Bredelar/Korbach. Die Ursache für den Ballon-Unfall bei Bredelar ist noch ungeklärt. Im Korb des Ballons war Karolin Hasecke: sie berichtet von der Fahrt.

Karolin Hasecke kommt vom Bauernhof. „Da ist man hart im Nehmen“, sagt die 23-jährige Korbacherin. Seit zwei Jahren arbeitet sie als Hebamme am Korbacher Krankenhaus. So leicht ist die junge, sympathische Frau nicht aus der Fassung zu bringen. Aber jenen 4. Juni wird auch sie wohl nicht vergessen. Karolin Hasecke ist eine von insgesamt elf Personen, die im Bereich „Fettküche“ zwischen Madfeld und Bredelar mit einem Heißluftballon abgestürzt sind. Die vier Männer und sechs Frauen im Alter von 22 bis 59 Jahren sowie der Pilot (64) sind dabei zum Teil schwer verletzt worden. Auch Karolin Hasecke erlitt Verbrennungen und Prellungen am Bein. Die Narben werden sie noch lange an die Tour erinnern.

Viel Erfahrung

Der 64-jährige Pilot, so heißt es weiter in dem BFU-Zwischenbericht, sei seit 1992 im Besitz einer Pilotenlizenz für Freiballonführer und habe seit November 2014 eine unbefristet gültige Pilotenlizenz. Laut persönlichem Fahrtenbuch betrug die Gesamtflugerfahrung 2761 Stunden. Laut Bordbuch absolvierte er auf dem betroffenen Muster in den letzten 24 Monaten 132 Fahrten, davon 13 Fahrten in den letzen 90 Tagen.

Die Staatsanwaltschaft Arnsberg hat nach dem Unfall die Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung aufgenommen.

Eigentlich ist die 23-Jährige an besagtem Dienstagabend nur von der Ersatzbank nachgerückt. „Meine Mutter hatte die Fahrt zum 50. Geburtstag geschenkt bekommen und ihre Schwester zum 40. Weil meine Tante aber nicht konnte, bin ich für sie eingesprungen.“ Schon zweimal ist die Fahrt kurz vorher abgesagt worden. Einmal sollte sie in Frankenberg starten. Solch kurzfristige Verschiebungen sind nicht unüblich, denn das Wetter muss passen. Aber als diesmal am Sonntagabend der Anruf kommt, dass es Dienstag losgehen werde, stellen sich Karolin und ihre Mutter auf eine entspannte Fahrt über heimatliche Dächer ein.

Karolin Hasecke erinnert sich an die Ballonfahrt vom 4. Juni.
Karolin Hasecke erinnert sich an die Ballonfahrt vom 4. Juni. © privat

„Die Zeugen gaben an, dass sie im Rahmen der Start- bzw. Fahrtvorbereitungen über das Verhalten während der Fahrt und bei der Landung unterwiesen worden seien. Der Pilot habe u. a. Erklärungen zum Ballon abgegeben sowie auf das Verstauen von Brillen, Fotoapparaten und Mobiltelefonen hingewiesen und erklärt, wie sich alle Passagiere bei der Landung verhalten und im Korb festhalten sollen.“ (aus dem Zwischenbericht der BFU)

Um 19 Uhr trifft sich die bunt zusammengewürfelte Gruppe am Flugplatz in Korbach. „Meine Mutter kannte ein paar Leute, ich nicht. Wir haben eine kurze Einweisung bekommen, dass man sich nicht zu weit über den Korb lehnen, dass man seine Kamera gut festhalten, sich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung hinhocken und die Brille bei der Landung am besten absetzen soll.“ Um 20 Uhr startet der Ballon: „Ich war überrascht, wie groß der Korb war. Großmächtig unterhalten haben wir uns nicht. Denn wenn der Brenner aufflammt, ist es ganz schön laut.“

Gemächliches Gleiten

Der Ballon nimmt Fahrt auf, gleitet über Korbach, Adorf, Padberg, Bredelar. „So über die Maßen hoch waren wir gar nicht unterwegs. Man konnte die Autos unten sehen und auch die Fußballspieler auf dem Rasenplatz. Es war ein ganz gemächliches Gleiten, sehr sanft und schön“, erzählt Karolin Hasecke.

Der Ballon sei hinter Padberg gewesen, als zum ersten Mal von Landung die Rede gewesen sei. „Die Fahrt sollte etwa eine Stunde dauern, das passte zeitlich auch. Die Ballon-Firma fährt in solchen Fällen mit Autos hinterher, um die Passagiere an den Ausgangspunkt ihrer Fahrt zurückzubringen und um den Ballon wieder einzupacken.“

„Zur Landeentscheidung des Piloten gaben die Zeugen an, dass er im Bereich der Ortschaft Bredelar die Landung angekündigt habe und auch die Gründe für die Landeentscheidung, respektive die örtliche Hindernissituation, erläuterte. Der Begleitmannschaft im Verfolgerfahrzeug habe er per Funk seinen Standort und das Landegebiet mitgeteilt und erwähnt, dass der Wind „kernig“ sei. Außerdem habe er seine Passagiere nochmals auf das richtige Verhalten bei der Landung hingewiesen.“

