Marsberg. Mit dem Projekt „Gute Worte“ hält die Seelsorge der Marsberger LWL-Eintrichtungen per Mail Kontakt. Es ist ein Versuch, in der Krise da zu sein.
Keine Gottesdienste, keine Besuchsmöglichkeiten auf Stationen und Wohngruppen. Die Seelsorge der Marsberger LWL-Einrichtungen steht in der Corona-Krise vor ganz besonderen Herausforderungen, den Kontakt zu Patienten, Nutzern und Beschäftigten aufrecht zu erhalten und entwickelt ein kreatives interaktives Angebot. Im Gespräch mit der WP erklärt die katholische Krankenhausseelsorgerin Hildegard Himmel was dahinter steckt.
Frau Himmel, wie kamen Sie auf die Idee?
Die Idee entstand im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Ich wollte wissen, wie sie damit umgehen, keinen Zugang mehr zu den Stationen und Wohngruppen und damit auch zu den dort lebenden Menschen zu haben. Eine Überlegung war, ein „Paper“ zu erstellen und an die Stationen zu geben. Eine Kollegin hat den Vorschlag gehabt, es „Ein gutes Wort“ zu nennen. Mir gefiel die Formulierung sofort. Ich habe dann mit meiner evangelischen Kollegin Antje Hirland gesprochen, dass wir ein gemeinsames, ökumenisches Angebot erstellen. Uns war klar, dass wir aufgrund der Größe des Marsberger LWL-Standortes nicht von Station zu Station und von Wohngruppe zu Wohngruppe gehen können. So kam uns die Idee zur Briefmail. Das ist ein bisschen wie früher, als man auch noch stärkeren Briefkontakt zu anderen Menschen gehabt hat. Wir melden uns quasi per Mail, um in die geschlossenen Einrichtungen eine Brücke zu schlagen.
Was möchten Sie damit erreichen?
Zunächst einmal möchten wir, dass „Ein gutes Wort“ als etwas Erfreuliches wahrgenommen wird. In Zeiten, in denen vieles verunsichert und viele Menschen unsicher sind, sollen unsere Texte ein wenig Halt schaffen und Mut und Hoffnung machen. Darüber hinaus möchten wir mit jedem „Guten Wort“ auch eine Botschaft transportieren. So nehmen wir zum Beispiel in unserem ersten Mailing die Geschichte von einem Mann auf, der die schönen Momente des Tages festhält, um sich abends daran zu erinnern. Sie schenkten ihm ein Lächeln und gaben ihm die Kraft auch die schwierigen Stunden durchzustehen. Das ist etwas, was wir in dieser Zeit allen Menschen wünschen. In einem weiteren „Guten Wort“ beschreiben wir mit der Geschichte von der „Kirche der brennenden Lampen“, dass jeder gebraucht wird, damit wir die Corona-Krise am Ende erfolgreich hinter uns lassen können. In der kommenden Ausgabe geht es um die Haltung des „Trotzdem“: Vieles ist jetzt anders. Wie kann ich diese Zeit aber „Trotzdem“ nutzen? Trotz all der Schwierigkeiten und Probleme, welche die aktuelle Situation bedingt, schafft sich doch auch Raum für Kreativität, neuen Denk- und Arbeitsweisen, die auch nach der Krise nützlich sein können. Dazu gehört auch mehr Ruhe zu finden und entspannter zu sein.
Seelsorge in den LWL-Einrichtungen
Neben den i ndividuellen Telefonaten bietet die Seelsorge der LWL-Einrichtungen Marsberg weitere Formate an: So ist die Klinikkirche am Standort Weist geöffnet. Blumen werden stets erneuert, die Ablage mit Informationen fortlaufend aufgefüllt. Einträge im Anliegenbuch sind möglich und werden von den Seelsorgerinnen gelesen und aufgegriffen.
Besucher sollen sich so willkommen und wohl fühlen. Ergänzt wird dies durch zufällige persönliche Begegnungen. Als stillen Zufluchtsort wurde auch die Mariengrotte wieder gefüllt. “
Wie wählen Sie die Geschichten bzw. Themen aus?
Ich folge da zumeist einem inneren Impuls: Wo bin ich mit meinen Gedanken hängen geblieben? Inspirierend ist für mich dabei das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Dietrich Bonhoeffer. Es birgt für mich die Grundhaltung „Vertrauen zu haben, Vertrauen zu fördern“, die wir über „Ein gutes Wort“ transportieren möchten. Es geht um Zuspruch und Unterstützung sich in der gegenwärtigen Situation zurecht zu finden. Wir legen bei der Auswahl der Geschichten einen großen Wert darauf, dass sie positiv und lebensanregend sind.
Wie kommen Ihre „Guten Worte“ an?
Wir erhalten zahlreiche Rückmeldungen per Mail, per Telefon aber auch bei persönlichen Begegnungen. Kürzlich sprach mich eine Mitarbeiterin an, wie sehr sie sich immer auf „Ein gutes Wort“ freut. Sie sagte, dass es ihr richtig gut tut. Es gehe immer um etwas Positives. Alles andere sei schon genug in den Medien zu lesen. Wir freuen uns über jedes Dankeschön und jede Anregung, die wir gern aufnehmen. Dadurch entwickelt sich „Ein gutes Wort“ zu einem interaktiven Format. Toll daran ist auch, so die Rückmeldung, dass man es nicht sofort lesen muss, da immer ein wenig Zeit vergeht, bis die nächste Mail erscheint. Die Leser haben somit die Gelegenheit Inhalte wirken zu lassen. Die Gedanken sind immer aktuell, ähnlich wie bei einer Predigt. Sie richten sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, so das positive Feedback.
Was meinen Sie, haben Patienten, Nutzer und Beschäftigte während der Corona-Krise einen stärkeren Bedarf nach Seelsorge?
Ich würde sagen ja! Grundsätzlich besteht in dieser Zeit ein größerer Bedarf nach Gesprächen. Auch in Aggression, Vereinsamung und Verstummung liegt die Botschaft: Ich brauche ein Gespräch! Es ist dabei egal, ob wir es Seelsorge oder Therapie nennen. Wichtig ist, dass wir den Menschen in unseren Einrichtungen Gelegenheiten zu Gesprächen bieten. Ich bin wirklich überrascht, wie gut das mit Patienten und Nutzern auch über Telefonieren klappt. Ein großes Dankeschön möchte ich dafür auch den Stations-und Wohngruppenmitarbeitern aussprechen, die dabei unterstützen. Telefonseelsorgerische Gespräche sind so möglich. Patienten oder Nutzer können sich dazu in ihre Zimmer zurückziehen. Selbst die Vorbereitung auf die Taufe oder Sakramente läuft ganz gut über gemeinsames Telefonieren.
Aber sicher nicht auf Dauer. Wie macht die Situation mit Ihnen selber?
Eine Zeit lang kann das Kontakthalten auf diesem Weg funktionieren, langfristig allerdings nicht. Denn gerade Seelsorge lebt von persönlichen Begegnungen. Die fehlen mir. Es schmerzt mich, dass ich viele Patienten und Nutzer nun nicht sehen kann. Aber hier komme ich jetzt noch einmal auf „Ein gutes Wort“ zurück: Trotzdem! Seelsorge muss trotz fehlender Gottesdienste und Besuchen weiterhin trotzdem möglich sein! Und das ist sie!