Brilon. Ralf Kirstein aus Brilon ist Anwalt für Familienrecht. Er hat viele Ehen scheitern sehen. Er erklärt, wie Paare an der Beziehung arbeiten können.

In 28 Jahren als Anwalt im Familienrecht hat Ralf Kirstein viel über die Liebe gelernt – aber auch, dass Wut, Gleichgültigkeit und Trauer manchmal dazugehören. Zum Valentinstag erklärt er, woran Beziehungen scheitern und wie man an einer Ehe arbeiten kann.

Wie viele Scheidungen werden durchschnittlich in Brilon durchgeführt?

Ich habe keine Statistiken, also kann ich nur schätzen – aber im Schnitt, denke ich, wird pro Woche eine Familienrechtssache vor Gericht beschlossen. Das schließt Scheidungen, aber auch Unterhaltsverhandlungen ein.

Was ist nach Ihren Beobachtungen der häufigste Scheidungsgrund?

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Ein anderer Partner. Gerade bei Jung-Ehen beobachte ich das. Trennungen von älteren Menschen haben oft denselben Grund, allerdings geht es dabei manchmal auch einfach darum, dass sich die beiden Partner auseinandergelebt haben. Die Kinder sind aus dem Haus und somit fällt die einzige Verbindung zwischen den Eltern weg. Der Sinn des Zusammenlebens ist ausgezogen und viele gehen dann auch. Es ist aber sehr selten, dass beide Ehepartner dann allein leben. Auch bei Altehen ist die Initialzündung für eine Trennung oft ein anderer Partner. Viele, das muss man dazu sagen, bleiben aber auch Eheleute auf dem Papier, um eine Scheidung zu umgehen. Sie arrangieren sich. Sie wirken wie ein einträchtiges Paar in der Öffentlichkeit, sind innerlich aber getrennt.

Wann gehen Beziehungen schief? Gibt es das verflixte siebte Jahr wirklich?

Ich kann das natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber bei Ehen zwischen jungen Menschen sind es meistens fünf bis sieben Jahre – also ist da etwas dran, an dem verflixten siebten Jahr. Bei älteren Partnern kommt die Trennung wenn der zweite Frühling beginnt. Viele denken, mit 50 habe ich eine gute Altersklasse um neu anzufangen.

Gab es auch schon Paare, die es sich kurz vor knapp anders überlegt haben?

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Das ist selten. Ich erinnere mich an ein Pärchen, das wirklich unmittelbar vor dem Gerichtstermin dann doch nicht mehr wollte. Sie haben einen Rückzieher gemacht, allerdings ist ihre Beziehung doch noch einige Jahre später gescheitert. Manche lassen sich scheiden, heiraten aber Jahre später doch wieder oder beginnen eine Liaison.

Wer will am häufigsten die Scheidung: Männer oder Frauen?

Eindeutig Frauen. Sie sind eher geneigt, die Initiative zu ergreifen. Männer lassen eine unglückliche Beziehung laufen, weil eine Scheidung Stress bedeutet. Und das tut sie wirklich. Frauen ertragen das nicht.

Unterscheiden sich die Scheidungsgründe zwischen Männern und Frauen?

Ein neuer Partner spielt hauptsächlich bei Männern eine Rolle. Aber das ist rein spekulativ. Es gibt genug individuelle Gründe – der Partner erweist sich als anders als zuvor eingeschätzt.

Wer ist am häufigsten der Verlierer bei einer Trennung: der Mann oder die Frau?

Alleinerziehende Mütter. Das Problem ist, dass viele noch denken, der Unterhalt gehe an die Frau, die das Geld bloß verjubelt – und nicht an das Kind. Viele Männer argumentieren dann, das Kind sei doch in den Sommerferien drei Wochen bei ihnen. Dass die Frau trotzdem für Wohnraum, Klamotten etc. aufkommen muss, sehen diese Männer nicht. Oder diejenigen, die schon durch andere Scheidungen unterhaltspflichtig sind und dadurch nicht mehr für das gemeinsame Kind zahlen können. Das sind die Verlierer. Zumal Unterhalt nicht gleich Vollkasko ist.

In Filmen sieht man bei fiktiven Scheidungen häufig zwei Partner die sich anbrüllen. Hatten Sie schon ähnliche Situationen?

Wenn es persönlich wird und die beiden Parteien sich anschreien, breche ich ein Gespräch direkt ab. Das kürzeste Gespräch, das ich geführt habe, dauerte drei Minuten. Übrigens: die kürzeste Ehe, die ich geschieden habe, überdauerte nicht einmal die Flitterwochen. Das Paar ist schon getrennt aus dem Flieger gestiegen. Sie haben erst auf der Reise bemerkt, dass sie nicht füreinander geschaffen waren. Ich glaube, die beiden waren keine zwei Wochen verheiratet.

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Glauben Sie noch an die Ehe, nachdem sie so viele Paare bei Trennungen beobachtet haben?

Ich persönlich natürlich. Was interessant ist, ist, dass viele Paare sehr unterschiedlich mit Trennungen umgehen. Manche sind wütend und froh, wenn der andere weg ist. Bei manchen läuft alles sehr einvernehmlich und fast freundschaftlich ab – für uns Anwälte ist das natürlich am angenehmsten. Was einem aber wirklich nahe geht sind die Paare, die sehr still sind und denen man anmerkt, dass sie einen dicken Kloß im Hals haben. Ich erinnere mich an eine Frau, die die Scheidung wollte, der Mann aber nicht. Sie sind sogar noch einmal gemeinsam in den Urlaub gefahren, aber trotzdem hat die Frau die Scheidung eingereicht. Da war ich sehr überrascht. Für uns ist eine Scheidung ein normaler Akt – dabei ist sie eigentlich eine tierisch emotionsbehaftete Geschichte. Für mich wird es erst schwierig, wenn Kinder im Spiel sind. Das geht mir dann manchmal auch nah.

Was ist Ihr Tipp für Verliebte, um eine lange Ehe zu führen?

Das ist keine juristische Frage... (überlegt sehr lange) Ich denke, man darf keine übersteigerten Erwartungen an den anderen haben. Man muss seinen Ehepartner als Individuum anerkennen. Nicht nur den Ehepartner, sondern den Menschen mit einem eigenen Ich sehen. Das könnte der Schlüssel zum Erfolg sein.