407 Auszubildende suchen noch immer nach einer Stelle. Die Metzgerei Scharfenbaum in Brilon hat Probleme Interessenten zu finden. Schon wieder.
Brilon/Sauerland. Seit rund zwei Wochen sind die ersten Azubis ins Ausbildungsjahr 2019 gestartet. Während Jobs wie Industriekaufmann, Kfz-Mechatroniker und Industriemechaniker derzeit zu den beliebtesten Ausbildungsberufen gehören, wird es für Fleischereien oder Hotelbetriebe immer schwieriger, potenzielle Kandidaten zu finden.
Diese Entwicklung bekommt auch Ruth Scharfenbaum von der gleichnamigen Metzgerei mit Sitz in Madfeld zu spüren. Wie schon im vergangenen Jahr hat sie keinen Auszubildenden für den Beruf des Metzgers und Verkäufers gefunden – Ausbildungsstart wäre der 1. August gewesen. „Wer noch einen Platz sucht und verspätet einsteigen will, kann sich noch schriftlich bei uns bewerben“, sagt Ruth Scharfenbaum, die das Familienunternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Jörg führt.
Freie Stellen ausgeschrieben
Die Stelle des Metzgers ist in Madfeld, Verkäufer werden in Paderborn, Bad Wünneberg und Steinhausen geschult. Immerhin für das kommende Jahr kann die Metzgerei Scharfenbaum mit einem Azubi planen. Ein Schüler absolvierte bereits ein dreiwöchiges Praktikum im Betrieb und wird 2020 nach seinem Schulabschluss als Metzger sein Berufsleben starten.
Azubis sollen gehalten werden
Ihre dreijährige Ausbildung als Fleischer abgeschlossen haben aktuell zwei Mitarbeiter. Eine Arbeitskraft bleibt im Betrieb, die andere zieht es zur elterlichen Metzgerei. „Generell ist es unser Ziel, unsere Azubis zu übernehmen“, sagt Ruth Scharfenbaum. Wer eine Ausbildung beginnen will, muss nicht unbedingt Schüler sein – auch Quereinsteiger sind willkommen. „Handwerkliches Geschick ist ebenso wichtig wie Hygienebewusstsein. Zudem sollte der Bewerber nicht zur zögerlichen Sorte gehören“, zählt Scharfenbaum auf.
Auch wenn der Beruf des Metzgers bei jungen Azubis nicht besonders gefragt ist, so hat er doch einige Vorteile. „Als Fleischer ist man am gesamten Verarbeitungsprozess dabei, erhält interessante Einblicke und kann flexibel arbeiten“, sagt die Inhaberin. Der Bildungsweg muss nach erfolgreicher Ausbildung nicht zu Ende sein – es kann der Meister folgen oder eine Weiterbildung zum Fleischtechniker.
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407 Bewerber suchen noch nach einer Stelle
Weitere Verdichtung in den kommenden Jahren erwartet
2018 hat die Kreishandwerkerschaft laut Geschäftsführer Ingomar Schennen eine stabile Entwicklung bei den Fleischereibetrieben verzeichnet. Soll heißen: „Wir hatten keine Schließung, es sind aber auch keine neuen Betriebe hinzugekommen.“
Die letzten Schließungen habe es Ende des Jahres 2017 in Brilon-Wald mit der Fleischerei Menke gegeben, nachdem der Inhaber verstorben war. Ende April dieses Jahres hatte außerdem die Fleischerei Hoppe in Velmede geschlossen. Auch hier fehlte der Nachfolger.
Damit ist die Zahl der Fleischereien im Hochsauerlandkreis im Jahr 2019 von 45 auf 44 gesunken.
Heinrich Veh aus Neheim ist Obermeister der Fleischer-Innung Hochsauerland. Er ist sicher, dass es in den kommenden zehn Jahren zu einer weiteren Verdichtung kommen wird: „Aufgrund der Altersstruktur werden einige Betriebe in absehbarer Zeit schließen, wenn sie keinen Nachfolger finden - oder kein Filialist das Geschäft übernimmt.“
Die Firma Scharfenbaum hat 1997 in Madfeld ihren Grundstein für einen eigenen Schlacht- und Metzgereibetrieb gelegt.
V on 1950 Bewerbern im Berichtsjahr 2018/19 sind 1543 Männer und Frauen mit Ausbildungsstellen versorgt, teilt die Agentur für Arbeit Meschede-Soest in einer im Juli erschienenen Statistik mit. Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf den Hochsauerlandkreis. 407 Bewerber waren demnach noch unversorgt, 248 davon sind männlich. Die meisten Auszubildenden sind laut Statistik zwischen 16 und 20 Jahre alt. Der Anteil von deutschen Bewerbern (1748) im Hochsauerlandkreis ist um ein Vielfaches höher als der von ausländischen Kandidaten (202). Von den 1950 Bewerbern haben 732 einen Realschul- und 448 einen Hauptschulabschluss.
„Sind das Zünglein an der Waage“
Berufsberater Torsten Milinski im Interview
Auf dem Weg in eine erfolgreiche berufliche Zukunft ist es ratsam, sich beraten zu lassen. Diese Rolle muss nicht ausschließlich von Eltern übernommen werden. Bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur Soest-Meschede hilft Torsten Milinski dabei, dass die zukünftigen Bewerber sich für die passende Ausbildung entscheiden. Die Westfalenpost Brilon hat sich mit dem Experten unterhalten.
Was erleben Sie häufig, wenn ein Jugendlicher mit 15 oder 16 Jahren zu Ihnen in die Sprechstunde kommt?
Milinski: Es gibt teilweise Schüler, die sehr unsicher sind und nicht wissen, für welche Ausbildung sie sich entscheiden sollen. Eltern haben bei dieser Fragestellung den größten Einfluss auf ihren Nachwuchs. Wir sind bei der Berufsberatung eher das Zünglein an der Waage.
Wie verhelfen Sie dem Jugendlichen denn zu einer Entscheidung?
Vorab muss gesagt werden, dass wir den Schülern die Entscheidung natürlich überlassen. Wir schreiben ihnen nichts vor. In der Sprechstunde schauen wir uns das Zeugnis an und blicken auf die „harten Fakten“. Wer beispielsweise eine Fünf in Mathe hat, sollte sich die Idee mit der Kaufmännischen Ausbildung vielleicht noch einmal überlegen. Wichtig sind aber besonders Gespräche über Vorstellungen, Wünsche und Fähigkeiten.
Ergeben sich dabei dann manchmal auch komplett neue berufliche Richtungen?
Das kann der Fall sein. Es gibt viel mehr Ausbildungen als nur die herkömmlichen und seit jeher beliebten. Neu ist beispielsweise der Kaufmann für E-Commerce oder der Produktionstechnologe. Es lohnt, zur Beratung zur kommen und im Internet die offiziellen Quellen zu nutzen.
Welche Sorge müssen Sie zukünftigen Bewerben hin und wieder nehmen?
Viele Jugendliche denken, dass sie die nächsten 50 Jahre in ihrem Ausbildungsberuf arbeiten müssen. Das ist definitiv nicht der Fall, denn es bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Weiterbildung oder auch des Berufswechsels - das ist kein Beinbruch und auch keine Seltenheiten.