Hallenberg/Bangkok. Wilfried Pauli stammt aus Hallenberg und lebt in Thailand. Er erzählt, wie das Land auf Corona reagiert. Die Regeln sind streng – und erfolgreich
„Nix wie weg aus Deutschland!“ Als Mitte März die Corona-Pandemie mit aller Wucht den Alltag der Bundesbürger durcheinander wirbelt, packt Wilfried Pauli sofort seine Koffer und bucht einen Flug nach Bangkok.
Der 72-Jährige kommt gebürtig aus Hallenberg im Hochsauerlandkreis, lebt aber seit 40 Jahren in Thailand, wo er eine Familie gründete und die Firma seiner Schwiegereltern um einen Geschäftszweig erweiterte.
Filialen mit 120 Mitarbeitern über ganz Thailand
Aus Sehnsucht nach dem kräftigen Hallenberger Backhausbrot begann er damals, Roggenmehl und Backmischungen aus Deutschland zu importieren, das in den gastronomischen Betrieben großen Absatz fand. Heute verteilen sich sechs Filialen mit 120 Mitarbeitern über ganz Thailand, darunter Bangkok und Phuket.
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Aus der Geschäftsführung hat sich Wilfried Pauli inzwischen zurückgezogen. Seine Frau Dolly als Besitzerin und die Kinder Tina und Michael sowie Schwiegersohn Dennis leiten die Firma.
Der Lebensmittelpunkt von Wilfried Pauli liegt unter asiatischen Palmen, die enge Verbindung in seine Heimat ist jedoch immer geblieben. Jedes Jahr reist er deshalb zwei Mal ins Sauerland, so auch am 29. Februar 2020. Vom 4. bis 11. März ist er mit Schwester und Schwager aus Hallenberg mit der AIDA auf einer lang geplanten Kanaren-Kreuzfahrt unterwegs. Corona ist beim Abflug noch kein großes Thema in Europa. Als die Aida-Crew am Ende der Reise anbietet, die Kreuzfahrt zu verlängern, überlegen die drei Urlauber zunächst – entscheiden sich dann aber dagegen.
Fieber nur in Bangkok gemessen
Zum Glück, denn bereits einen Tag später machen die spanischen Häfen dicht. Und auch in Deutschland geht auf einmal alles ganz schnell, die Kontaktsperre kommt, die Grenzen der Nachbarländer werden geschlossen. Deshalb entscheidet sich Wilfried Pauli, seinen Hallenberg-Aufenthalt abzubrechen und sofort nach Thailand zurückzukehren.
Zahlen aus Thailand und Deutschland
Per Stand 15. April (12 Uhr) hat Thailand 2613 nachgewiesene Corona-Infektionen und 41 Tote bei rund 63 Millionen Einwohnern.
In Deutschland sind es 132.210 nachgewiesene Infektionen und 3.495 Tote bei rund 83 Millionen Einwohnern.
Bei der Zwischenlandung in Helsinki und der Ankunft in Bangkok wird im Gegensatz zum Frankfurter Flughafen bei allen Passagieren Fieber gemessen. Um seine Familie mit Frau mit Kindern und Enkeln in Bangkok nach seinem Europa-Aufenthalt nicht zu gefährden, zieht Wilfried Pauli in die 700 Kilometer entfernte zweite Familien-Wohnung in Phuket.
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In Phuket, dem Urlaubsparadies, das vor gut 15 Jahren so schwer vom Tsunami getroffen war, herrscht gespenstische Stille, wie Wilfried Pauli berichtet. Sein Wohnort im Süden der Insel ist wie viele Orte in Thailand abgeriegelt und darf nur aus wichtigen Gründen wie Arzt- oder Apothekenbesuchen, die nachgewiesen werden müssen, kurz verlassen werden.
Kein Mundschutz kostet 600 Euro
Polizei und Ordnungsamt kontrollieren die Ausfahrten. Wer ohne Mundschutz unterwegs ist, muss 20.000 Baht (umgerechnet rund 600 Euro) Strafe zahlen. Von 22 bis 5 Uhr herrscht Ausgangssperre, bei Nichteinhaltung sind 40.000 Baht Strafe fällig. Die Schulen sind seit fast sieben Wochen geschlossen, die Kinder werden teilweise übers Internet digital unterrichtet. An den Eingängen der Supermärkte stehen Desinfektionsmittelspender; es wird Fieber gemessen, mit erhöhter Temperatur gibt es keinen Zutritt. Die Strände und öffentlichen Swimmingpools sind gesperrt, die Fischer- und Touristenboote dümpeln im Hafen – es lohnt nicht mehr auszulaufen, denn die Hotels und Restaurants sind zu.
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Eigentlich würde genau jetzt das thailändische Neujahrsfest „Songkran“ gefeiert. „Das ist wie eine Woche Schützenfest am Stück“, beschreibt Wilfried Pauli die ausgelassenen und fröhlichen Feste Mitte April.
Alkoholverbot seit 10. April
Aber in diesem Jahr ist alles abgesagt. Um das Verbot dieser Feierlichkeiten, bei denen traditionell sehr viel getrunken wird, durchzusetzen, gibt es seit dem 10. April noch bis zum Ende des Monats ein landesweites Alkoholverbot.
Die öffentlichen Maßnahmen in Thailand sind also deutlich strenger als in Deutschland. Und obwohl die Firma seiner Familie aktuell Umsatzeinbußen von 70 Prozent hat, hält Wilfried Pauli dieses Durchgreifen für richtig: „Zusammen mit der Hitze hier, die wahrscheinlich dem Virus schadet, sind die Infektionszahlen in Thailand deutlich niedriger als in Europa, auch wenn es sicher wie überall eine Dunkelziffer gibt.“
Keine Versorgungsengpässe
„Nix wie weg aus Deutschland“ – der Satz klingt im ersten Moment hart, doch in der derzeitigen Corona-Krise ist er für Wilfried Pauli genau richtig gewesen. „Die Behörden greifen hier in Thailand konsequent durch, das Gesundheitswesen ist gut auf die Krise eingestellt worden und bewältigt die Herausforderungen bislang bewundernswert.
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Versorgungspässe gibt es nicht – über die Hamsterkäufe von Nudeln und Toilettenpapier in Deutschland können wir hier nur schmunzeln Und schließlich bin ich hier zuhause, nicht mehr im Sauerland – auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass ich in meinem Alter nochmal Hausarrest bekomme. Trotzdem freue ich mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch – auch wenn es im Sommer zum Hallenberger Schützenfest wohl nichts werden wird.“