Hochsauerlandkreis. Die Coronavirus-Krise bringt Homeoffice-Herausforderungen mit sich. Zwei Beispiele aus dem Sauerland zeigen, wie kompliziert die Situation ist.
Seitdem Kitas und Schulen geschlossen sind, um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, arbeiten deutschlandweit zehntausende Menschen – sofern es möglich ist – im Homeoffice. Arbeit und die Betreuung der Kinder unter einen Hut zu bekommen ist eine besondere Herausforderung.
In anderen Familien ist ein Homeoffice-Arbeitsplatz nicht realisierbar – auch dort muss die plötzliche Betreuung der Kinder organisiert und geregelt werden. Zwei Beispiele aus dem Raum Brilon zeigen, wie kompliziert die Situation ist – denn auf die Großeltern soll schließlich nicht zurückgegriffen werden, damit diese Corona-Risikogruppe sich nicht ansteckt.
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Beispiel 1: Lisa Brom
Lisa Brom weiß sich keinen Rat. Seitdem Kindertagesstätten und Schulen auf Anweisung des Bundes wegen dem Coronavirus geschlossen sind, hat sie ein Betreuungsproblem. „Ich bin im Lebensmitteleinzelhandel und muss zu meinen Öffnungszeiten anwesend sein“, erklärt die Inhaberin von Bio Brilon. Homeoffice ist für sie nicht möglich.
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Allerdings muss sie eine Betreuung für ihre Kinder organisieren, die vier und sechs Jahre alt sind. Ein Spagat, der in den letzten Tagen kaum machbar ist.
Eigentlich will sie ihre Mitarbeiter schützen - wegen der Betreuung unmöglich
„Eigentlich war es mein Wunsch, alle meine Mitarbeiter aus der Arbeit rauszunehmen. Damit nicht alle arbeiten und sich eventuell mit dem Coronavirus infizieren. Sollte das geschehen, müsste ich den Laden komplett zumachen“, schildert Lisa Brom ihren Plan, COVID-19 präventiv zu begegnen. Wegen der fehlenden Betreuung ist das nicht möglich.
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Kinder müssen mit in den Laden - auch, wenn sie das nicht mag
Die Großeltern sind Risikopatienten. Der Vater der Kinder arbeitet selbst im Einzelhandel. „Wir haben uns von Tag zu Tag gehangelt“, sagt Lisa Brom müde. Einmal musste sie die Kinder mit in den Laden nehmen. „Das gefiel mir wirklich gar nicht – gerade in dieser Situation.“ Feste Regeln stellt sie in dieser Situation auf. Die Kinder bleiben im Lager. Desinfizieren sich ordentlich die Hände. Fassen weder hinten, noch vorne im Verkaufsraum etwas an. Lisa Brom weiß selbst, wie schwer Kindern so eine Situation fällt – eine andere Möglichkeit blieb ihr nicht.
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„Wenn viel im Laden los ist, kann ich mich auch gar nicht um die Kinder kümmern. Das kann mal eine halbe Stunde so gehen, aber lange kann und will ich die Kinder nicht mit in den Laden nehmen.“
Nach Ostern ist der Jahresurlaub weg - und dann?
Sie bemängelt, dass Arbeitgeber keine festen Regeln bekommen haben, sondern alles auf eigene Faust steuern müssen. „Wenn sich alle meine Mitarbeiter Urlaub nehmen, wie es empfohlen wurde, dann ist nach Ostern der Jahresurlaub weg. Das ist nicht tragbar. Und was mache ich, wenn die Maßnahmen noch über diese Urlaubstage hinausgehen?“, fragt sie sich und sie klingt dabei fast aufgebracht.
Der Druck von allen Seiten macht ihr zu schaffen
Sie fühlt von allen Seiten Druck. Den Druck, ihre Mitarbeiter zu schützen, ihre Existenz, ihre Kinder.
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Auf der Arbeit versucht sie, die Sorgen der Kollegen und die Arbeit zu stemmen, Zuhause muss sie organisieren, wie die Kinder gut untergebracht werden. Mit dem Papa teilt sie sich auf. So hat sie in den letzten Tagen den Bioladen erst später geöffnet, während der Vater der Kinder seine Mittagspause verlängerte. Sie will ihre Existenz nicht verlieren, aber auch nicht auf Kosten der Kinder handeln. Jetzt, wo die Geschäfte dicht bleiben müssen, kann der Papa besser einspringen. Trotzdem schaut Lisa Brom erst einmal skeptisch in die Zukunft. „Man muss auf die Kinder acht geben, für die Existenz kämpfen, die Familie beschützen – und irgendwann auch mal auf sich selbst Acht geben.“
Beispiel 2: Bennet Muys
Bennet Muys Tochter ist 18 Monate alt. Sie versteht noch nicht, was gerade los ist. Wieso Papa plötzlich Zuhause arbeitet. Wieso er den ganzen Tag am Laptop sitzt und nicht spielen kann, wie sonst am Wochenende.
„Ich arbeite in einem Softwareunternehmen in Paderborn als Projektleiter. Wir sind circa 50 Leute in meiner Abteilung, 1800 Leute im Unternehmen“, erklärt Bennet Muys aus Marsberg. Als die Kindertagesstätten plötzlich schließen, ist für ihn direkt klar, dass er im Homeoffice weiterarbeiten muss – und will. „Meine Frau ist Steuerfachangestellte und arbeitet halbtags. Wir haben keine Verwandtschaft hier, die einspringen kann.
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Eine andere Möglichkeit blieb uns also ohnehin nicht.“ Seine Frau beginnt nun früher, arbeitet von 7 bis 11 Uhr. Wenn sie nach Hause kommt, beginnt Bennet Muys mit seiner Arbeit.
Er verabschiedet sich von seiner Tochter, bevor er ins Arbeitszimmer geht
Er duscht vorher, zieht sich an, verabschiedet sich von seiner Tochter – und geht ins Arbeitszimmer, um seine Arbeit zu machen. Das tut er auch, um sich selbst zu sagen: „Ich bin jetzt auf der Arbeit.“ Zwar habe er früher manchmal in Jogginghose auf der Couch Homeoffice gemacht – sehr effektiv sei das aber nicht gewesen. „Die klare Trennung klappt gut. Es ist natürlich schwer, wenn die Kleine vor der Tür steht und Bababa ruft. Oder wenn sie weint, dass ich dann nicht hingehen und sie trösten kann.“
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Homeoffice und Kinderbetreuung gleichzeitig klappt seiner Meinung nach überhaupt nicht. Während seine Frau arbeiten geht, kümmert er sich voll und ganz um seine Tochter, ist auch telefonisch nur für kurze Gespräche erreichbar.
Unternehmen schafft extra Laptops wegen Corona an
40 Prozent seiner Kollegen seien schon im Homeoffice. Das Unternehmen habe kurzfristig extra neue Laptops angeschafft. Bennet Muys arbeitet jetzt von 11 bis 18 Uhr und macht damit jeden Tag eine Minusstunde. Bis zu 80 Minusstunden räumt ihm das Unternehmen ein. Sollten die Maßnahmen wegen des Coronavirus noch andauern, werde man eine andere Regelung finden müssen. Für Bennet Muys ist es aber derzeit genau die richtige. So muss er nicht nach Paderborn fahren und kann genug Zeit mit seiner Tochter und seiner Frau verbringen. „Wir haben das Beste draus gemacht.“