Marsberg. Yahir Jesry stammt aus Aleppo in Syrien. 2012 verlässt er seine vom Krieg gebeutelte Heimat. Jetzt arbeitete er am St.-Marien-Hospital Marsberg.
„Ohne ausländische Ärzte würde das deutsche Gesundheitssystem schlecht funktionieren.“ So die Meinung des stellvertretenden Hausoberen des St.-Marien-Hospitals Marsberg, Heinrich Lake. „Man darf es ruhig noch krasser formulieren“, sagt er. „Ohne unsere Kollegen aus dem Ausland würde der Krankenhausbetrieb in vielen Abteilungen zum Stillstand kommen.“
Im St.-Marien-Hospital arbeiten insgesamt 29 Ärzte, zehn davon kommen aus dem Ausland. Yahia Jesry aus Aleppo in Syrien ist einer von ihnen. Seit vier Jahren arbeitet er an seiner Facharztausbildung zum Internisten am Marsberger Krankenhaus. Ab Sommer 2014 hat er dort bereits acht Monate als Hospitant in den Krankenhausbetrieb hineingeschnuppert. Heute berichtet von seinem Weg nach Marsberg.
Arzt aus Syrien macht Facharztausbildung am Marsberger Krankenhaus
Yahia Jesry sieht nach seinem 24 Stunden Dienst ein wenig müde aus. Der 31-jährige Arzt aus Syrien lächelt. Seit knapp zwei Monaten ist er aus seiner Elternzeit zurück. Maher ist nun ein Jahr alt. Der Kleine fängt gerade an zu laufen. Dass er mit seiner kleinen Familie heimisch geworden ist in Marsberg, empfindet er als großes Glück. Seit 2012, seitdem er seine Geburtsstadt Aleppo verließ, hat er tausende von Kilometern zurückgelegt und mindestens ebenso viele Erfahrungen gemacht. „Manchmal frage ich mich, wie ich durchgekommen bin in den ersten Wochen in Deutschland.“
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Zwar hat Yahia Jesry vor Ausbruch des Krieges in Syrien bereits einen Deutschkurs besucht, seine Kenntnisse bestehen den Praxistest anfangs aber nur mit hohem Zeitaufwand und mit viel Geduld. „Ich habe für meine ersten Lebensmitteleinkäufe in einem Discounter in Bad Segeberg wirklich den kompletten Samstagvormittag benötigt“, berichtet Jesry. Mit einer Übersetzungsapp Arabisch/ Deutsch kämpft er sich von Regal zu Regal.
Haus der Grundversorgung
Das St.-Marien-Hospital Marsberg ist ein Krankenhaus der Grundversorgung mit 137 Betten und Teil der BBT-Gruppe (Barmherzige Brüder Trier).
Das Krankenhaus kooperiert eng mit dem Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und dem Medizinischen Versorgungszentrum Westheim.
Im Jahr werden rund 5000 Patienten stationär und mehr als 10.000 Patienten ambulant von rund 250 Mitarbeitern behandelt und versorgt.
Bereits anderthalb Jahre bevor er das ersehnte Visum für Deutschland bekommt und über Jordanien seine Heimat verlässt, hat er intensiven Kontakt zu einem befreundeten syrischen Arzt, der in Mecklenburg Vorpommern arbeitet. Sein Medizin-Studium hat er zu dem Zeitpunkt an der Kalamoon-Universität in Dayr Atiyah abgeschlossen, die letzte Prüfung legt er in Damaskus ab. Nachdem er am Goethe Institut in Amman sein Deutsch-B2-Level schafft, steigt er ins Flugzeug und landet nach einer anstrengenden Reise in Hamburg.
Von Schleswig Holstein nach Marsberg
Seine erste Hospitationsmöglichkeit in einem deutschen Krankenhaus findet Jesry in einer Klinik in Bad Segeberg, Schleswig Holstein. Um endlich die deutsche Approbation zu bekommen, absolviert er die Fachsprachenprüfung, bekommt auf diesem Weg die Berufserlaubnis und stürzt sich in den Job.
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Über Bad Driburg und die Kollegen aus dem Sprachkurs kommt er schließlich nach Marsberg. „In der Klinik für Innere Medizin kann ich alles lernen, was ich für meinen Facharzt Innere Medizin benötige“, Yahia Jesry ist auf der Intensivstation in Marsberg tätig, außerdem auf der Station 2. „Die Größe des Hauses ist ideal, ich sehe hier alle Erkrankungen, die ich kennen muss.“
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Neben der gastroenterologischen Funktionsdiagnostik hat Jesry sich auf Notfälle und Intensivmedizin fokussiert. An mehreren Tagen im Monat ist er als Notarzt im Hochsauerlandkreis unterwegs. Er mag es, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen schnell zu treffen. „Ich habe in den vergangen Monaten enorm an Sicherheit gewonnen. Und das liegt auch daran, dass ich im Team rund um unseren Chef Norbert Bradtke jederzeit Fragen stellen darf.“
Warum er sich für den Arztberuf entschieden hat? „Meine Eltern und meine vier jüngeren Geschwister gingen in Aleppo zum gleichen Hausarzt. Dessen Wissen beeindruckte mich unglaublich. Mein Wunsch, Medizin zu studieren, hat wohl in dieser Hausarztpraxis in Aleppo ihren Ursprung.“ Der Vater von Jesry lehrte englische Literatur an der Universität, er und seine Mutter leben mittlerweile in der Türkei. Die Familie scheut den Weg zurück in die Heimat.
Eltern in Syrien sollen kleinen Sohn kennenlernen
Wenn Yahia Jesry Urlaub hat, fährt er mit seiner Frau und Maher gerne nach Freiburg, denn dort arbeitet eine seiner beiden Schwestern, sie ist ebenfalls Medizinerin. Was er sich neben dem erfolgreichen Abschluss seiner Facharztausbildung in knapp zwei Jahren sehnlichst wünscht: „Sobald es die politische Situation zulässt, will ich mit meiner Frau und meinem Kind nach Syrien fliegen. Meine Eltern sollen Maher endlich kennenlernen.“
Und der stellvertretende hausoberer Heinrich Lake würde es sich sehr wünschen, dass Yahir Jesry, wenn er seinen Facharzt hat, im St.-Marien-Hospital bleiben würde. „Wir haben sehr, sehr positive Rückmeldungen.“ Die Patienten seien sehr zufrieden mit ihm. Hinzu kommen die „sehr, sehr guten deutschen Sprachkenntnisse“. Lake: Wir würden ihn sehr gerne halten.“