Brilon. Einem 15 Jahre alten Mädchen wird in Brilon Marihuana verkauft. An einem beliebten Platz zum Chillen und Kiffen in Brilon. Das hat jetzt Folgen.
Er stand kurz davor, an Ort und Stelle im Gerichtssaal in U-Haft genommen zu werden und wegen Verdunkelungsgefahr bis auf weiteres hinter Gittern schmoren zu müssen. Aber dann - so meinte Vorsitzender Richter Hans-Werner Schwens - habe er mit einem späten Geständnis doch noch „seinen Hintern gerettet“.
Eine Freiheitsstrafe handelte sich der 30 Jahre alte Syrer gleichwohl ein. Weil er Ende 2017, Anfang 2018 einem minderjährigen Mädchen in wenigstens vier Fällen Marihuana „für den unmittelbaren Verbrauch überlassen“ hat, verurteilte ihn das Schöffengericht Brilon zu anderthalb Jahren Gefängnis.
Auch interessant
Chillen auf dem Kirchplatz
Die Anklage war wesentlich umfangreicher. Danach sollte der Syrer der damals noch 15-Jährigen in 20 Fällen jeweils 0,7 Gramm Marihuana für je zehn Euro verkauft haben. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, in 18 Fällen jeweils ein Gramm Marihuana für je zehn Euro erworben zu haben. Er könne sich nicht erklären, warum ihn die mittlerweile volljährige Zeugin so belaste, sagte der Angeklagte. Laut Aussage des Mädchens habe man sich mal an der Briloner Propsteikirche und immer wieder in der städtischen Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Post in der Königstraße „zum Chillen“ getroffen.
Anfangs bestritt der Angeklagte, dem Mädchen das Rauschgift verkauft zu haben. Vielmehr habe er des Öfteren einem Mitbewohner Marihuana überlassen, der damals mit einer Schwester der Zeugin befreundet war. Dann habe habe man zusammen gekifft. Der Mitbewohner befindet sich in Haft.
Neuer Verdacht: Sexualstraftat
Aufhorchen ließ Richter Schwens und Staatsanwalt Schmelzer die für das Verfahren neue Aussage der Zeugin, dass der Angeklagte einmal an ihrer betrunkenen Freundin sexuelle Handlungen vorgenommen haben soll. Hans-Werner Schwens: „Jetzt steht ein Haftbefehl im Raum.“ Worauf sich der Angeklagte und seine Verteidigerin, Rechtsanwältin List, zu einem Beratungsgespräch zurückzogen.
Auch interessant
Danach erklärte die Verteidigerin, dass sich ihr Mandant für das, was er getan habe, entschuldigen möchte. Er habe mehrmals gemeinsam mit der Zeugin und manchmal auch mit deren Schwester und deren Freund Marihuana geraucht und ihnen was abgegeben. Allerdings habe er erst später erfahren, wie jung das Mädchen noch sei.
Staatsanwalt: zweieinhalb Jahre Haft
Weil die Zeugin nach eigenen Angaben bereits vor dem Kontakt mit dem Angeklagten gekifft habe, könne sie gemäß einschlägiger Gesetzesauslegung als „szene-erfahren“ gelten, sagte der Vorsitzende Richter; dann könne man zu Gunsten des Angeklagten von einem minderschweren Fall ausgehen, zumal hier auch lediglich „weiche Drogen“ im Spiel waren. Diese Auffassung teilte der Staatsanwalt jedoch nicht. Allerdings: Mit dem Geständnis ließ Schmelzer die Anklage wegen des 18-fachen Drogenerwerbs unter den Tisch fallen; das wäre bei dem jetzt zu erwartenden Urteil nicht wesentlich ins Gewicht gefallen.
Auch interessant
Wegen der vier zugegebenen Fällen forderte er für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Damit hätte die Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können. Die Verteidigerin hielt ein Jahr weniger für ausreichend, weil zum einen ihr Mandant das Marihuana der Zeugin nicht direkt, sondern über seinen Mitbewohner überlassen habe, und zum anderen, weil die drogenerfahrene jetzt 18-Jährige nach eigenen Angaben zumindest hin und wieder immer noch kiffe. Außerdem hielt sie ihm zugute, dass er sich 2017 erst kurze Zeit in Deutschland aufgehalten habe.
In seinem „Letzten Wort“ bat der Angeklagte um Verzeihung: „Ich habe Fehler gemacht.“ Jetzt sei er dabei, an einem neuen Wohnort und einer neuen Arbeitsstelle „ein neues Blatt“ in seinem Leben aufzuschlagen.
Vier Jahre zur Bewährung
Dem wollte das Gericht „wegen der Gesamtumstände“ (Schwens) des Falles keine Steine in den Weg legen.
Auch interessant
Die anderthalb Jahre Haft setzte das Gericht für vier Jahre zur Bewährung aus. Zudem muss der Angeklagte 1200 Euro einer Förderschule zukommen lassen. „Ich will Sie hier nicht wiedersehen“, gab Richter Schwens dem 30-Jährigen mit auf den Weg. Ob das mehr als ein frommer Wunsch ist, muss sich zeigen. Denn Staatsanwalt Schmelzer sagte, dass er wegen des von der Zeugin geschilderten Sexualvorfalls ein Ermittlungsverfahren einleiten werde.