Hagen. . Zwischen Angebot und Nachfrage ist die Lücke auf dem Ausbildungsmarkt in Südwestfalen besonders groß. IHK Siegen setzt auf Strategiewechsel.
Die Hoffnung schwindet, junge Schulabgänger von auswärts mit blendenden Perspektiven auf einen Ausbildungsplatz in Südwestfalen locken zu können. Kammern, Arbeitsagentur und Unternehmen versuchen viel, aber es wird immer schwieriger und die Zahl der unbesetzten Lehrstellen im Sauer- und Siegerland dürfte in diesem Jahr weiter wachsen.
In ganz NRW ist die Zahl der Bewerberinnen und gesunken, die der gemeldeten Ausbildungsstellen gestiegen. Im Mai waren bei den Agenturen für Arbeit noch 53.151 gemeldete Ausbildungsplätze unbesetzt. Dem standen 47.447 junge Menschen gegenüber, die noch keine Ausbildungsstelle oder eine Alternative gefunden haben.
Not macht erfinderisch
Hatten die Unternehmen früher die Wahl, sind heute die Schulabgänger in einer viel besseren Position – besonders in Südwestfalen. Die Behörde misst auch hier die Relation von angebotenen Stellen zu Bewerbern. Landesweit liegt die Quote bei 0,96. Das heißt, pro Bewerber stehen rechnerisch 0,96 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Insofern stimmt es, dass die Chefin der Regionaldirektion, Christiane Schönefeld, nicht von einem ausgeglichenen Ausbildungsmarkt in NRW spricht. Allerdings sieht sie schon lange, dass sich der demografische Wandel in Südwestfalen bereits heftig bemerkbar macht. Hier liegt die Quote bei 1,29, im Raum Siegen sogar bei 1,59.
Not macht beweglich, im Moment aber eher die Unternehmen als die Jugendlichen. Beispiel: Das von Kammern und Arbeitsagentur im Oktober 2018 gestartete Projekt „Mobil zum Ziel“ sah vor, im Kreis Recklinghausen Jugendliche für einen Ausbildungsplatz im Raum Siegen oder Olpe zu begeistern. Im Kreis Recklinghausen sind die Chancen für Schulabgänger besonders schlecht. Die bittere Erkenntnis: Trotz nachdrücklichen Werbens, Speeddating, für das Unternehmer aus Südwestfalen in die Region Emscher-Lippe reisten und sich und ihre Firmen vorstellten, blieb von sage und schreibe sieben Interessierten am Ende niemand übrig, der für einen Ausbildungsplatz einen Ortswechsel in Kauf nehmen wollte. Am Ende scheinen auch Verdienstmöglichkeiten (siehe Grafik) nicht das ausschlaggebende Argument für die Berufswahl zu sein – möglicherweise auch aus Unkenntnis. Die Ranglist der beliebtesten Ausbildungsberufe orientiert sich jedenfalls nicht unbedingt am späteren Gehalt.
Selbst namhafte Unternehmen in lukrativen Branchen merken dies. „Wir merken auch, dass es zunehmend schwieriger wird, qualifizierte Bewerber zu finden“, sagt Antje Seifert aus der Unternehmenskommunikation des Maschinen- und Anlagenbauers SMS in Hilchenbach. Dort gab es am vergangenen Samstag einen Ausbildungstag. Die Resonanz war groß, auch weil SMS Kooperationen mit Schulen aus der Region pflegt, regelmäßig Praktika anbietet und um die jungen Leute wirbt, sagt Seifert. 70 Ausbildungsplätze werden in Hilchenbach 2019 neu besetzt.
Versuch: Samstagsakademie
Nichts Ungewöhnliches in der Region. „Andere finanzieren ihren Azubis Mobilität, also ein ÖPNV-Ticket zum Beispiel“, weiß der Siegener IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Je knapper die Anzahl an jungen Leuten, desto kreativer muss die Personalabteilung sein.“ Gräbener glaubt, dass man bei der Ausbildungsförderung zuletzt nicht alles richtig gemacht habe: „Wir haben uns in den letzten 10 bis 15 Jahren viel um die jungen Menschen mit Vermittlungshemmnissen gekümmert, aber weniger um die Leistungsstarken.“
Nach den Sommerferien soll es deshalb in Siegen-Wittgenstein ein neues Angebot geben. Die Samstagsakademie, initiiert von den regionalen Sparkassen, der IHK und der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM). Es ist ein Versuch, motivierte junge Leute, die sich für Wirtschaft interessieren zu erreichen. Dozenten werden auch Unternehmer sein. Es gibt ganz sicher kein Patentrezept, um Nachwuchs zu gewinnen. Deshalb hilft wohl nur das Ausprobieren.