Brilon. Brilon ist die waldreichste Stadt Deutschlands. Jetzt schickt die Stadt alle Bekämpfer der Borkenkäfer nach Hause. Das sorgt für Verwirrung.
Einzelne Tagesspitzen bis zur 20 Grad-Marke hat es in diesem Frühjahr schon gegeben, für die nächsten Tage sind stabile Werte jenseits von 16 Grad zu erwarten. Ideales Ausflugswetter für Waldfeind Nr. 1, den Borkenkäfer. Und ausgerechnet jetzt hat die Stadt Brilon die Waldarbeiten eingestellt und alle 17 damit beauftragten Forstunternehmen nach Hause geschickt.
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Angeblich, weil kein Geld mehr vorhanden ist. So jedenfalls will es die Briloner Bürgerliste (BBL) von einer „externen Quelle“ erfahren haben. Deshalb hat sie eine Sondersitzung des Rates beantragt - und bekommt sie wohl auch.
Außerordentliche Sitzung des Rates soll stattfinden
Am Dienstag jedenfalls hat Bürgermeister Dr. Bartsch den Stadtverordneten mitgeteilt, dass er „voraussichtlich" außer der Reihe für den 2. Juni in die Gemeindehalle Alme einladen werde. Am kommenden Mittwoch, 27. Mai, steht das Thema im Forstausschuss auf der Tagesordnung. Dazu arbeitet das Stadtforstamt eine umfangreiche Vorlage aus. Der wollte Stadtforstamtsleiter Dr. Gerrit Bub nicht vorgreifen, und deshalb bestätigte er auf Anfrage der WP lediglich, dass er - wie bereits im Herbst - die externen Forstdienstleister aufgefordert habe, die Arbeiten einzustellen. Und dass es eines "politisches Mandats" bedürfe, um mit der bisherigen Strategie weiter infektiöse Fichtennester aus dem Wald herauszuholen, um die Bestände bestmöglich zu bewahren.
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Hauptbaumart Fichte bringt kaum noch Geld
Dr. Bub: "Wenn nichts machen, dann sieht der Stadtwald bald aus wie der Harz." Der allerdings ist als Naturpark ausgewiesen, und dass dort die Bäume sich selbst überlassen werden, ist gewollt. Wie weit Dürre, Orkane und der Käfer bereits die Bestände geschädigt haben, zeigt das Beispiel Rüthen. Mit 3849 Hektar ist der dortige Stadtwald nach dem Briloner (7750 Hektar) und dem Warsteiner (4841 Hektar) der drittgrößte Kommunalwald Nordrhein-Westfalens.
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Dort ist, so steht es im Forstwirtschaftsplan für dieses Jahr, "fast der gesamte Fichtenbestand" bereits vom Borkenkäfer gefallen. Zu den finanziellen Folgen könnten derzeit "keine belastbaren Aussagen getroffen" werden: "Sicher ist jedoch, dass die bisherige Hauptbaumart Fichte zumindest in den kommenden drei bis vier Jahrzehnten bei den Holzerlösen aus dem Stadtwald keine Rolle mehr spielen wird."
Wirtschaftlichen Druck vom Forstbetrieb nehmen
Das sieht in Brilon ähnlich aus, und deshalb möchte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch "den wirtschaftlichen Druck von unserem Forstbetrieb nehmen". Es gehe darum, einen zukunftsfähigen Wald aufzubauen. Doch der richtige Weg dorthin, sei selbst unter Forstwirtschaftlern umstritten. Mit dem Runden Tisch soll, ähnlich wie nach Kyrill und bei der Neugestaltung der Jagdverpachtung, ein von allen Seiten mitgetragener Konsens gefunden werden. Brachte die Fichte in guten Jahren rund 90 Euro pro Festmeter ein, so lassen sich derzeit angesichts des durch die Waldschäden entstandenen Überangebots nur noch 30 bis 35 Euro erzielen. Diesem Erlös stehen rund 20 Euro Aufbereitungskosten gegenüber.
Meinungen über Strategie gehen auseinander
"Wir dürfen nicht vor Angst in die Büsche springen", sagt Günter Wiese (SPD), Vorsitzender des Forst- und Umweltausschusses. Schließlich gehe es darum, dass seit 1388 gepflegte Waldvermögen der Bürger "nach Möglichkeit zu erhalten". BBL-Ratsfrau Christiane Kretzschmar, die den Antrag für die Sondersitzung verfasst hat, weist darauf hin, dass ihre Fraktion bereits im Rahmen der Etatberatungen darauf angemerkt habe, dass die Kalkulation des Forstbetriebes nicht aufgehen könne und dort sicher 1,5 Millionen Euro mehr aus Haushaltsmitteln benötigt würden.
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Die Sondersitzung hält die BBL für nötig, weil das Zeitfenster für die Bekämpfung des Borkenkäfers auf wenige Wochen im Frühjahr begrenzt sei und die nächste reguläre Ratssitzung erst am 18. Juni stattfinde. Kretzschmar: "Das Holz muss vor dem zweiten Schub aus dem Wald raus." Ihrer Ansicht nach wäre es besser gewesen, wenn der Stadtforst das befallene Holz nicht an Ort und Stelle im Wald aufbereitet, sondern die Stämme in Gänze herausgezogen und in sicherer Entfernung - als Mindestabstand gelten 500 Meter - gelagert hätte. Jetzt liege überall die vom Käfer befallene Rinde - und das Geld sei aufgebraucht.
Ganz pragmatisch sieht es CDU-Stadträtin Karin Bange: Der Fachausschuss müsse entscheiden "ob die bisherige Strategie noch Sinn macht oder ob es ein nicht zu gewinnender Kampf gegen Windmühlen ist."
Und das Thermometer steigt...