Unmittelbar nach dem Unfall: der Ballon liegt auf der Wiese im Bereich der Fettküche.
Unmittelbar nach dem Unfall: der Ballon liegt auf der Wiese im Bereich der Fettküche. © Feuerwehr


Etwas mehr Wind

„Haltet Euch fest, es ist etwas mehr Wind“, habe der Pilot gesagt, als das Fluggerät auf den Wiesen oberhalb der Bundesstraße zur Landung ansetzen will, sagt Karolin Hasecke. Dann titscht der Korb mit einer Seite fünf-, sechsmal auf den Boden der abschüssigen Wiese auf, ohne unten zu bleiben. „Es war so wie ein flacher Stein, den man mehrmals über die Wasseroberfläche tanzen lässt.“ Der Korb touchiert einen Stacheldraht, setzt noch ein paar Mal auf, bevor er schließlich wie ein Würfel rollt und mit der Öffnung nach unten zum Liegen kommt, so dass alle elf Passagiere unter dem Korb liegen.

„Die Anfahrt zur Landung auf einer Wiese an einer Hügelkuppe sei eher flach gewesen. Beim ersten Aufsetzen im noch leicht ansteigenden Bereich der Kuppe sei der Korb in Fahrtrichtung gekippt und habe wieder geringfügig abgehoben. Anschließend sei der Korb weiter über die Wiese geschleift worden. Der Pilot habe dabei „die ganze Zeit an Leinen gezogen“. Hangabwärts durchbrach der Korb einen Zaun und habe sich anschließend „überschlagen“. Dabei sei der Brenner ausgelöst worden. Der Korb sei, auf das Brennergestell gestützt, liegend zum Stillstand gekommen.“

Kurz vor dem Start in Korbach: der Ballon füllt sich.
Kurz vor dem Start in Korbach: der Ballon füllt sich. © Hasecke

Restgas in der Leitung

„Es muss noch etwas Restgas in der Leitung gewesen sein, denn auf einmal ist das Gas aufgeflammt und hat einen der Mitfahrer in Brand gesetzt“, schildert Karolin Hasecke. Panik sei nicht ausgebrochen. Dafür seien alle zu schockiert gewesen. Von nun an geht alles sehr schnell. Einer der Fluggäste hat Angst unter der Enge des Korbes und rollt ihn mit aller Kraft auf die Seite. Die Kleidung eines Passagiers hat Feuer gefangen. Geistesgegenwärtig werden die Flammen ausgeklopft. Karolins Mutter und ein weiterer Passagier stützen den schwer verletzten Mann, damit er nicht mit seinen offenen Brandwunden mit dem Gras in Berührung kommt. Die 23-Jährige fischt ihre Brille aus dem Shirt, findet ihr Handy am Boden und läuft damit auf die Straße: „Ich hatte gesehen, dass dort ein Gebäude ist. Dann habe ich den Notruf abgesetzt und gesagt, dass wir hier in der Nähe der Gastwirtschaft zur Fettküche mit einem Heißluftballon abgestürzt und mehrer Leute verletzt sind.“

Rettungskräfte schnell vor Ort

Die Rettungskräfte seien schnell am Unglücksort gewesen. Sie selbst wird mit einem Krankenwagen nach Paderborn ins Krankenhaus gebracht; entlässt sich aber am selben Abend noch und geht dann in „ihr“ Krankenhaus nach Korbach, wo die Brandwunden behandelt werden.

„Bei dem Unfall wurden alle 11 Insassen verletzt, davon erlitten 7 Personen schwere und 4 Personen leichte Verletzungen. Bei einzelnen Betroffenen kam es zu Mehrfachverletzungen.“

„Jeder hat ein bisschen was abbekommen - der eine mehr, der andere weniger. Der Mann in der Nähe des Brenners und seine Frau sowie der Pilot sind am schlimmsten verletzt worden“, sagt Karolin Hasecke. Wie es den anderen Beteiligten heute gehe, wisse sie nicht. Sofort nach dem Unfall werden alle Beteiligten gefragt, ob sie gegen den Piloten Strafanzeige stellen möchten. „Soweit ich weiß, haben alle gesagt, dass sie das nicht wollen. Ihn trifft meiner Meinung nach keine Schuld. Klar, wird jeder privat Schadenersatz über die Versicherung geltend machen, aber strafrechtlich kommt da von uns nichts.“

Psychologische Hilfe angeboten

Die Polizei habe sich auch nach dem Unfall um die Beteiligten gekümmert und zum Beispiel psychologische Hilfe angeboten. „Ich brauche das nicht, aber ich weiß nicht, wie es den anderen ging oder geht.“

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Karolin Hasecke ist fest davon überzeugt, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können. Sie hätte auch keine Angst, nochmal in einen Heißluftballon-Korb einzusteigen. „Ich würde es aber wohl trotzdem nicht mehr machen. Dafür ist es nach meinem Gefühl nicht spektakulär genug. Ich würde es mir nicht selber kaufen. Ich habe noch einen Paragliding-Gutschein, den ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe; den muss ich auch langsam mal einlösen.“

Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hat einen ersten Zwischenbericht verfasst.