Olsberg. Warum sie gern ihr Rederecht nutzen und streitbar sind, verraten Sabine Menke und Jeanette Friedrich, Ratsfrauen aus Olsberg, im WP-Interview.
Aktiv bringen sie sich in jede Ausschuss- und Ratssitzung ein. Gerade Frauenmeinung ist wichtig, finden Sabine Menke und Jeanette Friedrich (CDU), Ratsfrauen in Olsberg. Warum Politik weiblicher werden muss? Darauf haben sie im WP-Interview zur unserer Kommunal-Wahl-Serie „So tickt Kommunalpolitik“ ganz konkrete Antworten und können zuallererst auf die amtliche Statistik verweisen. Mehr als die Hälfte der Einwohner Deutschlands sind Frauen, in Olsberg kommen alle weiblichen Ratsmitglieder gerade mal auf 22 Prozent.
Frau Friedrich, Frau Menke, Sie stellen also eine Minderheit dar. Warum sind Sie beide überhaupt im Rat?
Jeanette Friedrich Ich schätze es, dass ich als Kommunalpolitikerin direkt mitgestalten kann und dabei die Nähe zum Bürger habe. Das ist auf jeder anderen Ebene, schon ab dem Kreis, nicht mehr in der Form da. Ich möchte darüber entscheiden, ob in Olsberg und nicht ob in Sundern ein Kindergarten gebaut wird. Da bin ich schon viel zu weit weg.
Vor Ort Verantwortung übernehmen
Sabine Menke Wir hier auf kommunaler Ebene entscheiden, wie lebenswert unsere Stadt ist und deshalb ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die Verantwortung übernehmen. Wir sind hier vor Ort das Fundament der Demokratie, die gelebt und gestaltet werden muss und da möchte ich mitmachen.
Welche positiven oder negativen Erfahrungen haben Sie während Ihrer Ratszeit gemacht?
Jeanette Friedrich Ich finde es schön, wie sich der persönliche Umkreis erweitert hat, der gesamte Rat ist eine nette Truppe. Außerdem hat dieses Amt meine persönliche Weiterentwicklung gefördert. Durch die vielen neuen Dinge, die man außerhalb des Berufslebens lernt, wird man noch dazu selbstbewusster. Und ich hinterfrage die Dinge jetzt ganz anders.
Viele Jahre habe ich immer wieder auf dem zögerlichen Ausbau der Kindergartenplätze hingewiesen und betont, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Mittlerweile gibt es eine neue große Kita in Bigge und eine weitere eröffnet im August 2020 in Assinghausen. Das zeigt: Wenn man sich engagiert, kann man was bewegen, man muss es nur wollen und vorantreiben.
Allerdings finde ich die Strukturen immer noch zu männlich. Das zeigt sich zum Beispiel an Zeitplänen, wenn in einer Sitzungswoche unerwartet aus zwei Terminen drei werden. Darauf kann man sich als Mutter zweier noch recht junger Kinder nur schlecht einstellen.
Zwei engagierte Frauen
Jeanette Friedrich (37), seit 2009 im Rat der Stadt Olsberg, verheiratet, zwei Söhne im Grundschulalter, Wahlbezirk Bigge-West, Sozialversicherungsfachangestellte, seit dem 13. Lebensjahr war sie schon in Wulmeringhausen in der Jungen Union, Lieblingsthemen im Rat: Sozialbereich, Planen und Bauen, ist auch in beiden Ausschüssen, Vorsitzende Sozialausschuss
Sabine Menke (55), seit 2014 im Rat, in fester Beziehung lebend, zwei erwachsene Töchter, Wahlbezirk Assinghausen, Außenprüferin bei der Deutschen Rentenversicherung, war schon immer ehrenamtlich aktiv z.B. im Vorstand des Kulturforums Winterberg oder als Geschäftsführerin beim Reitverein in Niedersfeld, Lieblingsthemen im Rat: Finanzen, Ehrenamt, Mitglied im Hauptausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss.
Große Verantwortung
Wie sieht es bei Ihnen aus, Frau Menke?
Sabine Menke Ich mag das Mandat, weil man sich mit vielen Themen auseinandersetzt und interessante Personen sowie Tätigkeiten kennenlernt. Zum Beispiel war ich sehr beeindruckt von der Arbeit der Feuerwehr nachdem ich die erste Jahreshauptversammlung bei uns im Ort besucht hatte. Mit vielen Dingen würde ich mich sicherlich ohne das Mandat nicht beschäftigten. Wir bekommen einen allumfassenden Überblick über unsere Stadt. Wenn dann auch noch der eigene Antrag, wie jüngst die Erhöhung der Zuschüsse für die „Hackeclubs“ angenommen wird, ist das klasse. Nicht zu unterschätzen ist, das hat sich in den fünf Jahren immer mehr herauskristallisiert, dass man unheimlich viel Verantwortung hat. Am Bau eines neuen Kindergartens hängen auch immer Personalentscheidungen. Beim Thema Windkraft entscheiden wir für die nächste Generation mit. Einige schlaflose Nächte bleiben dabei schon mal nicht aus.
Warum sind Frauen wichtig im Rat?
