Altkreis. In welcher Stadt fühlen sich die Menschen am wohlsten? Wer bekommt in Sachen Wohlfühlen die Bestnote? Der Heimatcheck gibt Antworten,
Über so einen Notendurchschnitt würde sich mancher Abiturient freuen. Von 1,76 bis 2,27 (siehe Gesamtnote in der Grafik) liegen die Bewertungen aus allen sechs Altkreisstädten ganz dicht beieinander. Klare Ansage: Wir Menschen im Hochsauerland leben gerne hier. „Paradies!“, hat es ein Leser beim Ausfüllen des Heimatchecks auf den Punkt gebracht. Und gerade jetzt in Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie wichtig eine intakte Natur, verlässliche Menschen, ein soziales Netz, eine funktionierende Infrastruktur und das Gefühl des Geerdetseins sind. Vielleicht liegt der Wohlfühlfaktor aber auch darin begründet, dass wir in einer Region leben, in der andere Urlaub machen?
Jeder Cent für den Tourismus ist auch ein Cent für den Bürger
Klassenprimus mit der Note 1,76 ist die Stadt Medebach mit jährlich 850.000 Übernachtungen: „Ich glaube definitiv, dass es einen Zusammenhang zwischen dem sehr positiven Wohlfühl-Ergebnis und unserer gut aufgestellten Ferienregion gibt“, sagt der Medebacher Wirtschaftsförderer Michael Aufmhof. Jeder Cent, der unter dem Dach der Touristik GmbH in die touristische Infrastruktur Medebachs fließe, sei auch eine Investition für alle Bürger. „Ein gutes Beispiel ist unser Spielberg Aventura. Dort treffe ich nicht nur Urlauber, sondern auch viele Einheimische und vor allem Familien, die das Angebot gern annehmen“, so Aufmhof. Rund 1,75 Millionen Euro wurden in den vergangenen fünf Jahren in das Projekt investiert – Geld, das über die Gästeabgabe in die Touristik-GmbH gelangt und dann für solche Ideen genutzt wird.
Hinzu kommen gut ausgebaute Wanderwege oder Mountainbike-Trails. Die muss man für Urlauber vorhalten, die nutzen aber auch die Bürger gern. Oft werden auch Vereine tätig, die Angebote für ihre Mitglieder und ebenso für Gäste schaffen und unterhalten. Nur ein Beispiel: ein neuer vorübergehender Fitnessparcours, den der Sportverein angelegt hat oder ein Schnitzeljagd-Parcours am Weddel durch die Kindergärten initiiert.
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Auch wenn der Aspekt noch in einem anderen Bereich des Heimatchecks eigens bewertet wurde, wirft der Medebacher Wirtschaftsförderer ein weiteres Stichwort in den Raum: „Gemeinschaftsgefühl.“ Die 875-Jahr-Feier in 2019 oder auch die Unterhaltung zahlreicher Spielplätze durch Interessensgemeinschaften zeigten, wie gut Gemeinschaft in der alten Hansestadt und ihren Dörfern funktioniere.
Wachstumspotenzial
Im Gastgewerbe sieht Michael Aufmhof durchaus noch Wachstumspotenzial. Ein, zwei Hotels bzw. größere Übernachtungseinheiten oder auch Restaurants könne die Stadt noch vertragen, ohne dass die Konkurrenz untereinander zu groß werde – und auch davon würden wieder Gäste wie Einheimische profitieren.
Aber bei allen Zuwachs-Überlegungen sei es wichtig, Wachstum mit Ansprüchen und Erwartungen der Bürger in Einklang zu bringen, die ständig hier leben. So müsse z.B. bezahlbarer Wohnraum auf Dauer garantiert sein. Die Stadt plant gerade die Ausweisung eines Neubaugebietes mit 50 Plätzen. Die Nachfrage ist groß. Aufmhof: „Das, was Gäste aus den Ballungsräumen hier suchen und was unsere ständigen, manchmal von uns nicht mehr wahrgenommenen Begleiter sind, müssen wir erhalten: Ruheoasen, einzigartige Naturräume, Abwechslung, Unbeschwertheit, Sicherheit.“
Großer Spagat
Diesen Spagat hinzubekommen, ist gar nicht so einfach. Nur wenige Kilometer entfernt in Winterberg sieht es beim Preisniveau und bei der Verfügbarkeit von Wohnraum zumindest in der Kernstadt schon anders aus. Außerdem bereiten die Verkehrsströme vor allem in Spitzenzeiten der Wintersportsaison inzwischen erhebliche Probleme. Trotz dieser Begleiterscheinungen geben die Winterberger sich eine klare und gute 2,09 bei der Wohlfühl-Bewertung.
