Hallenberg. Wer unterhaltsames und lustiges Sommertheater sucht, der sollte in diesem Jahr nach Hallenberg zu „Sugar“ fahren.
- 750 Zuschauer lassen sich am Sonntag von der Travestie-Komödie begeistern
- Schauspieler glänzen in turbulenter Inszenierung
- Weitere 15 Aufführungen folgen bis zum 3. September
Alle mögen „Manche mögen`s heiß“. Zumindest alle 750 Zuschauer, die es gestern Nachmittag auf der Hallenberger Freilichtbühne zum Großteil von den Sitzbänken gerissen hat. Dort feierte die musikalische Komödie „Sugar - manche mögen`s heiß“ eine umjubelte Premiere.
„Daphne, Sie führen schon wieder“
Kerle in Frauenrollen - das geht immer. Wenn behaarte Waden in Nylonstrümpfen auf Pumps mit hohen Hacken durch Chicago im Nuhnetal staksen, dann ist das witzig. Wenn sich als Damen getarnte Männer mit noch höherer Stimme an echte Frauen heranmachen, hat das in vielerlei Hinsicht seine Reize. Und wenn Weib-Mann Daphne im Handgemenge mit Mann-Weib Josephine mal wieder den Verlust ihrer geballten Weiblichkeit beklagt dann johlt die Menge.
Die charmante und unterhaltsame Travestie-Komödie mit vielen Ohrwürmern macht Spaß - ganz offensichtlich den 58 Spielern und auch den Zuschauern. Nach langer Lauthals-Lacher-Schenkel-Klopf-Abstinenz gönnt sich die Bühne mal wieder eine musikalische Maskerade, die trotz ihrer Leichtigkeit und Lässigkeit nicht flach wirkt. Dafür sorgen zum Beispiel spritzige Dialoge, die eingefleischte Cineasten aus dem filmischen Original von Billy Wilder mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis kennen. „Ich bin ein Mann! Na und - niemand ist vollkommen“, endet das intime Gespräch zwischen dem reichen Millionär Sir Osgood Feeling und der vermeintlichen Bassgeigespielerin Daphne. In der Szene tanzen übrigens Mann und vermeintliche Frau zusammen einen feurigen Tango, die im wirklichen Leben Vater und Sohn sind ;-) Herrlich!
Keine Kopie, sondern ein eigenständiges Werk
Regisseur Peter Hohenecker macht erst gar nicht den Versuch, aus der eher schwachen Vorlage der Musical-Version das Beste herauszuholen. Er orientiert sich vielmehr an dem legendären Film, hat Überflüssiges über Bord geworfen und garniert die Handlung mit Songs, die aus der Zeit stammen und/oder stammen könnten. Das schafft Bindeglieder. Denn größte Herausforderung für ihn bei der Inszenierung - das hat er im WP-Interview gesagt - sind die szenischen Übergänge.
Filmische Schnitte muss er durch Tempo, Tempo und nochmals Tempo ersetzen. Denn das Stück lebt von einer flotten Szenenfolge, die es braucht, um durchweg turbulent zu bleiben. Hier darf den Spielern auch in den nächsten 15 Aufführungen nicht die Puste ausgehen. Auch Hohenecker gelingt es in seiner ersten Inszenierung auf der Freilichtbühne, das riesige Areal auszunutzen: Mal lassen es die Maffiosi ordentlich knallen, mal gibt es Tanzeinlagen und durchweg herrscht Leben in Chicago und Miami.
Ausdrucksstark und tolle Bühnenpräsenz
Bei aller Anlehnung an den Film steht die Hallenberger Travestie-Komödie aber sehr wohl auf eigenen Füßen. Dafür sorgen allein schon die ausgezeichneten Darsteller: Wer als naive Ukulele-Spielerin „Sugar“ eine blonde Sexbombe à la Monroe erwartet, ist für einen Moment überrascht, aber dann begeistert. In ihrer ersten großen Rolle macht Jessica Crittenden einen wirklich guten Job. Die Wahl-Hallenbergerin mit amerikanischen Wurzeln hat eine ausdrucksstarke Stimme und gefällt durch ihre natürliche Ausstrahlung und eine starke Bühnenpräsenz. So ziemlich alle Monroe-Klassiker hat der Regisseur daher ins Song-Programm genommen.
Regelrechte Vollblut-Zugpferde am Theaterkarren Freilichtbühne sind Thomas Knecht und Stefan Pippel. Beide sind in den vergangenen Stücken (z.B. als Musketiere, als Jünger Jesu oder als Römer) über sich hinausgewachsen und zeigen diesmal, dass sie auch die komödiantische Seite beherrschen. Das bewusst helle Make-Up für eine vornehme Blässe zeigt jede Mimik. Und davon hat Thomas Knecht jede Menge zu bieten. Die Maskenbildner um Uta Paffe kommen gehörig ins Schwitzen, weil sie die Männer in Minutenschnelle in Frauen verwandeln und ihnen in die Kleider helfen müssen. Aber alles klappt wie am Schnürchen.
Ein paar Oscars mehr, bitte!
Aber auch die anderen Akteure gefallen sehr gut: Gelungen die Live-Gesangseinlagen von Vanessa Ante, Beate Schöttler und Manuela Winter als Jazz-Trio, Heribert Knecht als liebestoller Millionär oder Georg Glade als überdrehter Girl-Band-Manager Bienstock.
Billy Wilders legendärer Film hat seinerzeit übrigens nur einen Oscar bekommen - den nur für die besten Kostüme. Fürs Hallenberger „Sugar“ müsste die Academy einige Oscars mehr raushauen. Denn alle werden „Manche mögen`s heiß“ mögen.
Auf ungewohntem Posten stand diesmal Regisseurin Birgit Simmler. Sie eröffnete die Erwachsenenspielzeit und verabschiedete sich zugleich. Birgit Simmler verlässt Hallenberg und wird Intendantin der Luisenburg Festspiele in Wunsiedel. Mehrfach musste sie mit den Tränen kämpfen. Sie verlasse nicht nur ein Theater, sondern Menschen, die zu Freunden geworden seien.