Jeanette Friedrich Frauen bedienen ganz einfach andere Themen. Sie haben eine unterschiedliche Sichtweise, weil sie in manchen Bereichen näher an der Lebensrealität sind.
Sabine Menke Wir Frauen stellen über 50 Prozent unserer Gesellschaft, das muss doch auch politisch abgebildet werden. Es ist aber nicht so. Auf Bundesebene sind in der CDU 26 Prozent, in Olsberg 22 Prozent der Mandatsträger Frauen. Dabei sollten wir doch unbedingt unsere Meinungsmacht wahrnehmen. Wir haben eine andere Diskussions- und Streitkultur als Männer. Wir sind lösungsorientierter. Leider aber steckt man auf dem Land oft noch in den traditionellen gesellschaftlichen Rollen, so dass nicht mehr Frauen den Weg in den Rat finden. Das ist schade.
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Aktiv mitgestalten
Wie viel Zeit pro Woche nimmt das Ehrenamt in Anspruch?
Sabine Menke Das lässt sich nicht pro Woche messen, wir sind ja abhängig von der Struktur des Sitzungskalenders. Wenn mehrere Sitzungen in einer Woche anstehen, sind schon mehrere Stunden Vorbereitung nötig. Aber das ist auch abhängig vom Thema, das 350-seitige Haushaltsbuch studiert sich nicht in ein paar Minuten. Vielfach sind eigene Recherchen nötig, um die Themen besser zu verstehen. Unterstützung finden wir hierbei auch bei den Mitarbeitern der Verwaltung. Man spricht persönlich mit den Bürgern oder wälzt auch schon mal EU-Richtlinien.
Jeanette Friedrich Aktuell habe ich zum Beispiel das NRW-Schulgesetz gelesen. Da sitzt man samstags früh am Küchentisch und schaut im Inklusions- und Integrationsgesetz, wie viel Platz angesichts der aktuellen Debatte ein Schüler an der Grundschule braucht.
Sie sprechen die Erweiterungspläne der Elisabethklinik an, für die eventuell ein Gebäude der Grundschule Bigge weichen müsste - ein gutes Beispiel für aktive Kommunalpolitik, oder?
Sabine Menke Selbstverständlich gehört dem Klinikstandort unsere volle Unterstützung. Trotzdem war es eine gute Geschichte, im Rat öffentlich über das Nutzungskonzept der Grundschule zu debattieren. Das Podium war voll und die Kinder lernen so Demokratie kennen. Sie hören, wie wir darauf eingehen und können zu Hause weiter mit ihren Eltern darüber sprechen.
Jeanette Friedrich Das Thema wurde ja auch in der Schule von den Lehrern aufbereitet. So konnten viele sehen, wie direkt Lokalpolitik agiert und das fanden viele gut. Ich habe einige Rückmeldungen bekommen, wie beeindruckt sie waren, dass die Ratsmitglieder so gut vorbereitet und auch mit ihren eigenen Statements in die Debatte gekommen sind. Das war eine Sternstunde der Demokratie und das ist doch auch das Wichtigste, dass wir nah am Bürger sind und bleiben. Und umgekehrt haben sich viele Ratsmitglieder die Flugblätter mit nach Hause genommen, um zu sehen, was der Bürger meint.
Auch als junge Mutter politisch aktiv sein
Was muss stimmen, damit sich auch junge Mütter politisch engagieren?
Jeanette Friedrich Als ich 2009 in de Rat kam, hatte ich noch keine Kinder. Beide Kinder sind in dieser Zeit geboren. Es geht also! Wenn ich aber meinen Mann nicht hätte und meine Eltern im Haus, würde es nicht funktionieren. Auch Babysitter sind immer mit eingespannt. Das wird ja auch finanziell entschädigt. Und wünschenswert ist, dass die Sitzungszeiten entzerrt werden.
Wie reagiert das Umfeld auf Ihren Posten?
Jeanette Friedrich Mein Mann und meine Freunde kennen mich nur als politisch engagierten Menschen. Insgesamt finde ich es wichtig, mitzuarbeiten anstatt immer nur zu reden. Für die Kinder ist es ganz selbstverständlich, dass die Mama mal wieder ins Rathaus muss. Oft kommen Bekannte wegen Themen auf mich zu. Und das ist auch gut, weil der große Wahlbezirk in Bigge es schwieriger macht, wahrgenommen und angenommen zu werden als in den Dörfern.
Sabine Menke Meine Kinder sind ja schon erwachsen. Eine meiner Töchter macht selbst Politik, ist Stadtverbandsvorsitzende der Jungen Union. Mein CDU-Kollege ist mein Lebenspartner. Schon beim Frühstück wird oft über Kommunalpolitik diskutiert, was aber auch sehr viel Spaß macht.
Was wünschen Sie sich für die nächste Wahlperiode?
Jeanette Friedrich Wir müssen unsere Kommunikation verbessern, an den Strukturen arbeiten. Und es bleibt total wichtig, allumfassend informiert zu sein.
Sabine Menke Ich wünsche mir eine intensivere Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren – Bürger, Verwaltung und Rat. Einen offenen Umgang mit allen Themen und dass sich alle neuen Ratsmitglieder gut einleben und uns bei den anstehenden Herausforderungen gut unterstützen.