Waldeck-Frankenberg. Nach dem Wurstskandal der Firma Wilke berichten ehemalige Mitarbeiter von gezielten Täuschungen.
Die Firma Wilke Wurstwaren wurde in den zurückliegenden Jahren nicht immer in der Häufigkeit kontrolliert, wie es nach der geltenden Richtlinie der Lebensmittelüberwachung nötig gewesen wäre. Das berichtet die Waldeckische Landeszeitung.
„Grund sind personelle Engpässe, die den Landkreis Waldeck-Frankenberg – wie aus der aktuell veröffentlichten Umfrage der Verbraucherorganisation Foodwatch hervorgeht – leider mit vielen Landkreisen in ganz Deutschland verbindet“, schreibt der Landkreis dazu.
Kein Anlass an Zuverlässigkeit zu zweifeln
Zur Erinnerung: Bis Mai 2016 war Jens Deutschendorf als Erster Kreisbeigeordneter für die Lebensmittelüberwachung in Waldeck-Frankenberg zuständig, danach Fritz Schäfer als ehrenamtlicher Dezernent. Deutschendorf hatte damals Dr. Martin Rintelen zum Leiter des Fachdienstes Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen ernannt, der nun im Zuge des Wilke-Skandals ebenfalls in die Kritik geraten ist.
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Deutschendorf: „Die Stelle musste wegen eines Todesfalles neu besetzt werden. Herr Dr. Rintelen hat sich damals in einem Auswahlverfahren durchgesetzt. Ich hatte keinen Anlass, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln.“
2900 Betriebe sind einzustufen
Deutschendorf selbst hat nach eigener Aussage damals keinen Einfluss auf die Einstufung der Lebensmittel produzierenden Betriebe in Waldeck-Frankenberg in die jeweiligen Risikoklassen genommen. Das sei bei 2900 Betrieben auch gar nicht möglich. Die Einstufungen nehme der Fachdienst Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen in eigener Verantwortung vor. Er führe auch die Kontrollen durch.
„Natürlich befand ich mich mit Dr. Martin Rintelen im regelmäßigen Austausch. Mir war aber zu meiner Zeit als Erster Kreisbeigeordneter von Problemen mit Listerien in der Firma Wilke nichts bekannt und ich kann mich auch an hygienische Mängel oder andere Probleme nicht erinnern“, so Deutschendorf. In der Rückschau sei jedoch ersichtlich, dass der Fachdienst Ende 2015 Probleme bei der Firma Wilke erkannt und entsprechend reagiert habe.
Qualitätsprüfungen bestanden
Wenn bei den Kontrollen der Veterinäre den Protokollen zufolge alles in Ordnung war, stellen sich allerdings die Fragen, inwieweit diese unangekündigten Kontrollen Wilke-Geschäftsführer Klaus Rohloff tatsächlich überrascht haben, ob die Kontrolleure wirklich sämtliche Bereiche überprüften oder ob ihnen manches vorenthalten wurde?
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Im Falle des im Lebensmittelhandel gängigen IFS-Zertifikats, das Wilke noch im Sommer erlangt hatte, hatte die Firma jedenfalls darauf bestanden, vorher zu wissen, wann die Prüfer kommen. „Ich habe mich immer gewundert, dass wir die Qualitätsprüfungen bestanden haben“, berichtete eine ehemalige Mitarbeiterin der Versandabteilung.
Räume sollen vorher aufgeräumt worden sein
Ihr zufolge wurden bei verschiedenen Kontrollen und Besuchen die Betriebsräume vorher aufgeräumt, so dass die hygienischen Bedingungen dann nicht denen des Betriebsalltags entsprachen. „Verdorbene Ware wurde mit einem Laster weggeschafft und später wiedergeholt und verwertet.“ Hygieneschleusen im Produktionsbereich konnten Mitarbeiter den Aussagen zufolge regelmäßig umgehen. „Nur bei Kontrollen waren die Tore zu“, sagte die frühere Wilke-Mitarbeiterin.
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Wurde schlechtes Fleisch versteckt?
Eine andere ehemalige Beschäftigte bestätigt solche Vorwürfe: „Bei dem jährlichen Audit sollten wir hundert Kisten schlechtes Fleisch verstecken. Das war Müll. Doch danach wurde es noch verarbeitet.“ Ihre Vermutung: „Rohloff hat die Audits mit Geld gekauft.“
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Ob die Firma auch Kontrollen der Veterinäre des Landkreises Waldeck-Frankenberg so manipulieren konnte, bleibt unklar.
Mehr Entscheidungsgewalt für Ministerium
Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bekommt als Konsequenz aus dem Fleischskandal um die Firma Wilke Wurstwaren mehr Entscheidungsgewalt bei der Lebensmittelüberwachung. Mit der am Donnerstag im Wiesbadener Landtag beschlossenen Gesetzesänderung hat das Land nun ein uneingeschränktes Weisungsrecht. Bislang waren die kommunalen Behörden für die Kontrollen zuständig. Das Land konnte nur ausnahmsweise bei drohender Krisengefahr und in Fällen von kreisübergreifender oder besonderer Bedeutung eingreifen.
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Mit der jetzt beschlossenen Gesetzesänderung wird sichergestellt, dass das Ministerium fortan selbstständig Kontrollen bei einem Lebensmittelbetrieb anordnen kann, wenn dieser negativ auffällt oder wenn Unklarheiten vor Ort geklärt werden müssen.