Winterberg. Eine Lehrstunde bei Deutschlands bestem Sportholzfäller. Dirk Braun will seinen Titel in Winterberg verteidigen. Der Reporter als Ritter von der traurigen Gestalt.
- Eine Lehrstunde bei Deutschlands bestem Sportholzfäller.
- Dirk Braun will seinen Titel in Winterberg verteidigen.
- Der Reporter als Ritter von der traurigen Gestalt
Die stählerne Schneide meiner Axt trifft mit einem dumpfen Knall auf den Pappelstamm. Wieder und wieder hebe ich an und schlage auf das Holz zu meinen Füßen ein. Der Schweiß tritt mir auf die Stirn, die Arme werden schwer. Das Ergebnis: mickrig. Kleine Ritzen schlage ich in die Rinde, mehr nicht. Ein verzweifelter Gedanke schießt durch den Kopf: Vielleicht haue ich gar nicht auf Holz, sondern auf Beton ein, der zufälligerweise auch braun ist.
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Wahrscheinlich hat die ernüchternde Wirkung meiner Anstrengung jedoch damit zu tun, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Axt umklammere. Gartenarbeit beschränkte sich für mich bisher auf widerwilliges Unkrautzupfen. Das habe ich nun von meinem großstädtischen Leben. Ein letztes Mal recke ich die Axt in die Luft, lasse die drei Kilogramm auf dieses vermaledeite Beton-Holz niederrauschen – und sehe, wie ein Span aus dem Stamm splittert. Nicht groß, aber ich habe ihn der Pappel abgetrotzt. Eine Trophäe. Dirk Braun lacht nur.
Selbstversuch beim besten Sportholzfäller
Der Winterberger ist Deutschlands bester Sportholzfäller und zerhackt den gleichen Stamm, der mich emotional fast besiegt hätte, in weniger als 20 Sekunden. „Es gibt bei mir keine halben Sachen“, sagt der 46-Jährige. Wir stehen auf einer sechs mal acht Meter großen Bühne, die Braun sich selbst in seinen Garten gezimmert hat.
Hier trainiert der siebenfache Deutsche Meister, wenn er nachmittags aus dem Wald kommt. Als Forstwirt malocht er ab sieben Uhr morgens im Akkord und wird nach Festmetern bezahlt. Angesichts dessen wirkt meine morgendliche Entscheidung am Kleiderschrank für ein kariertes Holzfällerhemd, nun ja, bemüht.
Aber Dirk Braun scheint mein Outfit nicht als Anbiederung zu empfinden. Sonst hätte er mir schon einen passenden Spruch zugerufen. Denn Braun ist ein direkter Mensch. So wie er die Axt in das Holz hackt, so spricht er auch: klar, kompromisslos und unprätentiös. „Ich hatte nie Angst vor dem Werkzeug, weil ich schon als Kind Brennholz hacken musste“, erzählt das 97 Kilogramm schwere, durchtrainierte Kraftpaket. „Viele haben großen Respekt vor den Äxten und Sägen. Aber bei uns gilt das Gleiche wie in der Formel 1: Wer bremst, verliert.“
Ich habe das Gaspedal gar nicht erst gefunden bei meiner Premiere am sogenannten Underhand Chop. Dabei kann nicht viel passieren, weil ich Eisenschuhe trage, die auch meine Schienbeine schützen. Es braucht einige Schläge, bis ich Vertrauen in die Ausrüstung gewinne. Dass ich darin wie der Ritter von der traurigen Gestalt aussehe, sorgt immerhin für Erheiterung.
Dann drückt mir Braun eine zwei Meter lange Säge in die Hand. „Nicht fallen lassen“, sagt er. „Kostet 2000 Euro.“ Holzfällen ist ein teurer Sport. Brauns Hochleistungsmotorsäge, die 72 PS hat und an der Schmerzgrenze von 130 Dezibel röhrt, besitzt einen Wert von 8000 Euro. „Für mein erstes Werkzeug habe ich Schulden auf unser Haus gemacht“, erzählt der ehemalige Bodybuilder und schüttelt seinen kahlrasierten Kopf. 2003 war das, als er erstmals bei deutschen Meisterschaften der Stihl Timbersports Series auf der Bühne in Winterberg stand und in tausende bekannte Gesichter blickte. „Meine Knie haben gezittert“, sagt Braun, der allerdings glaubhaft versichert, sich in seiner gesamten Karriere noch nicht ernsthaft selbst verletzt zu haben. „Ich wusste damals nichts über das Sportholzfällen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich in diesem Sport jemand werden kann.“
Erfolgsgefühl an der Handsäge
Dieses Gefühl habe ich nicht unbedingt, als ich die lange Handsäge vor und zurück bewege. Ich bekomme das stählerne Ungetüm kaum wieder aus dem Stamm gezogen. „Aufrecht bleiben“, ruft Braun. Es funktioniert, die Späne fliegen, die Säge fährt fast schon geschmeidig durch das Holz. Die Kraft verlässt meine Arme zwar erneut, doch mein Mentor motiviert mich: „Noch drei Züge, zwei, einer.“ Die Scheibe fällt vom Stamm krachend auf den Boden. Es ist ein himmlisches Geräusch, ganz so als sei die Säge eine Harfe. „Nicht schlecht“, urteilt Dirk Braun und klingt dabei nicht einmal ironisch. Den übermütigen Gedanken, mich nun in den kanadischen Wäldern als Holzarbeiter zu verdingen, verwerfe ich trotzdem. Irgendjemand muss sich schließlich zu Hause um das wuchernde Unkraut kümmern.