.“ Bernd Kräling (FDP) war der Meinung, im Antrag der CDU seinen eigenen Vorschlag im Rahmen der Haushaltsdebatte wieder zu erkennen. Sven-Lukas Deimel (CDU) erklärte: „Wir reden von einer Fremdenverkehrsabgabe. Aber Fremdenverkehr hat zum Großteil noch gar nicht stattgefunden.“ Dies sei eine Form der Wirtschaftsförderung.
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Mit 17 Ja-, 11 Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde der CDU-Antrag zur Reduzierung der Abgabe verabschiedet. Außerdem schaffte der Rat zumindest formell die Voraussetzungen dafür, den Beitrag auch 2021 reduzieren zu können.