Medebach. Zwei Kreuzwege, zwei Kapellen, zwei Erzählpatinnen. Sie bringen Gästen den Berg Kahlen nahe – und beantworten manchmal auch seltsame Fragen.
Seine Sorgen auf einen Berg tragen – und sie einfach da lassen und befreit absteigen. Dieses Gefühl soll beim zweiten der fünf Medebacher Seelenorte aufkommen, dem Gipfel des Bergs Kahlen. Seit Jahrhunderten schleppen Menschen sich selbst und ihre Anliegen hier hinauf.
Zwei Kreuzwege führen nach oben, der eine hat seinen Anfang beim Kloster Glindfeld, der andere in der Stadt. Bei der Wallfahrtskapelle, einem schmucken weißen Gebäude mit Schieferdach und Türmchen, treffen sie sich.
Erzählpaten beantworten Fragen
Die Kapelle wurde schon 1717 errichtet und 1912 wieder aufgebaut, nachdem der Blitz eingeschlagen war und der Vorgängerbau zerstört wurde.
Wie alle Seelenorte hat der Kahlen einen Erzählpaten. Jemanden, der sich auskennt und interessierten Wanderern den besonderen Ort nahebringt – und auch seltsame Fragen geduldig beantwortet. „Neulich wollte jemand wissen, wer denn an der Stelle, wo das Kreuz steht, beerdigt sei“, erzählen Anni Kuhler und Hildegard Althaus, die heute mit auf den Berg gekommen sind.
Jetzt im Herbst liegt das Gelände ruhig und einsam unter einer Schicht buntem Laub. Das ist nicht immer so.
Besonders zu Karfreitag, wenn die Prozession hierher führt, und am 1. Mai, wenn sich der SGV auf dem Platz vor der Kapelle zu einer Messe versammelt, sind hier Hunderte auf den Beinen.
Ruhe finden auf der Bank
Wahrscheinlich ist der Ort aber umso schöner, je einsamer und stiller man ihn erkundet. Viele, sagen die Erzählpatinnen, gehen hier allein hin. Hängen ihren Gedanken nach, bitten um himmlischen Beistand. „Viele Schwangere kamen früher her“, erzählt Anni Kuhler. Denn auch die Kapelle ist einer Mutter gewidmet – der „Sieben Schmerzen Marias“ wird hier gedacht.
Von der Kapelle führen die Kreuzwege weiter zur etwas unterhalb gelegenen Grabkapelle, erbaut 1722. Jemand hat ein Teelicht im bunten Glas vor der Tür abgestellt, durch deren Gitter eine fast lebensgroße Figur des Leichnams Jesu zu sehen ist.
Bedeutungsvolle Orte
Der Tourismusverband hat im Frühling 43 Sauerland-Seelenorte vorgestellt, die Wanderer emotional, geistig und spirituell berühren sollen. Fünf der Seelenorte liegen in Medebach, die WP stellt sie in loser Folge vor.
Wanderungen zu den Medebacher Seelenorten können bei Touristikgesellschaft gebucht werden. Dort ist auch ein Heft erhältlich, das die einzelnen Orte und ihre Besonderheiten detailliert vorstellt.
Noch etwas weiter unterhalb steht eine Bank. „Als es vor drei Jahren losging mit den Überlegungen zu den Seelenorten, war diese Bank hier mein erster Gedanke“, sagt Anni Kuhler.
Weiter Blick ins Tal
Nach dem mühsamen Aufstieg und dem traurigen Anblick in der Grabkapelle kann hier endlich der Blick schweifen und Erleichterung spürbar werden: Bäume und Sträucher machen Platz und geben die Sicht frei.
„Da ist Gut Glindfeld, da der Hof Dageler, der Gelängebach, Bollerberg, Bocksberg und Hohe Schlade“, zählen die beiden Erzählpatinnen auf. „Auf der anderen Talseite kann man sogar, wenn man genau hinschaut, die Himmelssäulen erkennen.“ Die Himmelssäulen, das ist die fast schnurgerade Reihe von 38 alten Douglasien, die als die größten Lebewesen des Sauerlandes gelten und ebenfalls ein Seelenort sind.
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Der Ruhepunkt auf der Bank schließt den Seelenort ab, und wer in Begleitung unterwegs ist, kommt hier fast automatisch ins Erzählen. Beim gemeinsamen Blick in die Ferne können Streitigkeiten, Probleme, aber auch alte Erinnerungen besser ausgesprochen werden als anderswo. Runter geht es dann viel leichter. Im besten Fall nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.