Brilon. Vor 30 Jahren gingen in der Balgert die Bauarbeiten los - und in Brilon die heftigen Proteste. Heute ist Egger größter Arbeitgeber

Martin Ansorge ging auf dem Petrinum dem Abitur entgegen, als in der Balgert die Bagger den fruchtbarsten Boden Brilons zerwühlten und die emotionale Auseinandersetzung um die Ansiedlung der Fa. Egger die Schlagzeilen und die Gespräche auf der Straße bestimmten. Es war ein heißer Herbst damals, vor 30 Jahren. Der 51-jährige erinnert sich noch an die „Trecker-Demos“, und auch, dass an der Schule „einiges los“ war. Heute gehört Martin Ansorge als Kaufmännischer Leiter zur Führungsspitze des Werkes, das die Stadt verändert hat. Aus den damals 250 Mitarbeitern sind 1150 geworden, vom ersten Spatenstich bis heute ist das Werk auf 570.000 qm gewachsen; das entspricht etwa 80 Fußballplätzen.

Neuer Bio-Wäscher für die Abluft

Und es geht weiter. Aktuell läuft die baurechtliche Ausweisung einer weiteren, an das Sägewerk angrenzenden Fläche von rund 14 Hektar. 642 Millionen Euro hat das Unternehmen aus St. Johann in Tirol bisher im Hochsauerland investiert, davon alleine in den vergangenen fünf Jahren 200 Millionen. Kernstück dabei war der Aufbau einer neuen Kanten-Produktion für die Kunden aus der ostwestfälischen und der mitteleuropäischen Möbelindustrie.

Elf Millionen Euro flossen im vergangenen Jahr in den Bau eines Hochregallagers. Die 80 m lange, 15 m breite und 35 m hohe vollklimatisierte Halle enthält 1300 Platten-Stellplätze - damit hat das Werk seine Lagermöglichkeiten verdoppelt. Mit 40 m noch ein Stück höher hinaus ragt der neue, zweistufige Bio-Wäscher über das Werksgelände hinaus.

Der reinigt auf biologische Weise die Abluft aus der MDF-Platten-Produktion. Investitionsvolumen hier: rund 13 Millionen Euro. Ende kommenden Jahres treten strengere Emissionswerte in Kraft. „Bis dahin“, so Gerhard Niehaus, Werksleiter Technik, „wollten wir nicht warten und haben uns deshalb schon im November dazu entschieden, sofort zu handeln.“ Mit dem neuen Wäscher werde das bei der Plattenproduktion in der Abluft enthaltende Formaldehyd um weitere 50 Prozent verringert. Nachhaltigkeit und Umwelt, so Niehaus weiter, werden groß geschrieben.

Anforderungen lagen unter dem technischen Know How

Das sah vor 30 Jahren noch etwas anders aus, wie sich Christiana Kretzschmar, bei der Kommunalwahl am 1. Oktober 1989 für die Briloner Bürgerliste (BBL) in den Rat der Stadt Brilon gewählt und bis heute ununterbrochen dort engagiert, erinnert. Schon damals, so sagt sie, hätte die Stadt auf höhere Grenzwerte bei den Emissionen bestehen können, um den Sorgen der Bevölkerung entgegenzutreten: „Technisch war das möglich.“. Gleiches hatte seinerzeit selbst der damalige Kopf des österreichischen Familienkonzerns, Fritz Egger, gegenüber der WP eingeräumt. „Letztendlich“, sagt die Kommunalpolitikerin, „ist das gut gelaufen. Egger hat sich wahnsinnig entwickelt.“ Allerdings würde sie in einer vergleichbaren Diskussion auch heute wieder „die gleiche Haltung einnehmen“ wie damals.

Borkenkäfer-Holz aus der Region abnehmen

Was vom Nehdener Weg aus ebenfalls seit kurzem sichtbar ist: der neue Holzlagerplatz. Damit will Egger die unter der Borkenkäfer-Kalamität leidenden Waldbesitzer der Region unterstützen, die das befallene Holz möglichst schnell schlagen und wegschaffen müssen. Dabei hat das Sägewerk mit „mehreren hundert Kunden“ zu tun, wie dessen Geschäftsführer Paul Lingemann sagt. Das Sägewerk hat mehrere Trocken- und bei Alme auch ein Nasslager eingerichtet. Mit einer speziellen Röntgen- und Scanner-Technologie, eine Investition von rund fünf Millionen Euro, wird die Qualität der Stämme individuell festgestellt und der Zuschnitt optimiert. Eine Million Festmeter (fm) Holz wurde dort in den letzten 12 Monaten geschnitten - 160.000 fm mehr als im Jahr zuvor, ein neuer Rekord.

Blick von oeben auf das riesige GHelände der Firma Egger.
Blick von oeben auf das riesige GHelände der Firma Egger. © www.blossey.eu | Hans Blossey

90 Mitarbeiter der ersten Stunde sind noch heute in der Balgert tätig. Etwas besorgt ist die Führungs-Crew über das mit 42 Jahren recht hohe Durchschnittsalter der Belegschaft. 400 Mitarbeiter sind über 50.. Deshalb müsse man sich noch mehr als bisher darum bemühen, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Im August begannen 39 Auszubildende und duale Studenten in 13 Berufen ihre Ausbildung in Brilon.

Im Kreis der Weltmarktführer aus Südwestfalen

Nicht nur als Arbeit-, sondern auch als Auftraggeber ist Egger ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zwar hält das Unternehmen eine eigene, 140 Mann starke Instandhaltungseinheit vor, aber gleichwohl gehen auch Aufträge an Handwerker und Firmen der Region. Allein das Magazin, so Thomas Witiska, werde alle anderthalb Jahre umgeschlagen. Volumen: rund 13 Millionen Euro.

Auch interessant

„Brilon“, sagt Martin Ansorge, „ist Technologie-Entwickler für andere Werke. „Die Aufnahme in den Reigen der Weltmarktführer aus Südwestfalen unterstreicht die Erfolgsgeschichte des Werkes und seine Bedeutung für die Region. Die erste Platte lief am 20. Dezember 1990 vom Band. Das ist dann auch das Datum für den runden Geburtstag.