Medebach. 56-Jähriger wird wiederholt am Steuer erwischt. Das Gericht glaubt ihm nicht, dass er davon ausging, das kleine Fahrzeug führen zu dürfen.
„Woher wissen Sie das?“ fragt der Angeklagte und weist mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf den Staatsanwalt. „Sie wurden gesehen“, entgegnet dieser ungerührt. Draußen stehen fünf Zeugen, vier davon Polizeibeamte.
Der Angeklagte, 56 Jahre alt und wohnhaft in Winterberg, sollte ohne Führerschein Auto gefahren sein. Die Auffassungen, ob sein damaliges Gefährt führerscheinpflichtig ist, gingen vor Gericht aber auseinander.
Um einen roten Fiat ging es, mit 25-km/h-Aufkleber und laut Angeklagtem entsprechender Drehzahlbegrenzung. Fahrzeuge dieser Art versorgen das Amtsgericht laut Richter Frank Seidel zuverlässig mit Arbeit. Anscheinend gelten sie in bestimmten Kreisen als gute, weil angeblich führerscheinfreie Alternative zum Pkw.
Vorstrafen wegen Alkohols am Steuer
Warum auch der Winterberger auf ein solches Gefährt setzte, wurde beim Blick in seine Vorstrafen klar. Dreimal stand er wegen Trunkenheit im Verkehr schon vor Gericht und handelte sich jeweils eine Geldstrafe und eine Führerscheinsperre ein, die jüngste noch gültig bis September 2020.
In der neuesten Sitzung vor dem Amtsgericht Medebach ging es um weitere vier Fahrten, die der Angeklagte seit vergangenem Herbst unternommen haben soll. Eine davon mit rund 0,7 Promille Alkohol im Blut.
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Im Oktober 2019 fiel der Fiat einer Polizeistreife auf, weil er trotz 25-km/h-Aufkleber offenbar problemlos außerorts das Tempo des übrigen Verkehrs hielt. Die Beamten stellten Alkoholkonsum beim Fahrer, aber keine Motordrosselung beim Fiat fest. Die zu diesem Zweck eingebaute, verplombte Kassette sei „leicht zu öffnen“ gewesen, so der Beamte. Bei einer kurzen Probefahrt habe das Gefährt bergauf problemlos 60 km/h erreicht. Gesamtergebnis: Fahrzeugschlüssel und Versicherungsnachweis blieben bei der Polizei.
Keine Mobilitätshilfe
Fahrzeuge, die als Mobilitätshilfe oder Krankenfahrstuhl gelten, sind unter bestimmten Voraussetzungen ohne Führerschein zu fahren. Das Fahrzeug des Angeklagten war dafür aber zu groß, zu schwer und zu schnell. Außerdem hat der Angeklagte keine Behinderung, die eine Mobilitätshilfe erfordert.
„Es war bekannt, dass der Angeklagte dieses Fahrzeug fährt und gern trinkt“, berichtete eine weitere Polizeibeamtin als Zeugin. Zweimal begegnete ihr der Angeklagte im Januar 2020 am Steuer, erst in ihrer Freizeit, wenige Tage später im Dienst.
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Bei der zweiten Begegnung sei er erneut „normal im Verkehr mitgefahren“ und erst langsamer geworden, als er den Streifenwagen bemerkte. Bei der Kontrolle sei keine Drosselung feststellbar gewesen. Die Beamten untersagten wiederum die Weiterfahrt, nahmen den Schlüssel und die Versicherungskennzeichen an sich.
Freiheits- statt Geldstrafe
„Ich habe nachgeguckt, da steht, ich dürfte das fahren“, beschwerte sich der Angeklagte – ohne zu präzisieren, wo „da“ ist. „Wir haben Ihnen hier vor Gericht schon deutlich gesagt, dass Sie nicht fahren dürfen. Und Sie tun es immer wieder!“, ärgerte sich der Staatsanwalt. Daraufhin blieb der Angeklagte, der ohne Rechtsbeistand erschienen war, stumm und ließ auch den Zeigefinger unterm Tisch.
Mit einer Geldstrafe kam er diesmal nicht davon. Sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, ein sechsmonatiges Fahrverbot, eine zweijährige Führerscheinsperre und 600 Euro Bußgeld verhängte der Richter. „Wir gehen an die obere Grenze dessen, was an Strafe möglich ist. Aber hier ist das nötig.“
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Zumindest die letzte Stunde des roten Fahrzeugs soll inzwischen geschlagen haben. Laut Aussage des fünften Zeugen, einem Bekannten des Angeklagten, der es für diesen gekauft hatte, soll es inzwischen verschrottet sein. Der Zustand des Gefährts sei „technisch und optisch ohnehin sehr schlecht“ gewesen, hatte der Bekannte vor Gericht angegeben.