Hallenberg. Spenderin ist seine Frau. Und kurz nach der OP will er wieder auf der Bühne stehen. Carsten Hesse, alias Freddy Albers, bekommt eine neue Niere.
„Ich kann mit einer Niere leben, aber nicht ohne meinen Mann.“ Das ist ein starker Satz. Geprägt hat ihn Marion Klabes-Hesse. Und sie meint, was sie sagt. Sie und ihr Mann Carsten Hesse haben gewusst, dass der Tag irgendwann kommen würde. Wegen einer Erbkrankheit sind die Nieren des 48-Jährigen seit einiger Zeit dabei, ihren Dienst zu quittieren. Jetzt haben sie nur noch eine Leistung von zehn Prozent. Im April wird Carsten Hesse daher eine Niere seiner Frau implantiert bekommen.
Eigentlich ist er der Käpt‘n der guten Laune. Wenn der gebürtige Hallenberger die Kapitänsmütze aufsetzt und im Stil von Freddy Quinn oder Hans Albers bundesweit bekannte Seemannslieder schmettert, dann liegt ihm das Publikum zu Füßen. Älteren Semestern gibt er dabei ein Stück ihrer Jugend zurück. Aber - „Hossa!“ - auch sein Programm mit Schlagern aus der ZDF-Hitparaden-Ära kommt bestens an.
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Carsten ist Vollblutmusiker und Musikliebhaber. Singt er die Songs von Elvis oder Dean Martin, könnte man meinen, die beiden Stars stünden heute noch auf der Bühne. Mehr als 2000 CDs, 600 Musik-DVDs, 13 Gitarren, 7 Ukulelen und ein Klavier nennt der Künstler sein Eigen. Seit 28 Jahre singt er selbst. Es gibt kaum jemanden, der sich in der Welt der Rock-, Pop- und Schlagermusik besser auskennt als er. Und seine Frau, die hinter den Kulissen u.a. fürs Management zuständig ist, teilt diese Passion.
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Die Musik hat Carsten vermutlich geholfen, nicht ständig an das Damoklesschwert zu denken, das über ihm schwebt. „Seit ich 18 Jahre alt bin, weiß ich von dieser unheilbaren Krankheit. Meine Oma ist mit 43 Jahren gestorben, mein Vater kam mit 48 an die Dialyse und starb mit 59 am dritten Herzinfarkt.“
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Alle Voruntersuchungen - und die waren zahlreich - haben Carsten und Marion schon letztes Jahr von Februar bis Juli durchgezogen Eigentlich hatte der 48-Jährige nach dem letzten Arztbesuch gehofft, das Ganze noch ein wenig hinauszögern zu können. „Aber der Doc hat gesagt: Stellen Sie sich einen Wagen vor, der einen Platten hat. Und mit dem wollen Sie noch 400 Kilometer weit fahren?“ Das hat gesessen.
Nochmal American Dream
Als Marion Klabes-Hesse und Carsten Hesse am 9. Januar von der Uni-Klinik Kiel nach Hause fuhren, stand der Termin fest: am 2. April soll der Eingriff vorgenommen werden. Aber noch ein Termin wurde an jenem Abend festgezurrt: Vom 11. Februar an werden die beiden für zwei Wochen noch einmal ihren American-Dream leben. Flug, Hotel, alles ist gebucht. Es geht noch einmal nach Las Vegas und in den Westen der Staaten. Zum fünften Mal. Selbst die Tickets für eines von weltweit drei Konzerten mit dem amerikanischen Sänger Pat Boone (85) haben sie bereits geordert. „Wir haben uns in das Land verliebt. Wir mögen die Kontaktfreudigkeit und die Lockerheit der Menschen. Und wir haben inzwischen Freunde dort“, gerät Marion Klabes-Hesse ins Schwärmen. Unter ihnen Dick Grob – ein Freund und Leibwächter von Elvis Presley.
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Nach der US-Reise wird es ernst: „Marion hat nicht dieselbe Blutgruppe wie ich. Früher wäre eine Transplantation daran gescheitert. Aber heute geht das. Ich muss am 27. März ins Krankenhaus, dort wird mittels einer Blutwäsche mein Blut auf ein kompatibles Level gebracht. Mein Immunsystem wird dann komplett runtergefahren, damit mein Körper die Niere von Marion nicht abstößt.“ Seine Frau muss einen Tag vor der Transplantation ins Krankenhaus.