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Tourismusdirektor Michael Beckmann auf Nachfrage unserer Zeitung: „Die Einführung der Bürgercard im vergangenen Jahr ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Bürger auch ganz bewusst das große Freizeitangebot unserer Region mitnutzen können und sollen.“ Auch für ihn bedeutet die ausgeprägte touristische Infrastruktur einen Mehrwert für jeden Bürger. Ohne die große Gästezahl wäre z.B. das Angebot an Geschäften und gastronomischen Betrieben auf vergleichsweise kleinem Raum weitaus geringer. Die Ferienwelt Winterberg verschließe aber auch nicht die Augen vor den Problemen Wohnraum und Verkehr. Daran arbeite man. Es gehe daher in der Zielsetzung auch längst nicht mehr um touristisches „Schneller, weiter, höher“, sondern um Lebensraum-Entwicklung und um Wertschöpfung. Der Bürger könne schlussendlich auch nur dann gastfreundlich bleiben, wenn er den Gast nicht als Konkurrenten, sondern willkommenen Partner in einem gemeinsam wertgeschätzten Lebensraum sehe.
Wirtschaftsförderung und Infrastruktur
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Für Rüdiger Strenger, Tourismus Brilon Olsberg GmbH, gibt es „ganz eindeutig“ einen Zusammenhang zwischen hohem Wohlfühl-Faktor und touristischer Infrastruktur. „Ob das ein Kurpark ist oder die Mountainbike-Strecke - davon profitieren doch Urlauber wie Einheimische gleichermaßen.“ Manches Projekt, das im Rahmen der Wirtschaftsförderung angestoßen werde, diene der weiteren Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus. Es sei somit Motor für Weiterentwicklungen und komme letztlich natürlich auch den Bürgern in Olsberg und Brilon zugute. Als weiteres Beispiel nennt er die Buslinien: „Dank Sauerlandcard werden die Busse vor allem in der touristischen Hochsaison rege genutzt. Von guten und verlässlichen Taktungen profitiert die ganze Region.“ Der Urlauber, der das Hochsauerland von außen betrachte, sehe manchmal die Vorzüge einer Region deutlicher als derjenige, der immer dort wohnt. „Im Vergleich zu Orten vergleichbarer Größe müssen wir uns nicht verstecken. Das gilt auch für das ausgesprochen große Kulturangebot.“ Und nicht zu vergessen die Sport- und Entspannungstätten wie z.B. das Aqua in Olsberg.
Marsberg hat in puncto Übernachtungszahlen die Nase nicht ganz vorn Aber die ausgesprochen günstige Verkehrslage durch unmittelbare Autobahnanbindungen spielt der Stadt an der Diemel durchaus in die Karten. Wohlfühlnote: 2,27 - die „schlechteste Bewertung aus allen sechs Städten, sofern man bei dem Wert überhaupt von „schlecht“ reden kann. Trotzdem spielt vielleicht die wirtschaftliche Lage der Kommune eine Rolle. „Aufgrund der finanziellen Situation unserer Stadt musste in den vergangenen Jahren manches leider zurückstehen“, bedauert Michaela Schröder, Geschäftsführerin Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung Marsberg. Aber: „Derzeit arbeiten wir mit allen Mitteln und Kräften an der Qualitätssteigerung der bestehenden Angebote und der Schaffung Neuer.“
So seien in den vergangenen Jahren erhebliche Mittel u. a. in den Ausbau des Diemelradweges investiert worden. Michaela Schröder: „Neben all den verschiedenen Angeboten rund um das Thema Wandern und Radfahren ist der Diemelsee wohl der größte Besuchermagnet. Und hier haben wir im letzten Jahr unsere Hausaufgaben gemacht und herausgearbeitet, was rund um den See noch zu tun ist.“
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Auch die geplanten Maßnahmen rund um den Ausbau im Bereich der Sportanlagen in Marsberg würden sowohl den Besuchern als auch den Bewohnern entgegenkommen. Ebenso die zahlreichen Projekte aus dem bürgerlichen Engagement. Hier nennt sie beispielhaft die Bürgerwiese, den Ausbau des städtischen Museums in Obermarsberg oder den Pavillon in Giershagen . „Weitere Projekte sind auch hier in der Pipeline“, so die Geschäftsführerin weiter: „Was uns touristisch helfen würde, wären weitere Bettenkapazitäten, die den Erfolg der Maßnahmen auch zählbar und sichtbar machten.“
Falls Sie in der Grafik die Ergebnisse zur 14. Frage „Digitale Infrastruktur“ vermissen: die verraten wir erst zum Serienende.