Winterberg/Brilon. Die mutmaßlich Geschädigte stellt sich erneut einer sechsstündigen Befragung durch das Gericht. Dann überrascht der Angeklagte mit einem Antrag.
Mit gleichmäßiger Stimme beschreibt die Frau vor dem Briloner Schöffengericht die Zeit nach ihrer mutmaßlichen Vergewaltigung in ihrer Wohnung im Raum Winterberg: „Das waren die ruhigsten vier Wochen seit einer langen Zeit.“ In einer fast sechsstündigen Vernehmung stellt sie sich am zweiten Verhandlungstag erneut den Fragen des Gerichts. Denn ihr ehemaliger Lebensgefährte ist angeklagt, sie vor sechs Jahren vergewaltigt zu haben.
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Immer wieder habe er sie nach dem Vorfall telefonisch oder mit Textnachrichten kontaktiert. Nette Worte hätten sich mit Drohungen abgewechselt, der Angeklagte habe die beendete Beziehung wieder aufleben lassen wollen. Bis die heute 42-Jährige laut ihrer Aussage nachgegeben habe. Es sei zwar zu keinen Treffen, jedoch zu vermehrtem Kontakt per Video-Telefonie gekommen. Dieser Umstand soll dazu geführt haben, dass die emotionale Achterbahnfahrt der Textnachrichten ein Ende fand und die vermeintlich Geschädigte innerlich ruhiger wurde.
Drohungen als ständiger Begleiter
„Ich konnte nicht das Haus verlassen ohne eine Drohung im Kopf zu haben. Ich habe mich schon in meinem eigenen Haus nicht schützen können, wie hätte ich also meine Kinder schützen können? Ich hatte große Angst“, gibt die Zeugin an. Doch der Angeklagte habe mit der Zeit angefangen, erneut sexuelle Avancen zu machen. Die Frau soll sich bei der Videotelefonie aufreizend gekleidet haben, ein Umstand den der Angeklagte angeblich beweisen kann.
E-Mails sollen Einblick in Gewaltausbrüche geben
Das Verfahren wird am 20. Dezember fortgesetzt. Dann sollen ein Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie ein Richter des Amtsgerichtes Medebach gehört werden.
Am 2. Januar 2020 sollen E-Mails zum Gegenstand der Verhandlung werden. Die vermeintlich Geschädigte gibt an, dass dort gewalttätige Übergriffe von Seiten des Angeklagten thematisiert werden und auch die Vergewaltigung in diesem Rahmen besprochen wird.
Die 42-Jährige erklärte daraufhin, dass sie besorgt über erneute Ausraster gewesen sei und den Wünschen des Angeklagten in der Hinsicht deswegen nachgekommen sei. Bis sich bei ihr ein Schalter umgelegt habe. „Ich sagte ihm, dass wir nie wieder sexuellen Kontakt haben werden“, erklärt sie. „Ich musste aufhören zu reagieren und mich beeinflussen zu lassen. Das fiel mir sehr schwer, aber ich habe den Kontakt dann eingestellt.“
Rache als mögliches Motiv
Das Gericht versuchte im Rahmen der Befragung auch ein mögliches Motiv für die Tat zu ergründen. Die Zeugin gab an, dass es ihrer Meinung nach um Rache und Wut gegangen sei. Sie habe eine Rechnung nicht bezahlt, die auf den Angeklagten zurückgefallen sei. „Ich mache mir heute noch Vorwürfe deswegen und fühle mich mit verantwortlich für das, was passiert ist. Hätte ich bloß die Rechnung bezahlt“, sagt die Frau.
Nach der Befragung der Zeugin bestand der Angeklagte darauf, dass sie vereidigt wird. Sehr zur Verwunderung des Gerichts, das diesem Antrag aber trotzdem nachkam. „Ich habe noch nie erlebt, dass ein vermeintliches Vergewaltigunsopfer vor Gericht vereidigt wird. Das könnte ihre Aussage am Ende sogar nur noch stärker machen“, erklärte der Vorsitzende Richter Schwens.
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Weitere Gewalttaten
Schon vor dem Vorfall 2013 soll es laut Zeugin in der Familie öfter zu Gewaltausbrüchen gekommen sein - meist gegen die eigenen Kinder. Ein Umstand, den der Angeklagte zum Teil in einem anderen Verfahren bereits zugab, wie eine Richterin des Landgerichts Arnsberg aussagte.