Die Organ-Entnahme bei ihr nimmt ein vom Arzt gesteuerter Roboter vor. Nach drei Tagen ist sie wieder auf den Beinen. Auf beide wartet nach der OP eine Reha. „Die Klinik in Kiel arbeitet nach dem neuesten Stand der Technik. Aber noch viel wichtiger ist es, dass man Vertrauen zu den Ärzten hat und sich gut aufgehoben fühlt.“
Vieles wird sich ändern
Danach wird sich für den Hallenberger vieles ändern: Lebenslang alle zwölf Stunden Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken, plus Cortison, plus äußerste Vorsicht vor vielen alltäglichen Dingen wegen des schwachen Immunsystems, plus strenge Ernährungs-Auflagen – aber alles ist besser als Dialyse.
Carsten Hesse hat sich anfangs dagegen gesträubt, dass seine Frau für ihn unters Messer soll. Für sie war das von Anfang an kein Thema. Aber er weiß auch, dass nur 15 Prozent der potentiellen Spender überhaupt so fit und gesund sind, um den Eingriff vornehmen zu lassen.
„Es gibt keinen Plan B. Das wäre eine fremde Organspende, auf die ich sechs Jahre und länger warten müsste. Plan C wäre die Dialyse, aber ich weiß von meinem Vater, wie das geendet ist. Die meisten sterben schon an den Begleiterscheinungen“, sagt Carsten.
Er und seine Frau haben die aktuelle Diskussion um das Thema Organspende in Deutschland mit Kopfschütteln verfolgt: „Ich verstehe nicht, warum man das nicht besser geregelt hat. In vielen anderen Ländern ist die Organspende selbstverständlich.“
Zwischen den Zeilen lesen
Zum Jahreswechsel hat Freddy Albers, alias Carsten Hesse, über die sozialen Netzwerke einige hundert „Freunde“ angeschrieben und ihnen ein gutes neues Jahr gewünscht. Auch bei mir kam die Nachricht an, weil ich vor langer Zeit über ihn berichtet hatte.
Stutzig machte mich eine Formulierung des 48-Jährigen: „Ein ereignisreiches und spannendes Jahr liegt vor mir.“ Da wird der Journalist hellhörig und fragt nach. Großer Auftritt, Plattenvertrag, Fernsehshow? Kurz darauf kommt die Antwort: „Na, das ist ja ein Dingen. Niemand von meinen zahlreichen Facebook-Freunden und regelmäßigen Kontakten hat den tieferen Sinn meines Neujahrspostings irgendwie herausgelesen - außer Dir!“
Der Hallenberger leidet an einer üblen Erbkrankheit: Zystennieren. Und die Leistung der Organe ist nun am Ende. Carsten Hesse möchte mit seiner Geschichte eigentlich gar nicht an die Öffentlichkeit gehen. Er wird eine neue Niere bekommen, die ihm seine Ehefrau spendet. Punkt. Aus.
Er glaubt nicht, dass das irgendjemanden interessiert. Es sei denn, seine Geschichte würde anderen Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen und sie motivieren, seinem Partner, seiner Freundin, einem Geschwisterteil ebenfalls ein lebenswichtiges Organ zu spenden, sagt Carsten. Vielleicht denkt ja auch jeder von uns nochmal über seine Einstellung zum Thema Organspende nach.
All das will dieser Beitrag und deshalb danke an Carsten und seine Frau Marion, dass ich ihre ganz persönliche Geschichte hier erzählen darf. Thomas Winterberg
Mit vielen Arztbesuchen und Heilmitteln hat sich Carsten Hesse lange über Wasser gehalten und ab und an wird ihm auch etwas mulmig. „Laut Arzt bin ich in Sachen Nieren schon lange am Ende. Natürlich habe ich mich belesen und informiert. Ich will schließlich wissen, was ich alles kriegen kann, aber ich will all das nicht kriegen. Ich arbeite ganz normal, so lange wie es geht; ich hab doch keine Lust, mich aufs Chaiselongue zu legen“ versprüht der 48-Jährige jede Menge Kampfgeist und Optimismus.
Die Show geht weiter
Und deshalb hat er sich auch schon weitere Ziele gesetzt. Für den 12. Mai haben er und seine Frau Konzertkarten für „Engelbert“ in Hamburg, am 31. Mai will er beim Pfingst-Konzert im Winterberger Kurpark wieder selbst als Künstler auf der Bühne stehen und im November soll es nochmal in die USA gehen. Definitiv. „Bis dahin bin ich wieder fit.“
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Nicht nur seine vielen Fans wünschen ihm das. Und um es mit Freddy Quinn zu sagen: „Junge, komm bald wieder!“