Brilon/Meerhof. Eine Winkraft-Ruine im Großwindpark bei Marsberg im HSK verrottet. Der Investor verschwindet spurlos. Es ist eine Geschichte wie aus einem Krimi.

Zum ersten Mal tritt ein, was Windkraft-Gegner schon lange befürchten: Ein Öko-Investor lässt sein Windrad verrotten und macht sich aus dem Staub. Am Amtsgericht Brilon steht die Zwangsversteigerung einer derartigen Energie-Ruine an.

Eigentümer ist Michael B., ursprünglich aus Salzkotten. Der Aufenthaltsort des 65-Jährigen ist allerdings unbekannt. Auch die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld ist schon seit Jahren hinter ihm her.

1999 hatte der Hochsauerlandkreis die Enercon E 40-Anlage im Norden der Windvorrangzone, etwa einen Kilometer westlich des Autobahnanschlusses, genehmigt - mit einer Nabenhöhe von 65 Meter und einem Rotordurchmesser von 40 Metern ein Zwerg gegenüber den mehr als doppelt so hohe Riesen, die derzeit im Rahmen des Repowerings dort überall in den Himmel wachsen. Die 500 kW-Anlage liefert allerdings schon seit 2013 keinen Strom mehr.

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Verkehrswert liegt bei 0,00 Euro.

Vor zwei Jahren ließ der Hochsauerlandkreis per Ersatzvornahme die drei Rotorblätter demontieren. HSK-Sprecher Jürgen Uhl: „Die Rotorblätter drohten abzustürzen, und der Betreiber war nicht auffindbar.“ Kosten: rund 32.000 Euro. Der Kreis ist jedoch nicht Betreiber der Zwangsversteigerung. Das soll nach WP-Informationen ein Kreditinstitut aus Süddeutschland sein.

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Das Windrad steht auf einem 3005 Quadratmeter großen Grundstück. Das besteht aus der schlauchförmigen Zufahrt und einem ziemlich exakt dem Rotordurchmesser entsprechenden Kreis rund um den Mast. Der gutachterlich ermittelte Verkehrswert ist bemerkenswert: 0,00 Euro. Ein Repowering kommt, so das Fachgutachten, an diesem Standort wegen der mittlerweile erforderlichen größeren Abstandsflächen zu den bereits errichten beziehungsweise genehmigten modernere Hochleistungsanlagen jüngster Generation nicht in Frage.

Windräder damals nach Baurecht genehmigt

Andererseits sagen die Experten, dass die durch die Verdichtung entstehenden Turbulenzen „hohe Lasten“ auftreten, die die Lebensdauer der Altanlage „entscheidend verkürzen“. Bleibt also der Rückbau der Anlage. Auch dessen Aufwand haben die Gutachter ermittelt. Rund 72.000 Euro sollen die Demontage des Turms, die Beseitigung des 130 Kubikmeter starken Betonfundaments und der Rückbau der rund 1000 Quadratmeter großen Zufahrt kosten. Immerhin könnten sich für die „toffliche Verwertung“ des technischen Equipments noch etwa 15.000 Euro erlösen lassen.

Die freigeräumte Fläche kann danach, so das Gutachten, „wieder vollständig und ohne Einschränkungen landwirtschaftlich genutzt“ oder aber zum dreifachen Preis „als Ausgleichsfläche und zukünftige Freihaltefläche herangezogen“ werden. Doch selbst dann käme nur ein Grundstückswert von 23.400 Euro zusammen.

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Wie der Hochsauerlandkreis auf Anfrage der WP sagte, sind die Windräder damals nach Baurecht genehmigt worden. Heute gibt das Bundesimmissionsschutzgesetz das Verfahren vor. Darin seien heute auch Rückbauverpflichtungen verankert, etwa durch Bürgschaften.

Warum Michael B. die Anlage schon 2013 außer Betrieb nahm, obwohl die damals Einspeisevergütung erst in diesem Jahr endet, ist nicht bekannt. Aktenkundig indes sind seine Geschäftsmethoden. Gleich dreimal befasste sich das Landgericht Paderborn mit einem Millionenbetrug rund um ein Windparkprojekt im Raum Schwäbisch-Hall.

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Dort hatte B. mit einer seiner zahlreichen Energie-Gmbhs ein 23-Millionen-Euro-Projekt angestoßen. Sieben Windräder sollten 33 Gigawattstunden Strom liefern. 2009 hatte er das Projekt einer Firma übergeben, die sein ehemaliger Geschäftsführer Mike T. aus Lippstadt gegründet hatte. Dabei sollen Anleger und Unternehmer übers Ohr gehauen worden sein. Die Sache landete vor dem Landgericht Paderborn.

In der Schweiz gemeldet

Auf der Anklagebank saß der Geschäftsführer aus Lippstadt, aber: „Die beiden zeigten sich gegenseitig an“, so Oberstaatsanwalt Günther zur WP. Das Verfahren begann 2013 und ging über drei Runden: In der ersten bekam T. viereinhalb Jahre Haft, in der zweiten vier Jahre und neun Monate und in der dritten wieder viereinhalb Jahre. Jedesmal hatte er Revision eingelegt. Erst im März 2019 zog der Bundesgerichtshof einen Schlussstrich.

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Wie Oberstaatsanwalt Günther sagte, seien bei den meisten Vorwürfe gegen den untergetauchten Michael B. die Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Man wisse, dass und wo er in der Schweiz gemeldet sei. Man habe seine Anschrift auch überprüft, aber: „Er hat dort zwar gewohnt, wir konnten ihn aber nicht antreffen.“ Derzeit seien noch Ermittlungen rund um eine Projekt im Raum Büren anhängig. Günther: „Für einen Haftbefehl reicht es aber nicht.“

Termin der Zwangsversteigerung

Die Zwangsversteigerung des Grundstücks findet Mittwoch, 24. Juni, um 12 Uhr im Amtsgericht Brilon statt. Bieter müssen sich - so die auch in dieser Zwangsversteigerungsanzeige formulierte Standardverfahren vor - ausweisen können und eventuell bei Gebotsabgabe sofort mindestens 10 Prozent Sicherheit vom Verkehrswert leisten. Barzahlung ist nicht möglich. Der Verkehrswert beträgt laut Gutachten allerdings 0 Euro.