Brilon. Sanierung oder Neubau? - Die Stadt Brilon hat ein riesiges PCB-Problem mit ihrem Schulzentrum. Der Schadstoff-Gutachter redete nicht drumrum.
Die letzten Messergebnisse der Mustersanierung fehlen zwar noch, aber schon jetzt zeichnet sich ab: Die PCB-Sanierung des Schulzentrums an der Jakobuslinde wird die Stadt Brilon um die zehn Millionen Euro kosten. Das Gebäude muss in Teilbereichen auf Rohbau-Niveau entkernt werden. Mittwochabend gab Schadstoff-Gutachter Dr. Bernd Sedat (Essen) im Bau- und Planungsausschuss einen Sachstandsbericht.
Die Reaktion von Günter Wiese (SPD): „Ich bin vollkommen geschockt.“ Damit war der Stadtverordnete nicht alleine. Auch die Verwaltung sei, so Beigeordneter Reinhold Huxoll, „erstmal platt“ gewesen, als sie über die Ausmaße der notwendigen Sanierung informiert worden sei.
Zielgrenzwert sind 300 Nanogramm
Seit den Sommerferien laufen im westlichen Teil des Gymnasiums aufwändige baufachliche Untersuchungen. Damit will Sanierungs-Experte herausfinden, mit welchen Maßnahmen sich die PCB-Belastung unter den Grenzwert von 300 Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft drücken lassen. In mehreren hermetisch abgeriegelten Klassenräumen im westlichen Gebäudetrakt wurden nacheinander die Primärquellen, also die PCB-haltigen Baustoffe wie das Fugenmaterial, entfernt, dann die über Jahrzehnte mit den Ausdünstungen belasteten Bodenbeläge, Decken, Vertäfelungen sowie Wandfarbe.
Leider die ungünstigste PCB-Verbindung verbaut
Nach jedem dieser Schritt wurden Raumluftmessungen vorgenommen, um zu sehen, wie sich die Luftbelastung jeweils veränderte. Dr. Sedat: „So haben wir alles abgebildet, was schlimmstenfalls nötig sein könnte.“ Die einzelnen Maßnahmen reduzierten die Belastung unterschiedlich, manches, wie zum Beispiel das Entfernen der Wandfarbe, erhöhte den Wert wiederum. Das, so der Fachmann, liege an der hier vorhandenen, besonders flüchtigen PCB-Art.
Seit 2015 vermehrt Klagen über schlechte Luft
Aufgrund des absehbaren Kostenvolumens ist für die Sanierung eine EU-weite Ausschreibung erforderlich.
Das gilt auch schon für die Architektenleistung.
Der Sanierungsfachmann rechnet mit einer Bauzeit bis ins Jahr 2025.
Die Sanierung der Heinrich-Lübke-Schule soll auf Wunsch der Schule in fünf Abschnitten erfolgen, beim Gymnasium sind 12 bis 15 Abschnitte ins Auge gefasst, um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.
Seit 2015 hatte es vermehrt Klagen über die schlechte Luft gegeben.
Eine baubiologische Untersuchung auf PCB, Holzschutzmittel, Formaldehyd, PCB, Asbest, Schimmel und andere Stoffe hatte für manche Stoffe keinen und für andere einen mittelfristigen Handlungsbedarf ergeben.
Bei PCB liegt die Toleranzschwelle bei 300 Nanogramm pro Kubikmeter Luft.
Stellenweise wurden Belastungen jenseits des sog. Interventionswertes von 3000 ng/cbm gemessen, ab dem binnen eines Jahres Eingriffsmaßnahmen vorzunehmen sind.
Das heißt: Das PCB dünstet zwar schnell aus, es schlägt sich aber auch leicht anderswo nieder - in den Wänden ebenso wie auf Möbeln. Das Schulzentrum gehöre zu dem etwa einen Prozent der Gebäude, die in den 60er, 70er Jahren - so Dr. Sedat - „mit diesem ungünstigen PCB“ gebaut worden seien. Als Sanierungsmöglichkeit kommt eine spezielle Sperrtapete in Betracht.
Die höchsten PCB-Werte enthielten die Räume im Obergeschoss der Schule. Dazu trägt die ungedämmte Flachdachkonstruktion des Schulzentrums bei. Folge: Die Räume erwärmen sich leichter, das wiederum fördert die Ausdünstung des flüchtigen PCBs. Dr. Sedat im Ausschuss: „Wenn wir hier die Sanierung hinkriegen, gelingt uns das auch woanders.“
Ausschlachten bis auf Rohbau-Niveau
Dazu müssen die Räume aber bis auf Rohbau-Niveau ausgeschlachtet werden - einschließlich der Verkabelung. Angesichts der Kosten kam im Ausschuss die Frage auf, ob dann nicht ein Neubau Sinn mache. Dafür müssten, so Beigeordneter Huxoll, sicher mehr als 25 Millionen Euro aufgewandt werden. Deshalb mache es Sinn, jetzt die umfassende Sanierung in Angriff zu nehmen. Denn das - grob - auf zehn Millionen Euro geschätzten Aufwand sei ja neben der Entfernung der PCB-Belastung mitsamt der erforderlichen baulichen Maßnahmen auch die komplette Erneuerung der technischen Infrastruktur nach heutigem Standard erhalten. Der Rat, sagte Huxoll, müsse entscheiden: „Lohnt sich eine solche Maßnahme oder nicht.“ Seiner Ansicht nach lohnt es sich, denn: „Dann haben wir eine fast neue Schule.“ Und das für die nächsten Jahrzehnte.
Container für Lübke-Schule kommen
Die Sanierung betrifft auch die angrenzende Heinrich-Lübke-Sekundarschule. Für die Dauer der Sanierung hat die Stadt Container angeschafft, die bereits in diesem Frühjahr kommen. Es handelt sich um vier Klassenräume für jeweils 29 Schüler. Jeder ist - inklusive des Differenzierungsraumes - 90 Quadratmeter groß. Die Container werden in dem zur Bushaltestelle hin gelegenen Bereich aufgestellt.
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Die Kosten muss die Stadt alleine aufbringen. Eventuell, so hieß es, könnten für die energetische Sanierung Zuschüsse beantragt werden. Das sei aber noch offen.